
Sonnenuntergang in Clearwater Beach
Die Strände in Florida haben eine Länge von über 1000 Kilometern. Fast alle wissen mit eigenen Vorzügen zu glänzen. Zu einigen Strände aber gehört auch eine Geschichte, die über die reine Aufenthaltsqualität hinausgeht. Ein paar davon erzähle ich hier. Weitere Stories über Florida gibt’s unter den Links und drüben bei Jenny auf der Webseite von Reisen Exclusiv.
Calusa Beach, Bahia Honda

Die alte Brücke der Eastcoast Railroad
Abschalten, lesen und auftanken ist die eine Sache. Manchmal aber kann mich ein Strand auch melancholisch stimmen. So auch Calusa Beach, der sich tief in der Karibik auf Bahia Honda Key befindet. Bis nach Key West, dem hintersten Außenposten der Zivilisation, sind es nur noch 60 Kilometer.

Der Fußgängerweg findet ein jähes Ende zugunsten der Schifffahrt
Als Strand macht Calusa Beach nicht so viel her. Doch wer hier ist, blickt unweigerlich auf die Ruine einer alten Eisenbahnbrücke. Zwischen 1912 und 1935 sind auf dieser die Züge der East Coast Railroad bis nach Key West gefahren.

Fototipp an alle Influencer: das wird euren Followern gefallen
Sie war Teil einer ganzen Serie von Brücken, die über das azurblaue Wasser in Hemingways alte Heimat geführt. Die Fahrt muss ein erhabenes Erlebnis gewesen sein. Auf Bahia Honda Key sind noch heute die ersten Meter des nunmehr durch eine Autobrücke ersetzten Bauwerks für Fußgänger begehbar, doch bald wartet eine Sperre auf: der Kadaver der alten Brücke wurde seziert, damit größere Schiffe die Stelle passieren können. Ein schaurig schönes Fotomotiv.
200 km südwestlich von Miami Beach, Bahia Honda State Park
Higgs Beach, Key West
Auf Key West kann man seine Zeit wirklich mit sinnvolleren Dingen verbringen, als sich an den Strand zu legen. Tatsächlich hat die Natur auch darauf verzichtet, die Insel mit größeren Stränden auszustatten: Key West ist eine Koralleninsel, auf der sich Sand kaum halten kann. Higgs Beach musste denn auch künstlich an der Südflanke aufgeschüttet werden.

Pavillon am Higgs Beach auf Key West mit ortsüblichem Schiffsverkehr im Hintergrund
Obwohl ein Angelpier trockenes Fußes Ausflüge hinaus aufs Wasser gestattet, kommt keine richtige Badelust auf. Allerdings lohnt es sich, einen Blick auf das Monument zu werfen, das sich am Anfang des Piers befindet. Das Key West Aids Memorial ist den vielen Toten gewidmet, die der Immunschwäche hier zum Opfer gefallen sind, als diese in den späten 1970er und 1980er Jahren noch unzureichend erforscht war. Bis in die Gegenwart ist die Insel ein bevorzugtes Ziel für Freigeister und Leute, die sich anders fühlen.
270 km südwestlich von Miami Beach, Florida Keys Webseite
Naples Beach: Millionäre aus dem Mittleren Westen

Der öffentliche Strand von Naples
Der Strand von Naples geht in die nördlichen Ausläufer der Everglades über. Er ist langgezogen, öffentlich zugänglich und etwa 20 Meter breit. Dennoch haftet dem Strand von Naples etwas Furcht einflößendes an, das viele Normalsterbliche abschreckt, denn dahinter reihen sich einige der teuersten Häuser Floridas aneinander.

Typisches Straßenbild in Naples mit Edelautomobil aus dem Hause Rolls Royce
Klassizistische Paläste, die von mächtigen Palmen flankiert werden und die Preise von mehr als 20 Millionen Dollar erreichen. Wer das Glück hatte, dass seine Vorfahren sich hier ein Grundstück gesichert haben, muss sich in Sachen Altersvorsorge keine Gedanken mehr machen. Es sind vor allem Millionäre aus dem konservativen Mittleren Westen der USA, die sich hier niedergelassen haben – in sicherer Entfernung zu den Liberalen von der Ostküste, die sich lieber in Fort Lauderdale oder Miami Beach aufhalten.

