Das Flugzeug sinkt, kommt der Wasseroberfläche näher, schlägt auf. Wasser kann ganz schön hart sein. Auch auf den Pfingstinseln. An Bord bricht keine Panik aus. Eher macht sich eine erwartungsvolle Aufregung breit. Popos rutschen auf den Ledersitzen des Wasserflugzeugs hin und her, Hälse werden gereckt. Der Pilot hat eine zwar raue Landung im endlosen Türkis hingelegt. Was die Passagiere aber gerade erleben, ist ein „once-in-a-lifetime“-Ding, wie ein Gast aus Deutschland später sagt. Etwas, das man sich nur einmal in seinem Leben gönnt.
Die Flugsafari durch die Inselwelt, die der Entdecker James Cook zu Pfingsten des Jahres 1770 durchkreuzte – die Strecke nannte er später Whitsunday Passage – hatte phänomenal schon begonnen: Korallenformationen aus der Vogelperspektive, eine Ästhetik, die Seemann und Hobby-Skipper nie haben. Ein wenig erinnern die Muster an Pustebilder, die man in der Schule mit Wasserfarben und geblähten Backen kreierte – sofern man Grün- und Blautöne verwendete.
Aber eigentlich muss jeder Versuch fehlschlagen, die Anmutung der größten lebendigen Struktur, des Great Barrier Riffs, das sich auf 2300 Kilometern Länge vor der Ostküste Australiens erstreckt, zu beschreiben. Da kam das Heart Reef, ein natürlich gewachsenes Riff in Herzform gerade recht, um dem Ganzen einen Namen zu geben.
„Noch drei, zwei, eine Sekunde – jetzt sehen wir es auf der rechten Seite“, hatte Ko-Kapitän Chad Banfield heruntergezählt. Und dann war das bekannte Stückchen Riff auch schon wieder aus dem Fensterausschnitt verschwunden und manches Bedauern, es nur durch die Kameralinse wahrgenommen zu haben, groß.
Man kann wochenlang mit einer Segelyacht von Insel zu Insel der insgesamt 74 Whitsundays cruisen, doch wem die Zeit dazu fehlt, etwa, weil er auf einer Rundreise durch den fünften Kontinent ist, kann sich im Schnellgang einen Überblick verschaffen. Mehrere kleine Unternehmen haben sich auf Flugsafaris per Helikopter oder Wasserflugzeug spezialisiert.
Täglich, so es das Wetter zulässt, starten zum Beispiel Maschinen der Air Whitsunday, darunter ein noch flugfähiger Havilland Beaver von 1951, von dem kleinen Privatflughafen in Airlie Beach. Dort gibt es keine Sicherheitskontrollen, und der barfüßige Ko-Kapitän weist vor dem Einsteigen noch eben schnell selbst ein.
Mit der Kamera zum Heart Reef
Etwa: „Habt Ihr alle Eure Kameras dabei?“ Das perfekte Postkartenmotiv warte. Und damit meint er nicht nur das Heart Reef. Kostenpunkt pro rund fünfstündigem Flug-Ausflug: 475 australische Dollar pro Person (umgerechnet: rund 350 Euro).
Die Cessna Caravan ist also gerade aufs Wasser geklatscht und schaukelt im Ozean rund 70 Kilometer von der Festlandküste des australischen Bundesstaates Queensland entfernt – inmitten von Korallenbänken und Lagunen. Ringsherum nur blau, kein Land in Sicht.
Kapitän Dan Bolton und sein Sitznachbar Chad Banfield springen auf die Schwimmer und zerren an einem Tau bis das Flugzeug und ein an der Hardy Lagoon geankertes Boot Seite an Seite liegen. Die Nussschale ist ein halbes U-Boot, die Wände des Rumpfes sind verglast. Doch besser als im Bootsbauch zu sitzen, ist das Erkunden der Unterwasserwelt mit Maske und Schnorchel.
Die Gäste streifen die Ganzkörperschnorchelanzüge über – Sonnenbrand im Nacken und dem Kontakt mit Quallen sollte vorgebeugt werden. Was sie erleben, ist besser als mancher Tauchgang. Ein noch nicht ganz ausgewachsener Napoleonfisch schwimmt vorbei, bunte Papageienfische sind in Schwärmen unterwegs und zeigen den menschlichen Besuchern ihre schmollenden Lippen. Zwischen Mai und September kalben Buckelwale in den Gewässern – doch keines der Tiere zeigt sich.
Das Paradies Pfingstinseln kränkelt
Wieder an Bord befeuchten die Touristen den Gaumen mit Sekt, den der Kapitän in Plastikgläser ausschenkt. „Ob sich das Riff erholen wird, wird nur die Geschichte zeigen“, sagt Chad. Auch am Great Barrier Reef wurde die Korallenbleiche festgestellt, die eintritt, wenn die kleinen Nesseltierchen ihre farbenfrohen Behausungen, die Korallenstöcke, verlassen. Un der Dornenkronenseestern hat bereits beträchtliche Flächen an Korallen wortwörtlich aufgefressen, das Paradies mit Unesco-Weltnaturerbe-Siegel kränkelt.
