Der Auftakt ist beim Königstag in Amsterdam gründlich in die Hose gegangen: Das eigens für den Anlass komponierte Königslied wurde von den Holländern so gnadenlos zerrissen, dass der Komponist es zurückgezogen hat. Doch auch die peinliche Mixtur aus Celine Dion-Schnulze und anbiedernden Multikultijugendwahn-Einlagen ändert nichts daran, dass Prins Pils den Thron besteigen wird: Am 30. April löst Willem Alexander seine Mutter Beatrix ab. Fortan wird er König der Niederlande sein – was den Leuten trotz oder wegen eines entspannten Verhältnisses zur Monarchie durchaus nicht egal ist.
Das belegt eine Umfrage: Nur zwölf Prozent aller Niederländer vertrauen den Politikern des Landes, Königin Beatrix aber erfährt Wertschätzung von 73 Prozent ihrer Untergebenen. Der Zuspruch ist so irrational wie unzeitgemäß, denn trotz finsterer Demagogen vom Schlage eines Geert Wilders befindet sich das kleine Land mit den vielen Einwohnern keineswegs in beklagenswertem Zustand.
Egal jedoch, ob die Niederländer sich nun dem Königshaus zuwenden, weil sie dadurch die Komplexität der Politik ausblenden können, oder aber, ob sie zu der Minderheit gehören, die das Haus von Oranien für verzichtbar hält: Einmal im Jahr huldigen sie alle gemeinsam im gesamten Land der Monarchie: Beim Koninginnedag am 30. April.
Mit der Abdankung von Beatrix, die den Geburtstag ihrer Mutter Juliana zum Nationalfeiertag gemacht hat, ändert sich nun auch das. Willem Alexander nämlich lässt seinen eigenen Geburtstag feiern – drei Tage vor dem jetzigen Festtag. Das allerdings sollte nicht als Egomanie ausgelegt werden, vielmehr wurde Beatrix am 31. Januar geboren – ein wenig einladendes Datum für ein landesweites Straßenfest. Ebendieses ist Ausdruck des immer noch vorherrschenden Selbstverständnisses. Es ist: fröhlich, ironisch, ziemlich trashig und in seinem tiefsten Inneren doch ziemlich kontrolliert. Ein Protokoll aus vergangenen Tagen.
29. April, 18 Uhr: Wir schlendern durch Amsterdam, dem ewigen Epizentrum der Koninginnedag. Und wir stellen fest, dass die Vorbereitungen weit gediehen sind: Orange, soweit das Auge reicht. Die Bühnen für die Blasmusikkapellen stehen. Alles wird gut.
Aufwärmpartyam Vorabend
Zur Aufwärmparty finden wir uns auf dem Nieuwmaarkt ein. Wir treffen Jan, einen Fernsehjournalisten, mit seiner kleinen Familie. Jan spendiert uns ein Pilsje, dann stellt er uns einen Typen vor, der für die Sozialisten im Tweede Kamer sitzt, dem Äquivalent zum Bundestag.
Keiner hat Lust, über Arbeit oder Politik zu reden. Also trinken wir Bier und sprechen über vernachlässigenswerte Banalitäten. Auch mal schön.
Am nächsten Morgen betreten wir in unserem orangenen Ornat die Straßen des Grachtengürtels. Als erstes sehen wir eine Ramones-Coverband, die aus lauter Neunjährigen besteht. Noch im Jordaan aber treibt eine Art Hausfrauen-Trash-Kapelle ihr Unwesen.
Es sollte nicht die letzte bleiben. In der Herengracht aber legen auch DJs auf. Gabber-Techno aus Rotterdam. Ein würdevoll gealterter Mann bewegt dazu recht isoliert seinen Körper.
Die eigentliche Party während des Koningsdag in Amsterdam aber steigt auf den Grachten. So ziemlich alle Boote, die nicht akut vom Untergang bedroht sind, kämpfen auf den Wasserwegen ums Durchkommen. Mit an Bord: Eine Passagieranzahl weit überhalb des Fassungsvermögens, ein unerschöpflicher Vorrat an Kaltgetränken – und eine Anlage mit 200 Watt-Boxen, zuweilen auch ein DJ.
Die Plätze an Bord der Boote, Schiffe, Kanus, Kähne und Flöße sind begehrt – und sie sind nicht käuflich. Wer die richtigen Freunde hat, ist dabei. Beseelt von der monochromen Monarchieextase fallen wir in ein Zeitloch. Es ist 16 Uhr. Während um uns herum weiterhin Sodom und Gomorra herrschen, sind wir einigermaßen reizüberflutet und ziemlich angeschickert.
Nicht ohne Neugier beobachten wir, dass einige Schiffspassagiere nach sechs Stunden Party einen etwas angespannten Gesichtsausdruck haben. Nicht jeder Kahn, der beim Koningsdag in Amsterdam zum Einsatz kommt, hat auch einen Pott – also suchen immer mehr Kapitäne die Ufer auf. In dritter Reihe legen manche an, was einen blancierintensiven Umweg über zwei Boote notwendig macht, ehe eine Toillette in Reichweite kommt. Auch was das betrifft, bleiben die Holländer ihrer Kaufmannsseele treu: 5 Euro kostet der Besuch. So haben wir es zumindest auf Schildern gesehen. Angebot und Nachfrage halt. Streng genommen ist auch das nur Spaß.
Wir entscheiden uns stattdessen für die Guerilla-Variante: Ein Luxushotel mit Marmor-Bädern. Kostenlos.
Königstag in Amsterdam: Gegen 18 Uhr ebbt die Party ab
Als wir gegen 18 Uhr denken, dass die Dinge beim Königstag in Amsterdam außer Kontrolle zu geraten drohen, ebbt die Party langsam ab.
Wir überlegen kurz, ob wir uns ein Tretboot mieten sollen, sehen aber von diesem Experiment ab. Stattdessen gehen wir zurück in den Jordaan.
Dort besuchen wir am Königstag in Amsterdam das Café De Twee Zwaantjes, wo ein Barkeeper im Hawaiihemd Karaoke singt. Danach verschlägt es uns in Café Nol, wo wir holländische Schlager gröhlen. Auch am Geburtstag des neuen Königs wird es künftig wohl ähnlich zugehen. Vielleicht springt Willem Alexander sogar noch mal in eine Gracht, so wie er es 1996 bei den Olympischen Spielen 1n Atlante gemacht hat, als Oranje eine Goldmedaille errungen hat. So oder so aber gilt: Ein Hoch auf den König. Und sei es nur wegen des künftigen Koningdags.
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Mai 2021
3 Comments
[…] Ein Hoch auf Willem Alexander: Aus dem Koninginnedag wird der Koningsdag […]
Perfekte Beschreibung des kompletten Wahnsinns 🙂
Die Zurückziehung des Königsliedes wurde inzwischen wieder zurückgezogen und es gibt noch ein paar neue Königslieder.
Die neuesten Alkoholregeln wurden publik gemacht: Jeder darf max. 1 alkoholisches Getränk bei sich haben. Und es wird das Zusammenbrechen des Bahnverkehrs nach Amsterdam prognostiert.
Alles wie immer 🙂
LG Simone
Danke für die Hinweise aus dem Epizentrum, Simone. Ich werde mir dann nächsten Jahr mal die Premiere des Königstages ansehen – mit oder ohne Lied…