Das Hotel Anse Chastanet auf Saint Lucia ist ein wahr gewordener Tropentraum. Keine Fenster, kein Fernseher und dafür ein unverstellter Blick auf die Pitons.
Die finalen Kilometer bis zum Hotel Anse Chastanet sind viel versprechend: Die Steigungen sind abenteuerlich und der Schotterweg befindet sich in erbärmlichem Zustand. Ich freue mich, denn schon nach wenigen Tagen auf Saint Lucia weiß ich, dass besonders schlechte Straßen hier zu außergewöhnlich schönen Ort führen.
Diese Faustregel bestätigt sich auch an der Westküste der Karibikinsel. Schon in der Lobby des Luxushotels diagnostiziere ich: Eigene Badebucht: check. Hanglage mit Meeresblick: check. Effizientes Wifi: check.
All das aber wird zur Nebensache, als ich nach einer kurzen Fahrt in einem Golfcart mein Zimmer betrete. 14F befindet sich hoch oben auf dem Hügel. Es ist ausreichend groß, um darin ein Tennisturnier ausrichten zu können. Es gibt weder Fenster noch einen Fernseher in diesem Luxushotel. Dafür aber eine ungetrübte Aussicht auf eines der bekanntesten Postkartenmotive der Karibik: die Pitons.
Eine Kakophonie tropischer Vögel
Da ich mir vor geraumer Zeit die zwanghafte Suche nach Insekten und Amphibien erfolgreich habe abgewöhnen können, genieße ich recht unbefangen den Moment. Dem Kühlschrank entnehme ich ein Glas eiskalten Chardonnay, um mich damit an den Schreibtisch aus tropischem Hartholz zu setzen. Hier lausche ich der Kakophonie ausgelassener tropische Vögel und schaue auf die beiden spitzen Berge.
Später am Abend werfe ich einen Blick auf die Kunstwerke, mit denen mein Zimmer im Anse Chastanet ausstaffiert ist: großformatige Frauenbildnisse im neoexpressionistischen Stil, gemalt von einer Deutschen namens Elvira Bach. Stimmig.
Es ist das erste Mal, dass ich in den Tropen in einer offenen Behausung nächtige. Unter dem Moskitonetz lese ich noch ein wenig in meinem Ellroy. Bald mache ich das Licht aus und warte, bis sich meine Augen der Dunkelheit angepasst haben. Ich sehe die Silhouette der Pitons und staune, wie Vögel, Grillen und Frösche den Lautstärkenpegel erfolgreich immer weiter nach oben treiben.
Als ich ein paar Stunden später aufwache, entdecke ich in meinem Zimmer einige Zuckervögel, die man hier aufgrund ihrer charakteristischen Farbgebung „banana quits“ nennt. Ich schaue nach den Pitons und nach meinem Rucksack: alles noch da. Nur von den Muffins haben die Gäste nichts übrig gelassen.
Das Anse Chastanet: Luxus im Einklang mit der Natur
Nach einem kurzen Bad im Meer lerne ich, dass das Anse Chastenet der Realität gewordene Traum des Architekten Nick Troubetzkoy ist. Seine Formel lautet »Luxus im Einklang mit der Natur«. Ein überzeugendes Konzept, auch wenn sich die 49 Zimmer mit einer Viersterne-Klassifizierung begnügen müssen. So ist das eben, wenn Fenster und Fernseher fehlen.
Ich persönlich habe schon viele Hotels von Innen gesehen. Das Anse Chastanet gehört neben dem Ritz Carlton in Hongkong zu den wenigen, die ich auf keinen Fall missen möchte. Der durchschnittliche Übernachtungspreis von rund 400 Euro (für zwei Personen) ändert an dieser Einschätzung nichts.
Futurismus pur: Das Jade Mountain
Mir persönlich gefällt das Hotel sogar besser als der zweite Lebenstraum des Herrn Troubetzkoy: Jade Mountain. Das Hotel befindet sich auf dem Nachbargrundstück. Während das Anse Chastanet mit seiner Architektur und Einrichtung erkennbar in die tropische Umgebung passt, scheint die Raumplanung des Jade Mountain wie aus einem Science-Fiction-Film.
Futuristische Brücken aus organischen Materialien verbinden die einzelnen Gebäude. Auf theatralischen Steinsäulen funkeln bunte Glasformationen. Jedes Zimmer verfügt über einen Infinity-Pool, dem das Attribut »spektakulär« nicht abzusprechen ist. Doch das Gesamtensemble würde in Patagonien oder in Florida genauso viel oder wenig Sinn machen.
Tatsache ist allerdings, dass die Zufahrt zum Jade Mountain extrem unwirtlich ist. Somit gilt gemäß der örtlichen Logik auch für dieses Hotel: es ist ein herrliches Anwesen, dessen Erkundung ein unvergessliches Highlight ist. Wer nicht gleich hier wohnen möchte, kann stattdessen auf einem Plateau dinieren, das einen formidablen Ausblick auf die Pitons gewährt – und das an einen Raumschifflandeplatz erinnert.
Informationen über das Hotel Anse Chastanet
Thomas Cook fliegt ab Manchester nonstop nach Saint Lucia. Flüge mit Anschluss ab Deutschland sind über Condor buchbar. Condor selbst hat angekündigt, in der kommenden Wintersaison ein Mal pro Woche nonstop von Frankfurt nach Saint Lucia zu fliegen. Tickets sind zurzeit ab 750 Euro buchbar.
Auf Saint Lucia sind die Distanzen klein. Wer das Maximale aus seinem Aufenthalt holen will, sollte sich einen geländetauglichen Mietwagen gönnen. Die Pitons sind binnen 25 Minuten mit dem Auto erreichbar. Wer über ausreichend Kondition verfügt, kann diese im Rahmen einer Tageswanderung erklimmen. Auch Taucher kommen im Luxushotel Anse Chastanet (hier geht es zur Webseite) auf ihre Kosten. Gleich nebenan liegt das Jade Mountain.
Text und Bilder zum Hotel Anse Chastanet: Ralf Johnen, Januar 2016.
Der Autor war auf Einladung des Saint Lucia Tourist Board auf Saint Lucia.
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