Denver ist die einzige Stadt zwischen Las Vegas, Dallas und Chicago, die mehrfach täglich von Deutschland aus angeflogen wird. Auch deshalb ist die Metropole der Rocky Mountains der perfekte Ausgangspunkt für einen Trip durch den Südwesten der USA. Ein weiterer Grund: in Denver brauchst du kein Auto.
Vom Flughafen fährt die neue Light Rail zur Union Station, von dort aus ist es nicht weit zu allen Hotels von Downtown und den umliegenden neighborhoods – zu Fuß, mit den Leihfahrrädern von B Cycle oder mit Uber. Das gilt für die Eingewöhnung nach der Ankunft, aber auch für ein paar angenehme Tage vor der Heimreise nach einem intensiven Road Trip durch den Südwesten der USA. Denver drängt sich geradezu auf für einen Citytrip ohne Auto.
48 Stunden in Denver, Tag 1, 18 Uhr: Lounging in LoDo
Tatsächlich ist Denver eine junge Stadt: Sie wurde 1858 gegründet und dementsprechend reihen sich hier die Kulturdenkmäler nicht gerade aneinander. Doch als Eisenbahndrehkreuz und »frontier city« hat Colorados Metropole bei der Erschließung des amerikanischen Westens eine Schlüsselrolle gespielt. Die Fähigkeit und der Wille zur Anpassung und Weiterentwicklung sind ihr bis heute nicht abhanden gekommen.
Zwar ist der Central Business District von sachlich-funktionalistischen Wolkenkratzern geprägt. Aber ein paar Blocks weiter in Richtung Nordwesten liegt die Altstadt mit hübsch restaurierten Bauten der Pioniere. Die locals nennen die Gegend Lower Downtown oder kurz LoDo.
Es besteht aus ein paar Blocks zwischen der 15th und der 18th Street und umfasst dort Wynkoop, Wazee, Blake, Market und Larimer Street. Hier reihen sich Restaurants, Brauereien und Geschäfte aneinander, zum Teil in aufwändig ornamentierten Bauten aus der Gründerzeit.
19 Uhr, Wynkoop Brewing Company in LoDo
Wir steuern die Wynkoop Brewing Company an. Sieht aus wie eine Mikrobrauerei, wie sie heute jedes Dorf in den USA hat. Aber diese hier ist besonders: Als sich 1988 vier Kumpels entschlossen, eine Bar in Downtown Denver zu eröffnen, war die City nicht nur ausgestorben, sondern heruntergekommen und gefährlich. Die erste kleine Brauerei in Denver sollte zur Initialzündung für die Wiederbelebung der Innenstadt werden. Eine Entwicklung, die immer noch nicht abgeschlossen ist.
Während wir ein Belorado India Pale Ale trinken, lernen wir dass einer der Gründer ein gewisser John Hickenlooper war. Der Demokrat war von 2011 bis 2019 Gouverneur von Colorado und hat unlängst seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2020 angekündigt.
20 Uhr, Denver Milk Market in LoDo
Herumschlendern. Hier einen Happen essen und dort ein frisch zubereiteten Snack. Und zwischendurch einen guten Drink nehmen. Mit dieser Formel sind »food halls« seit ein paar Jahren der große Hype in den USA. In LoDo hat 2018 der Milk Market eröffnet und mich ernsthaft in Versuchung geführt, in Deutschland eine Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen. Das Chicken Sandwich von Lou’s ist extrem scharf und dementsprechend gut. Die Bowl von Mopoké enttäuscht ebenso wenig.
21.15 Uhr, Union Station: Noch eine Food Hall in Denver
„Du kommst doch aus Europa. Dann gibt es in Denver nicht viel für dich zu sehen.“ Diese Einschätzung hat ein mindestens leicht depressiver Amerikaner dem Kollegen Phillip Laage mit auf den Weg gegeben, als dieser sich grad auf dem Weg in die Metropole Colorados befand. Verständlich vielleicht, wenn der Sitznachbar grad ein paar Monate in Florenz, Amsterdam oder Berlin verbracht hat, und dabei missmutig die Kapriolen beäugt hat, die der demokratisch gewählte Präsident seines Heimatlandes geschlagen hat.
Doch Union Station hat der Typ dabei außer Acht gelassen: im Abendlicht appelliert der 1914 vollendete Bahnhof an den Nostalgiesinn eines jeden Eisenbahn-Fans. Er wird sowohl von Fernzügen nach L.A. und Chicago als auch von mehreren Light-Rail-Linien angefahren. Die klassizistische Abfahrtshalle geht mit elf Lokalen als weitere Food Hall in Denver durch. Wir nehmen in der Terminal Bar noch ein Draft Beer, das ebenfalls von einer Brauerei aus Denver stammt, ehe wir uns dem unruhigen Jetlag-Schlaf hingeben.
