Vieh und Felder mit Zuckerrohr. Das sind meine ersten Eindrücke, nachdem wir die Straßen von Cairns hinter uns gelassen haben. Der Road Trip durch Queensland hat begonnen.
Bald rückt ein Berg ins Blickfeld, wie ich ihn in dieser Höhe nicht erwartet hätte: Mount Bartle Frere, 1622 Meter hoch. Bevor wir seinen Gipfel passieren, erreichen wir ein Dorf mit dem wunderbaren Namen Babinda.
Es regnet immer in Babinda
Wer Cairns besucht und einen halben Tag Zeit hat, fährt hier raus um ein Bad in einem Naturpool namens Babinda Boulders zu nehmen. Der wird gleich von drei kleinen Flüssen gespeist, die reichlich Wasser führen, denn Babinda brüstet sich damit, der regenreichste Ort Australiens zu sein. 4280 Milliliter fallen hier im Schnitt pro Jahr auf den Quadratmeter. Nicht annähernd so viel wie beim weltweiten Spitzenreiter Kauai (Hawaii). Aber fünf Mal so viel wie beim deutschen Regen-Primus Mönchengladbach.
Das stand so nicht in meinem imaginären Drehbuch. Doch Babinda kokettiert in Form von Piktogrammen mit seinem Superlativ, was ihn ziemlich fotogen macht. Außerdem ist von Juli bis November Trockenzeit – und heute lacht die Sonne über Queensland. Ein Ort nicht von dieser Welt, so farbenfroh wie unaufgeregt. Und: in der Babinda Independant Bakery bekommen wir zu allem Überfluss auch noch einen verdammt guten Espresso.
Der Erdbewohner des Jahres 2021 denkt sofort: idealer Schauplatz für eine Serie. Über die Babinda Boulders im Osten von Australien, die sich knapp zehn Kilometer weiter westlich ausbreiten, kursieren dafür ausreichend Schauermärchen: 17 Menschen sollen hier seit 1959 ertrunken sein – zuzüglich eines unglücklichen Mannes der ortsansässigen Yidinji, der sich hier mit einer bereits vergebenen Frau getroffen haben soll und zur Strafe nach einem Platzregen von den Wassermassen mitgerissen wurde.
Nachdem wir uns den vermeintlichen Tatort angesehen haben, werden wir allerdings Zeugen einer ganz anderen Story: Wir stoßen auf ein Gebirge von Mann mit dunkler Sonnenbrille und ernstem Blick. Auf seinem ebenso muskulösen wie zutätowierten Arm trägt er ein winziges Känguru, das in einer Windel steckt.
Uki, das verunglückte Kanguru
Das Arme heißt Uki, ist etwa ein Jahr alt und wurde von einem Auto angefahren, während es bei der Mutter im Beutel saß. John war als Erster am Unfallort und hat das Tier, ein »eastern grey kangaroo«, in Pflege genommen.
Nicht der Rede wert, meint John bescheiden, das komme häufiger vor in diesem Land. Allerdings ist er seitdem genötigt, bei jedem Trip Windeln dabei zu haben, denn Uki ist noch nicht stubenrein.
Das Restprogramm für den Tag verblasst daneben natürlich, obwohl die Josephine Falls in einem imposanten Dschungel liegen. Dafür entdecken wir einen Bus, der vom selben Design-Studio wie der gesamte Ort Babinda entworfen sein muss. Entzückend.
Am frühen Abend erreichen wir Mission Beach. Auch eines dieser kleinen Dörfer in Queensland, mit einem endlosen Strand, Palmen und vorgelagerten Inseln, ein bisschen so wie in »Lost«, nur eben mit ein paar Hotels und einigen Ferienhäusern auf dem Festland. Ich drehe allein noch eine Runde in der einbrechenden Dämmerung.
Irgendwelche Nachwuchs-Soccaroos spielen Fußball am Strand. Andere plantschen im Wasser. Niemand scheint sich um den ausgeschilderten Tatbestand zu sorgen, dass Krokodile und Haie zu den Badegästen gehören können.
Expedition am Mission Beach
Seit diesem Spaziergang ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich den Hit von Martha and the Muffins in leicht abgewandelter Form vor mich hin summe: »The only thing that helps me pass the time away, is knowing I’ll be back in Mission Beach some day.«
Am nächsten Morgen fahren wir hinaus aufs Meer. Es ist weder Babinda noch Mission Beach, weswegen die Menschen einen Road Trip durch Queensland unternehmen, sondern fast alle kommen wegen des Great Barrier Reef, das sich hier in nur 35 Kilometern Entfernung an die Küste schmiegt. An Bord eines verträumt aussehenden Kutters mit setzen wir zunächst über nach Dunk Island, wo wir auf die größere »Reef Goddess« umsteigen.
