Der Maler Jan Vermeer hat fast sein gesamtes Leben in Delft verbracht. Besucher können hier auf seinen Spuren wandeln und ein Dokumentationszentrum besichtigen.

Das historische Rathaus in Delft im Stile der Renaissance
Das Haus in der Delfter Vlamingstraat 40-42 ist ein unscheinbares Grachtenhaus. An dem Gebäude selbst liegt es jedenfalls nicht, dass immer häufiger Besuchergruppen davor stehen bleiben, um es zu fotografieren. Manch asiatischer Tourist begehrte angeblich sogar Einlass bei der dort lebenden Familie. Die Eltern mit ihren zwei Kindern scheinen den Rummel mit Gleichmut zu ertragen. Sie lümmeln sich in holländischer Lässigkeit auf dem Sofa, während draußen die Gaffer fast in die Gracht fallen bei dem Versuch, das Haus ohne ein davor parkendes Auto abzulichten.
Aufruhr in Delft: Vermeers kleine Straße gefunden
Verursacht hat den Aufruhr ein Herr namens Frans Grijzenhout. Der Professor für Kunstgeschichte an der Universität von Amsterdam hat nämlich vor einiger Zeit eine kleine kunsthistorische Sensation verkündet und damit einen wissenschaftlichen Wettstreit für sich entschieden, der schon seit 1921 läuft.

Professor Frans Grijzenhout fand den wahren Standort des Gemäldes in Delft heraus
Grijzenhout veröffentlichte das Ergebnis seiner Forschungen: den wahren Ort, an dem Johannes Vermeer (1632 bis 1675) wahrscheinlich im Delft des Jahres 1660 sein Meisterwerk Die kleine Straße malte. Man ahnt es: ja, es soll die Vlamingstraat 40-42 sein. Dort, wo sich heute die Familie auf der Couch fläzt.
Fahrrad auf einer Brücke über eine Gracht in Delft
Wie kam der Forscher darauf, dass es ausgerechnet dort gewesen sein soll – und nicht etwa in der Vlamingstraat 22 oder im Oude Langedijk 25, wie vor ihm Kollegen behaupteten herausgefunden zu haben? Grijzenhout bediente sich eines alten Katasterbuches von 1667, in dem die zu entrichtenden Abgaben für die Häuser in Delft je nach ihrer Breite und Höhe sowie Anzahl der Durchgänge und Abstand zum Kanal aufgelistet stehen.

Besucherandrang bei der Eröffnung einer Vermeer-Ausstellung im Museum Prinsenhof in Delft
»Als ich dies alles mit den Abmessungen auf dem Gemälde verglichen habe, gab es nur noch eine Möglichkeit: es musste die Vlamingstraat 40-42 sein«, erklärte der Kunsthistoriker bei der Eröffnung der Ausstellung »Vermeer kommt nach Hause« im Museum Prinsenhof in Delft. Gewissheit erlangte Grijzenhout, als er auch noch herausfand, dass das Gebäude rechts neben dem im Gemälde verewigten Haus Vermeers Tante Ariaentgen Claes van der Minne gehörte.
Vermeers Gemälde »Die kleine Straße« in Delft
Zu sehen ist das Gemälde »Die kleine Straße« allerdings nicht in Delft. Das Bild nämlich gehört dem Rijksmuseum in Amsterdam. Als das Gemälde vor einigen Jahren zurück in Delft war, schwärte Patrick van Mil als Direktor des Delfter Museum Prinsenhof: »Man kann hier Vermeers Genialität besonders gut erkennen «. Es wirke dank der präzisen Technik geradezu realistisch – selbst die Fassaden-Risse seien zu sehen, die von der gewaltigen Explosion eines Pulverlagers im Oktober 1654 herrührten und die Hunderte Opfer forderte. Darunter befand sich auch der Maler Carel Fabritius, der den im Mauritshaus in Den Haag ausgestellen »Distelfink« verantwortet.

Hübsch, aber nicht spektakulär. Was hat es mit diesem Haus in Delft auf sich?
Wer mag, kann heute mithilfe einer englischsprachigen, kostenlosen App auf Vermeers Spuren wandeln. Darin geleitet Vermeers Tante Besucher zu den Orten, wo der große Meister wirkte.
Tour auf den Spuren Vermeers
Bei dem Spaziergang durch die altholländische Stadt mit ihren Grachten, Herrenhäusern, der majestätischen Kirche Nieuwe Kerk und der Oude Kerk, in der Vermeer begraben liegt, landet man schließlich auch an dem Haus an der Vlamingstraat 40-42. Dort erinnert nur noch der schmale Durchgang zwischen den Bauwerken an das Gemälde von 1660. Das Gebäude selbst ist sehr viel neueren Datums. Ob Vermeer sich wohl hat ausmalen können, dass eines Tages vor dem Haus seiner Tante motorisierte Vehikel stehen und asiatische Touristen sich mit langen Stangen selbst ablichten würden? Wohl kaum.
Vermeerzentrum in Delft
In Delft befindet sich ein gut gemachtes Dokumentationszentrum, das über Werk und Leben Jan Vermeers informiert. Es ist liebevoll eingerichtet und tröstet darüber hinweg, dass in Delft heute keines seiner 36 erhaltenen Bilder zu sehen ist. In den Niederlanden verfügen sowohl das Mauritshuis in Den Haag mit dem Mädchen mit dem Perlenohrring und die Stadtansicht von Delft als auch das Rijksmuseum in Amsterdam mit dem Milchmädchen über Schlüsselwerke des Künstlers.
Vermeer Centrum Delft: Voldersgracht 21, geöffnet täglich von 10 bis 17 Uhr, Eintritt 12 Euro. Weitere Informationen auf der Webseite.
Text und Bilder: Frida van Dongen. Die Autorin ist großer Fan sowohl Vermeers als auch seiner Heimatstadt.
2 Comments
Danke für den sehr anschaulichen Bildbericht, da fahren wir bald mal hin ! Manni
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