Einkaufslandschaft in Naples
Trotzdem muss sich hier kein Besucher verstecken. Wir haben sogar einen Deutschen getroffen, der bei der weltweit agierenden Makler-Krake Engel und Völkers arbeitet. Er hat uns ein Haus in einem Wohnpark angeboten. Nicht am Strand, aber wenn wir es drauf anlegten, seien wir in 20 Minuten da. Preis: 300 000 Dollar. Dafür bekommen wir in Köln grad mal eine Anderthalbzimmer-Wohnung.
190 km westlich von Miami, Naples und die Paradise Coast
Muschelsucher auf Sanibel Island

Gitarre spielen und Muscheln suchen: Strandleben auf Sanibel Island
Sanibel Island ist einer meiner favorisierten Orten in Florida. Die kostenpflichtige Buckelbrücke (7 Dollar) reduziert das Verkehrsaufkommen. Viele Straßen werden von Radwegen flankiert. Die Gebäude dürfen nicht höher als drei Stockwerke sein – und ein guter Teil der Insel genießt den Status eines State Parks. Außerdem ist der Bayley’s General Store einer meiner Lieblingssupermärkte in den USA.

Der Autor bei der vorabendlichen Delfinbeobachtung
Der Strand selbst ist strahlend weiß und wird von flachen Dünen eingerahmt, in denen Schildkröten ihre Eier ablegen. Vor der Küstenlinie sind häufig die Flossen von Delfinen zu sehen. Doch das alles reicht nicht, um die Amerikaner davon abzuhalten, mit gesenktem Haupt durch das knöcheltiefe Wasser zu waten. Dabei handelt es sich um ein skurriles, aber weit verbreitetes Hobby, dessen Anhänger auf den Fund besonders schöner Muscheln hoffen.

Muscheln sind das Objekt der Begierde auf Sanibel Island
Offiziell wird der Zeitvertreib als »shelling« bezeichnet. Zwar frönt man der Leidenschaft nicht nur am Strand von Sanibel Island, doch handelt es sich ohne Zweifel um eine Hochburg, denn die Insel ist Standort des landesweit einzigen Muschelmuseums. Ich persönlich fand das ganz interessant, würde mit aber eher einen Regentag zum Besuch aussuchen.
275 nordwestlich von Miami Beach, Sanibel Island & Fort Myers
Anna Maria Island

Der Strand von Anna Maria Island: Wo die Sandburgen die höchsten Bauten sind
Wo die Sandburgen die auffälligsten Gebäude scheinen, ist die Welt noch in Ordnung. Diesen Eindruck weckt Anna Maria Island in exklusiver Lage als südliches Einfallstor zur Tampa Bay. Der Strand ist breit, weiß und feinsandig.

Ungesicherter Spaziergang an der Tampa Bay
Der wahre Geist des Ortes aber offenbart sich an seiner Rückseite: Hier führt ein sehr wacklig aussehender Steg weit hinaus aufs Wasser, wo ein kleines Restaurant wartet. Der Rod & Reel Pier kommt ohne einen Zaun aus, was in den schreckhaften bis ängstlichen USA eine absolute Ausnahme ist.

Feiner Sand und Dünen: Anna Maria Island
Für die einen der Beweis, dass das »alte Florida« hier noch existiert, für die anderen nur die beruhigende Erkenntnis, dass sich in diese liberale Exklave noch keine geldgierigen Anwälte vorgewagt haben, die aus jeder Sicherheitslücke Kapital schlagen.
90 km südwestlich von Tampa, Bradenton & Gulf Islands
Clearwater Beach: Ein Delfin mit Prothese

Das Aquarium von Clearwater ist zugleich Pflegestation für verletzte Delfine
Als langgestreckte Insel mit 360 Tagen Sonnenschein und einem mehr als 200 Meter breiten Strand ist Clearwater Beach wie gemacht für die Tourismusindustrie. Strandbars und der naturbelassene Caladesi Island State Park liefern weitere Argumente.

Never a gull moment
Doch wer eine typisch amerikanische Geschichte hören möchte, sollte das Clearwater Marine Aquarium besuchen. Hier werden verletzte Delfine behandelt. So auch Winter, die von einem Fischernetz derart böse an der Schwanzflosse verletzt wurde, dass ihr Leben auf dem Spiel stand.