Zum Schnorcheln ans Riff
Das Great Barrier Reef ist ein ziemlich umkämpftes Thema, nicht nur hier, sondern in ganz Australien. Keinem Schnorchler bleibt verborgen, dass viele Korallen abgestorben sind, wofür unschöne Vokabeln wie Klimawandel, Wasserverschmutzung und »overtourism« bemüht werden. Doch der Zustand der 2300 langen Korallenbank variiert stark.
Viele hier sind auf ein intaktes Riff angewiesen, schließlich kommt heute kaum jemand ohne Unterwasserkamera hierhin – und tote Korallen ergeben keine schönen Bilder auf Instagram. Ganze Forschungsinstitute befassen sich mit der Analyse des Ist-Zustands des Great Barrier Reef und der Entwicklung von Überlebensstrategien für die sensiblen Biotope.
Wir fahren bei 27 Grad hinaus zu einer Parzelle, die den Namen Eddy Reef trägt. Unterwegs erfahren wir, dass 2012 ein Zyklon über der Gegend gewütet und unter Wasser ziemliche Schäden zurückgelassen hat. Das Riff aber flackert an den Schnorchel-Spots farbenfroh und variantenreich (was im Übrigen auf den Go-Pro-Fotos trotzdem enttäuschend aussieht).
Später unterstützt Skipper Nigel verbal einen Gedanken, der mir gleich am Anfang gekommen war: »Das Riff hat sich hier aus eigener Kraft erholt.« Man habe den Eindruck, dass dies zurzeit vielerorts geschehe. Diese Botschaft sollen die Besucher ruhig mit nach Hause nehmen.
Die Aussage von Berufsoptimisten steht den Einschätzungen notorischer Skeptiker diametral gegenüber. Wir stellen Fragen und hören zu. Vor allem aber erleben wir im Wasser schwelgerische Stunden eines schwerelosen Sinnesrausches, der nie enden wird, zumindest nicht in meiner Erinnerung.
Road Trip durch Queensland: Auf ins Outback
Am dritten Tag steht uns erneut ein radikaler Tapetenwechsel bevor: von Mission Beach führt der Road Trip durch Queensland ins Outback.
Doch erst durchqueren wir den Gegenentwurf zum Buschland: Im Wooroonooran National Park schauen wir uns dessen Obergeschoss auf dem Mamu Tropical Skywalk an.
Dabei ist es gar nicht so sehr der Blick vorbei an Baumriesen in die dramatischen Schluchten ist, der sich dauerhaft ins Gedächtnis einbrennt. Es ist das Konzert, das die Vögel an diesem frühen Vormittag geben.
Wir erwarten, dass sich die Landschaft auf dem mehr als 200 Kilometer langen Weg in den Undara Volcanic Nationalpark komplett ändert. Völlig überraschend aber passieren wir auf dem Weg dorthin wieder ein Charakter-Dorf. Es heißt Ravenshoe und schmückt sich mit dem global eher wenig beachteten Superlativ, das höchst gelegene Dorf Queenslands zu sein.
Endlich im Busch
Nachdem wir deutlich an Höhe verloren haben, wandelt sich die Landschaft. Eukalyptus und Akazien trotzen dem sichtbar trockeneren Klima erfolgreich. Außer ein paar Trucks kommt uns nur noch wenig Verkehr entgegen. Aus den Boxen klingen die Blackeyed Susans und die Triffids, die sich als ersten darum bemüht haben, das spezifisch Australische von Landschaft und Lebensgefühl in Musik zu übersetzen. Weil ich endlos durch die Weite fahren könnte, bin ich fast ein wenig enttäuscht, als wir unser Quartier im Undara Volcanic Nationalpark erreichen.
Andererseits ist die Undara Experience das, wo ich mich heimlich am meisten drauf gefreut habe: Wir schlafen mitten im Outback in ausgedienten Eisenbahnwaggons.
Es ist, als würden hier die Gleise enden, auf denen einst ein Zug namens »Darjeeling Limited« verkehrt ist, um nach seinem Auftritt im gleichnamigen Film von Wes Anderson in Vergessenheit zu geraten. Wir kommen gerade rechtzeitig, um am Abendausflug teilzunehmen.
