Der Porsche 911 wird 60. Der Vorzeigemodell der Marke funktioniert bis heute nach dem Motto »Design ist keine Mode«.
Der 928 sollte es richten. Dem Coupé mit einem unter der langen Fronthaube montierten Achtzylinder traute man bei Porsche zu, ein äußerst schweres Erbe anzutreten. Er sollte die Lücke füllen, die der 911 reißen würde. Aus heutiger Sicht mag man es kaum glauben, aber Porsche plante 1977 tatsächlich das Ende der Baureihe, die immer noch als Synonym der Marke gilt. Anfang der Achtziger sollte der Neunelfer auslaufen. Doch es kam anders.
»Man hat damals geguckt, ob andere Konzepte und vor allem der Frontmotor zeitgemäßer sind«, kommentiert Porsche-Sprecher Hermann-Josef Stappen die Erwägungen der Zuffenhausener aus den späten Siebzigern. »Doch die Kunden haben uns eines Besseren belehrt. Die Zeit war noch nicht reif für große Frontmotoren.«
Konvoi mit vielen Modellen des Porsche 911
Die Pläne, den aus heutiger Sicht ikonenhaften Sportwagen mit dem Sechszylinder-Boxer im Heck aufs Altenteil zu schieben, wurden verworfen. Und zum 50. des 911 erinnert man sich bei Porsche nur auf Nachfrage an die Erwägungen von einst.
Lieber kommuniziert Porsches Presseabteilung alles Mögliche andere zum runden Jubiläum. »Das ganze Jahr war schon eine große Party«, sagt Stappen. 50 Modelle des 911 aus allen Generationen waren im Konvoi beim AvD-Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring dabei, auch beim Goodwood Festival of Speed in England war der Elfer ein großes Thema.
Spontane Zuneigung des Publikums
Zur Krönung der aktuellen Baureihe ist der Turbo S durchgestartet. Präsentiert wurde das Modell auf der Automesse IAA in Frankfurt. Ja, und eine Sonderedition zum 50. Geburtstag wurde auch aufgelegt. Sie ist auf 1963 Exemplare limitiert.
In der Mainmetropole Frankfurt begann auch die Geschichte des Porsche-Modells schlechthin. Am 12. September 1963 zeigte der Hersteller am Messestand ein neuartiges, vom Publikum spontan als schick empfundenes Coupé, das den ersten Serien-Porsche, den seit 1948 gebauten und schon damals legendären 356, ablösen sollte.
Exklusive Rechte in Frankreich
Auf dem Blech war noch das Typenschild 901 angebracht, das bald verbannt werden sollte, weil Peugeot Einspruch erhob. Die Franzosen pochten auf ihr verbrieftes Recht, dreistellige Auto-Kennziffern mit einer Null in der Mitte exklusiv zu verwenden. Porsche gab nach.
Weniger rundlich und markanter gezeichnet als der 356, kam der Neuling als 911 im Jahr 1964 zu den Händlern. Entworfen wurde er von Ferdinand Alexander Porsche, dem Sohn des damaligen Firmenchefs Ferry Porsche. Der 2+2-Sitzer kostete 21 900 Mark und leistete bei 2,0 Litern Hubraum 130 PS. Das Coupé erreichte in 9,1 Sekunden Tempo 100 und maximal 210 km/h. Schon damals hatte der Wagen als Markenzeichen den Boxermotor im Heck – ein Antrieb, dem Porsche treu blieb.
Erfolg durch Kontinuität
Kontinuität ist das, was Porsche rückblickend eines der Erfolgsgeheimnisse des Sportwagens nennt. Als hätte Ferdinand Alexander Porsche geahnt, wie erfolgreich und damit abgekoppelt von kurzzeitigen Strömungen der Elfer durch die Jahrzehnte fahren sollte, war er beim Entwurf dem Leitsatz »Design ist keine Mode« gefolgt.
An dieses Crédo hielten sich auch seine Nachfolger in der Designabteilung: Die grundsätzliche Karosserieform mit fliegender Dachlinie, der heute sogenannten Flyline, blieb dem 911 ebenso erhalten wie die rundlichen Frontscheinwerfer in den hochgestellten Kotflügeln. Die Lufteinlässe statt eines richtigen Kühlergrills gehören ebenso zu den Charakteristika wie das Zündschloss links neben dem Lenkrad.