Der weißeste Sandstrand der Welt
Eine kleine Ewigkeit, dann ist die Cessna wieder in der Luft. Ein Start aus dem Wasser braucht länger als von einer Betonpiste. Die Propeller surren, und es dauert nur ein paar Minuten irgendwo im allumschließenden Blau zwischen Ozean und Himmel, und schon taucht Postkartenmotiv Nummer zwei auf: Whitehaven Beach, der als „weißester Sandstrand der Welt“ vermarktete 8-Kilometer-Streifen Inselsaum liegt unter den Fluggästen.
Wieder surren die Autofokusse um die Wette – bis das Flugzeug erneut aufsetzt. Die beiden Kapitäne lassen die Hosen runter, und Bademode kommt zum Vorschein. Dann hüpfen sie ins knietiefe Wasser und reichen den Gästen die Hand.
Der Sand von Whitehaven, der „weiße Hafen“, empfängt die Eindringlinge mit Quietschlauten. „Der Sand auf den Pfingstinseln ist so fein, dass er unter den Füßen diese Geräusche macht“, sagt Dan Bolton. So besonders sind die zu Pulver gemahlenen Steinchen, dass selbst die Nasa den Sand einmal bei der Herstellung von Teleskopen gebrauchen konnte. Und er ist gleißend hell – zum Glück gibt es Sonnenbrillen.
Schuhe sind dagegen überflüssig: „Wegen seiner besonderen Zusammensetzung heizt sich der Sand in der Sonne nicht auf“, sagt Chad. Warum nur an Whitehaven Beach so weiß ist, liege daran, dass nur er von einer besonders weißen Sandbank genährt werde. Tatsächlich erzählen Einwohner auch von anderen ähnlich gleißenden, aber eben weniger bekannten Stränden.
Ein Fest in Airlie Beach
Als James Cook zu Pfingsten 1770 durch die Whitsundays segelte, wusste er von dieser Diskussion noch nichts. Mit an Bord hatten die Entdecker das Christentum, das sich auf dem fünften Kontinent verbreiten sollte. Jedes Jahr feiern die Einwohner Airlie Beachs die Ankunft von James Cook am Pfingstsonntag, dem Tag an dem christlichen Glauben zufolge der Heilige Geist entsendet wurde.
Chad und Dan zücken wieder die Proviantkiste. Es gibt für jeden ein Becherchen verschiedener Nüsse, auf die die Möwen nur so erpicht sind. Sobald eine in den Sand fällt, ist ein Vogel zur Stelle. Sie scheinen diese Art Besucher zu kennen. Auch Perlwein aus Plastikgläsern gibt es wieder. Der aber interessiert kaum.
Die Flugtouristen richten sich im Wasser für Ich-war-hier-Bilder auf oder wandern andächtig am menschenleeren Strand entlang, als sei tatsächlich der Heilige Geist vor Ort. Sie reden über die Pfingstinseln vom Paradies und benutzen Wörter, die einem einfallen, wenn einem die Worte fehlen, ob malerisch oder traumhaft.
Nach einer Stunde bläst Chad zum Abflug. Härter und immer härter schlägt das Wasser unter die Schwimmer, bis die Cessna endlich, leider endlich wieder abhebt. Tatsächlich ist das Rätsel um das weiße Pulver nicht abschließend gelöst. Fest steht: Es hat die Gäste stumm gemacht. In Handtücher gehüllt oder in Sommerkleidung mit Flecken von nassen Badesachen sitzen sie in der Kabine und geben erst einmal keinen Laut von sich.
Informationen zu Queensland
Queensland hat mit Cairns und Brisbane zwei internationale Flughäfen. Touristen aus der EU brauchen einen Reisepass und müssen sich online unter www.immi.gov.au bei Australiens Behörden anmelden. Beste Reisezeit: April bis November.
Die Anbieter von Flugsafaris auf den Pfingstinseln heißen Air Whitsunday, Hamilton Island Air und Heli Reef.
Text & Bilder: Stefan Weißenborn, zuletzt aktualisiert im Mai 2021. Die Reise zu den Pfingstinseln wurde unterstützt von Tourism Queensland.
4 Comments
Oh man was für ein Traum – in so einer Cessna übers Meer zu fliegen, wow! Ich merke mir das mal, für die Australien-Reiseplanung 🙂
[…] exotischer ging es hingegen bei „boarding completed“ zu. Hier gönnte man sich einmal im Leben eine Flugsafari per Cessna durch die Welt der Pfingstinseln. Achtung: […]
*___* Also ich sitzt hier jetzt einfach mit glänzenden Augen und weiß nicht was sagen, vielleicht malerisch oder traumhaft. ;-D
Liebe Grüße
Christina
ja, is gut da!