48 Stunden in Denver, Tag 2, 9 Uhr, Modern Market
Denver denkt wie eine Stadt der Zukunft. Die Leute essen gerne gesund, weshalb bei örtlichen Ketten wie Modern Market alles frisch und »organic« ist. Salat, Bowls und Smoothies in einem sympathischen Umfeld. Da verzeihen wir auch den altmodischen Filterkaffee und den Vapiano-Buzzer.
10 Uhr, Rockmount Ranch Wear
Wir sind erneut in LoDo. Nicht ohne Neugier starre ich auf ein Geschäft, das an seiner Außenseite mit einem grünen Kreuz dekoriert ist. Es handelt sich um ein Fachgeschäft für Marihuana-Produkte, deren Erwerb seit 2014 legal ist. Wenig später nehmen wir auf offener Straße verdächtige Gerüche wahr. Nicht unsere Welt, aber zugleich der Beweis, dass die Cops es hier nicht so eng zu nehmen scheinen mit dem öffentlichen Konsumverbot. Ignoranten jedenfalls fürchten nicht um ihr Leben, während sie mit einem Joint durch die Straßen laufen. Aber das nur am Rande.
Wir steuern Rockmount Ranch Wear an, eine Legende unter den amerikanischen Bekleidungsherstellern: seit 1946 wechseln in einem denkmalgeschützten Bau Western-Hemden, Cowboyhüte und weiteres zweckmäßiges Zubehör für das Leben auf dem Lande den Besitzer. Zu den Kunden gehörten: Elvis Presley, Paul McCartney, Bob Dylan, Robert Redford und sogar der schmächtige David Bowie.
11.30 Uhr, Denver Art Museum
Noch am Abend haben wir uns die App von BCycle heruntergeladen. Die City Bikes sind allgegenwärtig im Stadtbild. Unsere Premiere führt uns zum Denver Art Museum, dessen Erweiterungsbau 2006 vom Büro Daniel Libeskind vollendet wurde. Kenner ahnen bereits, dass es sich nicht um ein zurückgenommenes Gebäude handelt, wo sich die Kunst unbehelligt entfalten könnte.
Viel mehr handelt es sich um einen kubistischen Prunkbau, der »all eyes on me« schreit. Sowohl das verspielte Umfeld wie auch die gelungene Raumaufteilung aber besänftigen uns. Zur Sammlung gehören zwar – neben Frontier-Kunst und anderer amerikanischen Folklore – auch Werke von Picasso und Georgia O’Keeffe. So richtig aber überzeugt sie uns nicht.
13.30 Uhr, Clyfford Still Museum
Da ist das Clyfford Still Museum schlüssiger. Der reduzierte Bau mit seinen Sichtbetonwänden ist eine kongeniale Ausstellungsfläche für die Werke des Malers (1904-1980), der hinter dem alles dominierenden Mark Rothko zur zweiten Riege der Abstrakten Expressionisten zählt. Das Haus weiß nicht weniger als 94 Prozent aller Still-Werke in seinem Besitz und muss gemäß seines Testaments sowohl auf ein Café als auch auf einen Shop verzichten. Auch dürfen die Bilder nicht ausgeliehen werden. Der Mann hatte Haltung.
15 Uhr, Capitol Hill
Wir laufen hinüber zum Capitol Hill, blicken erst auf das mächtige Kapitol mit der vergoldeten Kuppel und danach auf die Rocky Mountains, deren Gipfel sich im Westen erheben. Die East 13th Avenue ist seit Jahrzehnten die größte und vielleicht sogar einzige Keimzelle der Gegenkultur zwischen Chicago und San Francisco.
Unser Ziel ist Wax Trax Records, ein seit mehr als 40 Jahren bestehender Plattenladen. Als wir das Ladenlokal betreten, werden wir geflissentlich ignoriert, wie es sich für ein Bohemiens-Geschäft gehört. Die Drei hinter dem Tresen diskutieren inbrünstig über Rilke und Hesse.
Dazu läuft das Debütalbum von Aztec Camera. Ich beschließe einzuziehen, doch nach gut zwei Stunden hochkonzentrierten Kistenwühlens und dem Kauf zweier Werke (Flaming Lips und Jon Spencer Blues Explosion) lasse ich mich zum Weiterziehen erweichen.
17 Uhr, Cherry Creek
Wir radeln zum Cherry Creek, Denvers beidseitig von Radwegen flankierten Stadtbach und steuern die gleichnamige Hood an: Shopping-Mall und rund ein Dutzend Blocks mit High-End-Geschäften und gut durchgestylten Restaurants unter freiem Himmel. Cherry Creek ist amerikanischer Hedonismus in Reinform.
19.30 Uhr, Beast + Bottle
Im Beast + Bottle treffen wir unsere Freundin Kathrin, die das Glück hat, einige Wochen in Denver zu verbringen. Das Restaurant ist einer dieser angesagten Läden, die sich das inzwischen weit verbreitete Prinzip »farm to table« zu Eigen gemacht haben. Köstlich und vergnüglich.