Porsche sagt über den Klassiker, er vereine »scheinbare Gegensätze« wie Tradition und Innovation, Exklusivität und soziale Akzeptanz, aber auch Sportlichkeit und Alltagstauglichkeit. Was der ehemalige Firmenchef Ferry Porsche darunter verstand, machte er klar, noch bevor das Urmodell fertig war: Im neuen Sportwagen müsse Platz für ein »Golfbesteck« sein.
Julio Iglesias beim Einsteigen gesichtet
Interessant auch der illustre und heterogene Fahrerkreis: RAF-Terrorist Andeas Baader schnappte sich einen Targa für die Flucht, zu den redlichen Käufern gehörte Herbert von Karajan. Skandal-Nudel Lindsay Lohan wurde schon beim Einsteigen in das Coupé gesichtet, ebenso wie der spanische Sänger Julio Iglesias als Besitzer eines 911 Carrera registriert. Ansonsten scheint der Klassiker aber bevorzugt in den Garagen von Zahnärzten zu parken – denn teuer war er schon immer.
Bei aller Beständigkeit: Leistungsspritzen setzte Porsche seinem Herzstück immer und immer wieder. Der in den Startlöchern stehende Turbo in der S-Variante entfesselt mit 412 kW/560 PS gegenüber dem Urmodell mehr als das Vierfache an Leistung. Als Porsche 1974 erstmals einen Abgasturbolader einbaute, bedeutete das für den 911 Turbo bereits 260 PS und einen Sprintwert von 0 auf 100 km/h in 5,2 Sekunden.
620 Pferdestärken
Der bisher stärkste Porsche 911 mit Straßenzulassung kam 2010 mit dem GT2 RS auf den Markt. Der Bolide setzt 620 Pferdestärken frei und fährt bis zu 330 km/h schnell. Auf 500 Stück limitiert war er im Nu ausverkauft – trotz des Stückpreises von 237 578 Euro. Übertroffen wurde er nur vom 935 Moby Dick von 1978 mit 845 PS, der aber war ein reiner Renn-Elfer.
Stellt man einen Porsche 911 der aktuellen Baureihe neben den Vorreiter von 1963, sieht man, wie sehr sich der Sportwagen in sieben Generationen vom Urmodell über das von 1973 bis 1989 gebaute G-Modell mit den dicken Faltenbalg-Stoßstangen dann doch gewandelt hat.
Ein Porsche 911 muss erkennbar sein
Der Aktuelle ist viel bulliger und hat nichts vom fast Filigranen des Alten mehr. »Ein neuer 911 muss nicht nur als 911 zu erkennen sein, sondern immer auch als der Neue«, sagte Porsche-Chefdesigner Michael Mauer in einem Interview anlässlich des Jubiläums. »Wenn ich den Korridor derart einenge, ist das der Tod jeder Weiterentwicklung des Designs.«
Einmal gingen die Designer jedoch fast ein bisschen zu weit – als sie dem ersten Exemplar vom Baureihen-Typ 996 von 1997 die heftig kritisierten Spiegeleier-Scheinwerfer einbauten, die bald wieder abgeschafft wurden. 1982 gab es den Elfer erstmals als Cabrio, als Alternative zum Targa mit einem herausnehmbaren Dachteil.
Das schleichende Ende einer Autoikone
1988 hielt mit dem Typ 964 der Allradantrieb Einzug. Als größte technische Zäsur in der Geschichte des 911 gilt die Umstellung von klassischer Luft- auf Wasserkühlung. Sie erfolgte im Jahr 1997 zur Verbesserung der Kühlleistung. Gleichzeitig ließen sich so Abgasvorschriften leichter einhalten.
Es gibt jedoch etwas, das den Erfolg des Neunelfers relativiert. 2003 wurde Porsches Herzstück vom im Jahr zuvor gestarteten SUV Cayenne überholt – zuletzt bei den Verkaufszahlen.
SUV: eine vorübergehende Mode?
Das könnte man als das schleichende Ende einer Autoikone deuten, aber auch als Kontinuität, der möglicherweise vorübergehende Moden in Form bulliger Geländewagen nichts anhaben können. Die Zukunft des Elfers, dessen Geschichte fast schon einmal besiegelt war, wird es zeigen
Text: Stefan Weißenborn, zuletzt aktualisiert im Januar 2025, Fotos: Porsche
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