Der Jeep Grand Cherokee SRT ist ein ebenso schnelles wie starkes Fahrzeug. Dabei aber wird der Wagen auch zur Karikatur der Marke.
Ein heiseres Dröhnen setzt ein. Ein Geräusch wie vom Triebwerk einer Boing, wenn der Pilot zum Start alles auf Schub setzt. Ich aber habe lediglich das rechte Fußgelenk gestreckt und damit unter der Haube des Autos, in dem ich sitze, einen minder schweren Tobsuchtsanfall provoziert. Schließlich gilt es bei dieser Testfahrt immerhin 2,4 Tonnen flott zu machen.
Acht Zylinder und 6,4 Kubikmeter
Der da so wild wird, ist ein alter bekannter unter den großkalibrigen Kultmotoren, wenn auch auf modernem Stand: Ein Hemi mit acht Zylindern und 6,4 Litern Hubraum, wie er einem Dragster gut zu Gesicht stünde. Oder einem Muscle Car der Siebziger, denn die halbkugelartigen Brennkammern des Saugmotors sorgen für eine prompte Entfaltung überaus üppiger Leistung. Allerdings sitze ich in einem Jeep, dem Grand Cherokee SRT8.
Als ich also so richtig auf das Pedal drücke, um zu sehen, welche Katapultwirkung von 468 PS und 624 Newtonmeter auf so ein klobiges Auto ausgehen können, höre ich urplötzlich ein Kreischen. Meine Sitznachbarin hält sich die Wangen mit den flachen Händen, als wäre sie heftig bestürzt. Dabei sind es nur diese 5,0 Sekunden, in denen die Trägheit der Masse uns im Magen kitzelt. Dann sind 100 Sachen erreicht, und ich lasse es gut sein. Schließlich befinden wir uns auf der Landstraße.
Der Jeep Grand Cherokee SRT: schnell und stark
Jeep – wie Tempo für Taschentücher steht Jeep für Geländewagen. Mit dem SRT8 aber hat die amerikanische Marke ihre eigene Geschichte ad absurdum geführt. Der laut Hersteller »schnellste und stärkste Serien-Jeep aller Zeiten« hat zwar noch einige Merkmale eines Geländegängers zu bieten – einen Allradantrieb, wenngleich ihm eine Untersetzung für Fahrten durch Morast fehlt, oder einen kleinen Kompass, als ginge es darum, durch den Dschungel und nicht entlang gut beschilderter Straßen zu fahren.
Dass es sich dabei um Atavismen eines Off-Road-Repertoires handelt, und der SRT eher für die Rennstrecke gemacht scheint, belegen weitere Merkmale des SUVs. A: Der Grand Cherokee wurde abgesenkt. Zwar beträgt die Tieferlegung lediglich 30 Millimeter, doch gilt dies beim Tuning schon als ein großer Schritt. B: Die Frontpartie wurde weit nach unten gezogen, sie ist jetzt praktisch ein Spoiler.
Großer Unterschied zum Urahn
All das lässt den Böschungswinkel für Steigungsfahrten auf nur noch 19 Grad schrumpfen, bis zu 35 hat der konventionelle Grand Cherokee. Auch die Bodenfreiheit schrumpft. C: Die 295er-Breitreifen sind auf 20-Zoll-Alurädern montiert, durch die Speichen schimmern die roten Sättel der Hochleistungsbremsen. D: Der SRT8 hat ein Sportfahrwerk mit adaptiven Dämpfern – und die Motorhaube weist Lüftungsschlitze auf.
Der Urahn des SRT8 hatte noch andere Eigenschaften: Der Willys MB als Vorläufer des ersten Jeep aus den 1940er Jahren schaffte gerade einmal rund 100 km/h und nicht 257. Man saß auf harten Sitzen und nicht in einer Sessellandschaft aus Nappa und Velours, man hatte kein Blech über dem Kopf und nicht ein behütendes Panoramadach. Und von der Seite her pfiff der Fahrtwind herein, denn der Willy hatte nur eine Vorhängekette.
Automobiler Hedonismus
Aber der Ur-Jeep war ja auch als geländegängiges Militärfahrzeug gedacht und nicht zur Befriedigung eines automobilen Hedonismus, die dieser Grand Cherokee gibt. Wer allerdings mit einem Auto so dick aufträgt, muss auch einstecken können. »Na so dick ist dein Auto nun auch wieder nicht!«, erbost sich eine Fahrradfahrerin in der dicht beparkten Zimmerstraße in Berlin, als sie rechts partout nicht vorbei kommt.