Während der kurzen Busfahrt durch den Undara Volcanic Nationalpark sehen wir mit einigem Vergnügen, wie die Kängurus ihre schattigen Quartiere für die heißen Tage verlassen. Bald stehen wir auf einem Hügel und nippen an einem Sekt aus dem Hunter Valley.
Während sich die Sonne müde über das Buschland senkt, verkosten wir die gelben Blüten eines Kapokbaums.
Mit Baumschlangen im Lavatunnel
Als es komplett dunkel ist, werden wir in eine Höhle geführt. Sie gehört zu den Lava-Tunneln, die dem Park seinen Namen geben. Der Eingang wird bewacht von meterlangen Baumschlangen, die auf den nächtlichen Ausflug der hier wohnenden Fledermäuse warten. »Ganz schön unbarmherzig, dieses Prinzip vom Überleben des Stärkeren«, erlaube ich mir für einen Moment zu denken.
Als wir mit eingezogenen Köpfen die Höhle wieder verlassen, ist es stockfinster draußen. Mars, Venus, Jupiter und Saturn sind mit bloßem Auge am Nachthimmel zu erkennen. Später grillen wir unter freiem Himmel gemeinsam mit Bram Collins, der das kleine Anwesen hier leitet.
Die Eisenbahnwagen, sagt er, wurden Ende des 19. Jahrhunderts in Ipswich im Vereinigten Königreich gebaut. Tolle Geräte, doch wer den Busch so richtig kennen lernen wolle, der müsse mal hier mit ihm unter freiem Himmel schlafen. Auf einer Iso-Matte, vielleicht mit einer Decke.
Reizvoller Gedanke, doch für uns Städter ist es bis dahin wohl noch ein weiter Weg. Die Aussicht aber macht Lust darauf, den Road Trip durch Queensland zu verlängern. Vielleicht für zwei Wochen, oder auch für zwei Monate.
Die Realität aber sieht so aus, dass wir uns auf den Weg zurück nach Cairns machen. Wir kommen durch weitere hübsche Dörfer wie Yungabarra und fahren auf abenteuerlichen Serpentinen. Als es Flach wird, breiten sie sich wieder aus, die Felder mit Vieh und Zuckerrüben. Wie in dem Song, dem ich meinen Wunsch verdanke, nach Queensland zu kommen: »Cattle and Cane« von The Go-Betweens.
Informationen zum Raod Trip durch Queensland
Allgemein: Australien-Besucher benötigen ein Visum, das online beantragt werden kann. Anders als in den USA ist dieses kostenlos. Die Reisekasse wird weiterhin dadurch entlastet, dass in Australien weder Sales Tax noch exorbitante Trinkgelder berechnet werden. Außerdem steht der australische Dollar (AUD) zurzeit recht günstig, für 100 Euro gibt es 158 AUD.
So gesehen ist ein Road Trip durch Queensland trotz des teureren Fluges eine Alternative zu Nordamerika. Anreise: Zum Bespiel mit Thai Airways über Bangkok und Brisbane ab etwa 1000 Euro. Die Reise bis Brisbane dauert rund 22 Stunden, der Flug nach Cairns weitere 2,5 Stunden (z.B. mit Jet Star, Quantas oder Virgin Australia).
Mietwagen: Für die Route reicht ein normaler Pkw, z.B. über Sunny Cars ab 270 Euro pro Woche. Die Strecke für diesen Road Trip durch Queensland ist rund 800 Kilometer lang und kann bequem in vier bis fünf Tagen absolviert werden.
Unterkünfte
Mission Beach: Castaways Resort and Spa – schöne, unaufgeregte Unterkunft mit Blick auf Strand, Meer und Palmen mit gutem Restaurant und Pool. Hier könnte man auch ganz gut ein paar Tage ohne Programm abhängen, die Preise von 134 bis 199 AUD pro Zimmer erlauben das in der Nebensaison.
Undara: Undara Experience, Undara Volcanic National Park, Savannah Way, Mount Surprise – herrliches Anwesen mitten im Outback mit der Möglichkeit zur Übernachtung in einem ausgedienten Eisenbahnwagon für 185 AUD pro Nacht
Aktivitäten
Sunset-Tour in Undara: 55/30 AUD pro Person, Tour durch die Lava-Tubes 60/30 AUD
Mission Beach Dive, 71 Banfield Parade, Wongaling Beach, Queensland, 190 AUD für einen zehnstündigen Ausflug inklusive Schnorchel-Ausrüstung und Barbecue an Bord.
Mamu Tropical Skywalk, Palmerston Highway, Innisfail, 26/15 $
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Oktober 2021. Der Autor war auf Einladung von Tourism Queensland auf Recherche.
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