Das Recherchefahrzeug in St. Petersburg
Also haben Meeresbiologen in Clearwater Beach ihr eine Prothese gebaut, die der Delfin-Dame ein weitgehend unbeschwertes Leben ermöglicht. Stoff für einen Hollywood-Film? Genau! »Dolphin Tale« heißt die Produktion aus dem Jahr 2011, an der Stars wie Ashley Judd und Morgan Freeman mitgewirkt haben.
40 km westlich von Tampa, Clearwater Beach & St. Petersburg
Shell Island, Panama City Beach

Shell Island Minuten vor einem Gewitter
Mit seinen enormen Plattenbauten ist Panama City Beach vordergründig keine Schönheit. Ich aber mag den Ort aus einer ganzen Reihe von Gründen trotzdem.

Mit dem Pontonboot geht’s rüber auf die Insel
So ist der Strand von PCB in seiner ganzen Ausdehnung nicht zu beanstanden. Wer Einsamkeit sucht, muss nur eine Fähre nach Shell Island. Zwar ist die Insel in Wahrheit eine unbewohnte Landzunge, doch ist sie tatsächlich nur auf dem Wasserweg erreichbar.

Nobelsiedlung im Westen von Panama City Beach
Außer Dünen, Gestrüpp und einem Bootsanleger gibt es hier gar nichts. Ein gutes Ziel für einen Tag mit netten Leuten und einer prall gefüllten Kühlbox.

Blick auf dem Stranddomizil
550 km nordwestlich von Tampa, Visit Panama City Beach
Gulf Shores

Alabama am Abend: Sonnenuntergang in Gulf Shores
Puristen mögen beanstanden, dass Gulf Shores zu Alabama gehört. Doch was kümmert das den Reisenden? Der langgezogene Küstenort liegt auf halber Strecke zwischen Pensacola und Mobile – und er unterscheidet sich nicht merklich von den Stränden Floridas: schneeweißer Sand, von Schildkröten bewohnte Dünen, zuweilen erstaunlich hohe Wellen und ein Pier mit einem typisch amerikanische Restaurant, wo man frittierten Fisch isst und Bier aus Plastikbechern trinkt.

Von Florida kaum zu unterscheiden: Gulf Shores in Alabama
Der im Hinterland gelegene State Park mit seinen von Alligatoren bewohnten Gewässern und weitläufigen Wanderwegen ist hinreißend.

Die Dünen wachsen wieder in Gulf Shores
800 km nordwestlich von Tampa, Gulf Shores, Alabama
Fernandina Beach, Amelia Island

Der Strand, so breit: Amelia Island
»Ich schenk dir einen Haifischzahn für ein kleines Lachen.« Dieses Versprechen findet nicht nur im Kölner Karneval Gefallen, sondern auch am nördlichsten Strand von Floridas Ostküste. Wo die Amerikaner auf Sanibel Island nach Muscheln suchen, gilt ihre Aufmerksamkeit auf Amelia Island tatsächlich Haifischzähnen, die hier regelmäßig gefunden werden.

Sie sind nicht so übellaunig, wie sie aussehen: Pelikane in Fernandina Beach
Keine Kauwerkzeuge, die hier gerade aus den Wet Suits von Surfern gezogen wurden, sondern bis zu 20 Millionen Jahre alte Relikte, deren Farbe getrost als schwärzlich bezeichnet werden darf. Hintergrund ist die Tatsache, dass die weitverzweigten Wasserlandschaften dieses Küstenabschnitts seit jeher das Habitat diverser Haispezies sind, deren Kauwerkzeugte als Fossilien von sogenannten »beachcombers« gesucht und bis heute in überraschend großen Quantitäten gefunden werden.
60 km nordöstlich von Jacksonville, Haifischzahnsuche auf Amelia Island
Cumberland Island

Einflugschneise für Geier: Der Strand auf Cumberland Island
Noch ein Ausflug, der über eine Staatsgrenze von Florida führt: Cumberland Island gehört zu Georgia und gehört zu der Inselgruppe der Golden Isles. Die mit einem grandiosen Strand gesegnete Insel war früher die Heimat des Industriellen-Clans der Carnegies.