Ich sitze schwitzend hinterm beheizbaren Lederlenkrad bei dem Versuch mit dem Trumm von Auto (Breite: 2,15 Meter ohne Spiegel, Länge 4,82 Meter) noch irgendwie an dem Zweitreiherparker vorbeizukommen. Schließlich schaffe ich es, auch wenn die Piepsgeräusche, die die Sensoren bei zu viel Nähe zu Objekten im Fahrzeugumfeld auslösen, nicht gerade beruhigen. Die Radlerin zieht vorbei und macht eine unnette Geste.
Jeep Grand Cherokee SRT: Einparkhilfe
Beim Einparken habe ich zum Glück Helfer an Bord: eine Rückfahrkamera, absenkende Außenspiegel für den Blick auf die Parktaschenmarkierung und nicht zuletzt eine leichtgängige Servolenkung, die dem Auto immerhin einen Hauch von Geschmeidigkeit verleiht (und nur bei hohen Geschwindigkeiten etwas nervös wird).
Man kann über die Sozialverträglichkeit eines Fahrzeugs wie dem Grand Cherokee SRT8 geteilter Meinung sein. Und auch darüber, ob den Käufer eines 75 200 Euro teuren Autos die Spritkosten noch jucken. Als Freund der Transparenz aber möchte ich doch über den Durst des 1,75 Meter hohen Autofelsens aufklären (zu dessen Zügelung der Luftwiderstandsbeiwert – cw-Wert – von 0,39 nicht gerade beiträgt).
Exorbitanter Verbrauch
In der Stadt gelang es mir so eben, der Bordcomputer-Anzeige einen Wert von unter 30 Litern zu entlocken – auf der Landstraße waren es um die 15 und auf der Autobahn 17 bis 18 Liter bei einer Reisegeschwindigkeit von 160 bis 170 km/h. Bei für dieses Auto lahmen 110 bis 120 Sachen, waren immerhin knapp 12 Liter möglich, die dem von Jeep angegeben Normwert von 10,1 Litern für Fahrten außerorts schon etwas näher kommen.
All das verwundert kaum, denn Tuning-Cars sind selten genügsam. Und man hätte vom Überfluss an Fahrleistungen ja schon ahnen können, hätte man das Kürzel SRT bereits vor dem Studium des Datenblatts und vor Fahrtantritt entschlüsselt: Es steht für Street and Racing Technology und bezeichnet die Tuningfirma der Marke Jeep. Dazu passt die offizielle Verlautbarung des Herstellers, der Wagen sei für »einen performance-orientierten Auftritt« gemacht.
Was mich bei aller Tieferlegung und Nachschärfung des Fahrwerks allerdings doch stutzig macht: Als ich an der nächsten Ampel halte, bin ich mit den Leuten im Nachbarfahrzeug auf Augenhöhe. Es sind die Passagiere eines Omnibusses. In einem Rennboliden hätte man höchstens die Reifen zu Gesicht bekommen.
Informationen zum Jeep Grand Cherokee SRT8
Motor: V8-Hemi, Hubraum: 6417 cm3,
Maximales Drehmoment: 624 Nm bei 4.100 U/min
Leistung, maximal: 344 kW/468 PS bei 6.250 U/min
Spitzengeschwindigkeit von 257 km/h, Getriebe: 5-Stufen-Automatik, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,0 Sekunden
Kraftstoffzufuhr: Elektronische Direkteinspritzung und variable Ventilsteuerung mit Zylinderabschaltung
Verbrauch kombiniert: 14,1 Liter Super, (CO2-Ausstoß: 328 g/km), einmal Volltanken: 186 Euro bei einem Literpreis von 2 Euro, Tankinhalt 93 Liter
Kofferraumvolumen: 782 Liter (bei umgelegter Rücksitzlehne 1554 Liter)
Musikanlage: Surround Sound System mit 825 Watt von Harman Kardon mit 12-Kanal-Verstärker und 19 Lautsprechern inklusive Subwoofer, Preis: 75.200 Euro
Text: Stefan Weißenborn, Bilder: Jeep (9)/Stefan Weißenborn (3), zuletzt aktualisiert im Januar 2023.
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