Tag 3 der 48 Stunden in Denver, 9 Uhr, RiNo
Ohne Umschweife radeln wir nach RiNo, noch so eine angesagte neighborhood, wo zurzeit wöchentlich wenigstens ein gutes Restaurant aufzumachen scheint, dessen Küchen-Crew in »fusion food« ziemlich bewandert ist. Die alten Lagerhallen sind grad erst restauriert und großflächig mit Street Art dekoriert worden. Auch diverse Brauereien haben Einzug erhalten.
Weil wir nicht genug bekommen können von dem Konzept, frühstücken wir diesmal in Gesellschaft tätowierter Frauen und bärtiger, tätowierter Männer im Central Market. Unsere dritte Food Hall in Denver. Danach lassen wir uns treiben, bis wir uns nach LoHi aufmachen.
11.30 Uhr, LoHi
Lower Highland Park oder LoHi ist noch so Viertel, wo das junge Denver lebt. Weil es unser finaler Tag in Denver ist, frönen wir im Ale House ausnahmsweise dem »day drinking«. Und wo wir schon mal angefangen haben, suchen wir auch gleich noch die Kaschemme auf, in der mit Neil Cassady, Allen Ginsberg und Jack Kerouac abgehangen haben. Ihr wisst schon: die Beat Generation, die in Kerouacs »On the Road« und Ginsbergs »Howl« ultimativ den amerikanischen Zeitgeist der 40er zum Ausdruck gebracht hat. »My Brother’s Bar« heißt der 1873 eröffnete Laden – und spätestens hier ist die Theorie widerlegt, dass es in Denver keine Sehenswürdigkeiten von historischem Wert gebe.
16 Uhr bzw. irgendwann zwischen frühem Nachmittag und mittelspätem Abend, My Brother’s Bar
Wir trinken Denver Pale Ale und labern mit den locals über Germany, Jack Kerouac, Denvers vier Sportteams der »major leagues« und die 348 Brauereien, die in Denver ansässig sind. Wie wir ins Hotel gekommen sind, weiß ich nicht mehr ganz genau. Allerdings meine ich mich zu erinnern, dass uns jemand davon vorgeschwärmt hat, wie die Sonne hier am Fuße der Rocky Mountains an nicht weniger als 300 Tagen scheint. Ich sage irgendetwas wie: »Jaja, ist ziemlich trockene Luft hier.«
17 Uhr, Confluence Park
Okay, ich gebe zu: das Ende unserer 48 Stunden in Denver hat sich nicht ganz so zugetragen. Es waren nicht so viele Beatniks in der Bar – und wir wollen ja am nächsten Tag unseren Trip durch den Südwesten der USA mit dem Besuch von Pikes Peak beginnen. Ein kühler Kopf ist vonnöten auf 4300 Metern Höhe. Deswegen hängen wir im Confluence Park ab, schlendern kurz rüber in den REI, um letzte Besorgungen für die Wildnis zu machen – und freuen uns auf die bevorstehenden Wochen.
Informationen zum Cityguide 48 Stunden in Denver
Denvers coolste Viertel sind: RiNo (River North), LoDo (Lower Downtown), LoHi (Lower Highland Park), Capitol Hill und Cherry Creek.
Schöne Hotels für Denvers coolste Viertel
Ramble: Boutique-Hotel mit Backsteinoptik in einem ehemaligen Warenhaus in Denvers RiNo
The Art: Kunstaffines Haus mit cool designten Zimmern in der Nähe zu Denvers Museen – nach Westen hin spektakulärer Blick auf die Rocky Mountains
Crawford: Schickes Hotel in der Union Station in LoDo
Brauereitour in Denver
Wenn du noch die beste Brauerei in Denver finden möchtest und noch einen Abend frei hast, solltest du eine Brauereitour machen. Auf der Webseite des Tourismusbüros stehen einige zur Auswahl.
Anreise
United Airlines und Lufthansa fliegen täglich mehrmals von Deutschland nach Denver, wobei ein Anschlussflug nach London Heathrow aus dem Westen und Norden des Landes schneller sein kann. Der Flughafen liegt etwa 40 km östlich der Stadt. Die Lightrail (Linie A) braucht 37 Minuten bis zur Union Station , Tagestickets kosten 10,50 $.
Weitere Informationen für perfekte 48 Stunden in Denver und einen Trip durch den Südwesten der USA:
Dies und alle weiteren Informationen zur Stadt findest du auf www.denver.org. Alles über Colorado auf www.colorado.com oder Visit the USA
Text und Bilder 48 Stunden in Denver: Ralf Johnen, April 2019. Der Autor hat in Denver die Messe IPW besucht. Den Trip durch den Südwesten der USA hat er unternommen, weil er für den ADAC ein Buch über die Region geschrieben hat, das ihr hier bestellen könnt.
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