Die einstige Villa der Carnegies steht heute leer
Heute ist sie weitgehend unbewohnt. Doch wer im charmanten Greyfield Inn übernachtet, kann sich auf die Suche nach den Spuren der Vergangenheit machen. Ein morbides und dabei höchst fotogenes Vergnügen.

Verwunschene Alleen aus American Live Oak auf Cumberland Island
Beim gemeinschaftlichen Abendessen im Greyfield Inn gibt mit einiger Sicherheit gute Stories, denn das Hotel wird gerne von schillernden Gestalten aus New York oder Boston gebucht, die einige Anekdoten parat haben. Abendkleid und Sakko sind Pflicht!
70 km nördlich von Jacksonville, Cumberland Island
Municipal Beach, Palm Beach

Nicht nur für Millionäre: The Palm Beaches
Okay, Palm Beach ist ein bisschen berüchtigt, weil hier The Donald seinen Beach Club hat und so ziemlich alle amerikanischen Industriellen-Clans und Politiker-Dynastien eine Zehnmillionenvilla besitzen.

Das ehemalige Wohnhaus des Eisenbahnmoguls Henry Morrison Flagler in Palm Beach
Doch gerade das macht einen Besuch auch interessant. Mir selbst etwa ist folgende Anekdote passiert: Gemeinsam mit meiner Frau habe ich mir einen Gimlet im Hotel The Breakers gegönnt, einem dieser neomediterranen Paläste aus der euphorischen Gründerzeit Floridas, wo jederzeit die Charaktere aus der Serie »Mad Men« an der Bar sitzen könnten.

Gut für einen Drink: The Breakers
Als wir zurück in Richtung Hotel fahren, ist es dunkel, aber noch früh am Abend. Dann stehen wir tatsächlich im Stau. Als wir die Ursache erkennen, werden wir nervös: Ein Streifenwagen, dessen Personal hektisch mit den Armen rudert. Das ist kein gutes Zeichen in den USA. Vor mir werden alle Wagen von der Straße in eine Einfahrt gelotst. „Jetzt haben sie dich“, denke ich nur.

Endstation Milliardärsvilla
Nach einer Rechtskurve aber weicht die von Jetlag beflügelte Paranoia der Realität: Ich werde mir langsam der Tatsache gewahr, dass ich mich auf einem dieser Milliardärsanwesen befinde, die ich zuvor im gleißenden Sonnenlicht aus dem Auto beäugt hatte.
Im Reich der Tycoons
Das hier muss eine der berüchtigten Wohltätigkeitsveranstaltungen sein, die man als Tycoon an Freitagabenden halt so organisiert. Und für mich gibt es kein Zurück: Ein livrierter Dienstbote reißt mit sichtbarer Geringschätzung die Tür meines Kleinwagens auf, um mir eine Marke in die Hand zu drücken, mit der ich das Gefährt am Ende des Abends wieder auslösen kann. Mit einer Kladde in der Hand fragt er mich nach einer Banalität. „Your name, Sir?“

Typische Wohnsituation in Palm Beach
Ich stammele, dass es sich hier offensichtlich um ein Missverständnis handele und ich nur ein harmloser Tourist aus Europa sei. Warum ich dann nicht einfach weitergefahren sei, möchte der Typ wissen. Eine berechtigte Frage. „Wahrscheinlich“, sage ich kleinlaut, „bin ich einfach überfordert mit den Gepflogenheiten Ihrer schönen Stadt“. Sein Wissensdurst ist abrupt gestillt. Mit ein paar abfälligen Handbewegungen dirigiert er mich zum Hinterausgang. Soll ich doch sehen, wo ich bleibe. Später in dieser tropischen Nacht denken wir lachend an die Situation zurück: So etwas kann dir auch nur in Florida passieren.

Der Autor bei der wohlverdienten Lektüre eines Kriminalromans
120 km nördlich von Miami, The Palm Beaches
Text und Bilder: Ralf Johnen, Mai 2019. Der Autor hat drei Bücher über Florida geschrieben und die Anekdoten und Eindrücke während seiner Recherchen gesammelt, die zum Teil von den örtlichen Tourismusbüros unterstütz wurden.
Weitere Informationen: www.visitflorida.com