Der Pazifische Nordwesten ist ein wunderbares Territorium für einen Urlaub. Vor allem, wenn man Freude an guten Speisen und Getränken hat. Ein kulinarischer Roadtrip durch Oregon.

Sein Motto hat Portland kurzerhand von Austin, Texas, geklaut. Das Wetter hingegen ist authentisch
»Keep Portland weird.« Diesen zu Vermarktungszwecken eingesetzten Spruch hat die Metropole Oregons kaltblütig von Austin, Texas, geklaut. Da macht niemand einen Hehl draus. Doch an der Ecke von Ankeny Street und Third Avenue, wo das Motto auf eine Backsteinwand gepinselt ist, offenbart sich zumindest in kulinarischer Hinsicht, was es damit auf sich haben könnte.

Gewagt: der Maple Bacon Bar von Voodoo Doughnut
Hier befindet sich das quietschbunte Mutterhaus von Voodoo Doughnut, vor dem sich Tag für Tag lange Schlangen bilden.

Das gedruckte Wort genießt in Portlands Hipsterviertel Hawthorne einen hohen Stellenwert
Teigbrikett mit Ahornsirup und Bacon
Der Laden geht auf Kenneth Pogson und Tres Shannon zurück. Beide haben im Jahr 2000 festgestellt, dass es in der aufstrebenden Hipster-Kapitale Portland keine ordentlichen Teigkringel zu kaufen gab. Also haben sie unter der Vorgabe, die »world doughnut dominiation« zu erlangen, Voodoo Doughnuts ins Leben gerufen. Der Laden hat seitdem mit Kreationen wie »Viscious Hibiscus« oder »Mango Tango« Furore gemacht, wobei er den Historiographen dieser Welt vor allem als Geburtsort des »Maple Bacon Bar« in Erinnerung bleiben dürfte. Ein lang gezogenes Teigbrikett, das mit gehärtetem Ahornsirup und ausgelassenem Speck überzogen ist.

Nichts ist unmöglich in Hawthorne
Das passt zu einer Stadt, in der es zum guten Ton gehört, unkonventionell zu sein und schrill auszusehen. Wo Männer fortgeschrittenen Alters auf dem Hawthorne Boulevard im gleichnamigen Hipster-Viertel ihr Schlagzeug auf dem Bürgersteig aufbauen, und die mit dem Powell Book Store die mutmaßlich größte Buchhandlung des Planeten beherbergt. Und ja, Portland ist im positiven Sinne »weird».

Die größte Buchhandlung der Welt ist architektonisch eher unauffällig
Portlands Food Carts
Noch bekannter als für seine experimentellen Backwaren ist Portland für seine Food Carts, die hier mit ein bis zwei Dutzend Anbietern in sogenannten Pods gruppiert sind. Zwischen SW 5th Ave und SW Oak etwa gibt es von japanischen Bowls mit Makrele über kolumbianische Empanadas bis zu neuamerikanischen Smash Burgern einen repräsentativen Querschnitt über Street-Food-Trends, die oft erst viel später im amerikanischen Mainstream und danach in europäischen Restaurants ankommen.

Für jeden etwas dabei: Portlands Street Food Carts
Ein schmackhafter Auftakt für einen Trip durch einen Bundesstaat, der neben seiner progressiven Metropole vor allem für seine schroffe Küstenlinie und vielleicht noch für seine Vulkane und Regenwälder bekannt ist. Diesem Bild kommen wir in Lincoln Beach schnell näher, wo wir uns schnell daran gewöhnen, dass an der Pazifikküste kaum etwas ohne Superlative auskommt. Man denke nur an die farbfrohen Holzvillen, die hier auf den Klippen ruhen, um auf der einen Seite über den Ozean zu wachen, während sich landeinwärts eine mit Nadelbäumen bewachsene Bergkette erhebt, in der sich der Nebel verfängt.

Ein Pärchen beobachtet auf einer Bank bei Lincoln das Spiel der Wellen
Kulinarischer Roadtrip durch Oregon: Shooter mit Auster
Mit Blick auf die Siletz Bay erfahren wir hier im rasend populären Mo’s Restaurant, was man in Oregon unter einem Shooter versteht: Ein Schnapsglas, dessen Boden mit Tomatensaft, frischem Meerrettich und einem Schuss Wodka gefüllt ist, und auf dessen Öffnung das Fleisch einer Auster gebettet ist.

Die Wellen sind so temperamentvoll, dass an eine Waltour nicht zu denken ist
Später möchten wir in der Depoe Bay Wale sehen. Die Brandung aber peitscht mit einer solchen Kraft auf die Küste ein, dass an das Auslaufen eines Schiffes nicht zu denken ist. Also begnügen wir uns damit, das nahe Newport zu erkunden, dessen Hafen an der Yaquina Bay ein gut geschütztes Dasein fristet. Wir staunen über eine Kolonie Seehunde, die sich ohne ersichtlichen Grund auf sehr beengtem Raum auf einem Steg tummelt. Auch wundern wir uns über die unverfälschten Seebären, die im Bay Haven Inn bei lauter Live-Musik einen bierseligen Sonntagnachmittag verbringen.

Veilchen, Klippen und Wellen entfalten eine ruhige Wirkung
Wandern auf dem Oregon Coast Trail
Am nächsten Tag wandern wir ein wenig über den Oregon Coast Trail. Wir befinden uns in Yachats (sprich: Ya-haats), einem Dorf mit gut 1000 Einwohnern, das erst seit den 1960ern existiert. Wie von selbst drängt sich in dem verschlafenen Dorf der Gedanke auf, ein paar Jahrzehnte zu spät auf diesem Planeten zu leben. Wie schön wäre es wohl gewesen, hier vor 40 oder 50 Jahres ein Haus zu bauen, als das noch genehmigt wurde und bezahlbar war?

Thunfischsalat mal anders: das Ona in Yachatz
Hier treffen wir auf Jesse Dolin, der die Sehnsucht nach einem Leben an der Küste Oregons noch weiter verstärkt. Jesse leitet eine Kommission, die Yachats vor einschneidenden Veränderungen schützen soll. Außerdem ist er ein wahrer Naturfreak, der Besucher in die Wälder führt, um essbare Pilze zu suchen, oder gemeinsam mit ihnen auf Dungeness Crab (Taschenkrebse) fischt. Zwei kulinarische Kostbarkeiten, die das Restaurant Ona auf der Speisekarte hat.

Chillen zwischen Ozean und Totholz: Seehunde in Oregon
Kulinarischer Roadtrip durch Oregon: Abschied von der Küste
Auf Cape Perpetua leiten wir den Abschied von der Küste ein. Auf der Landzunge erhebt sich ein knapp 250 Meter hoher Berg, der eine spektakuläre Aussicht über den Pazifik und die – abgesehen von Straßen – fast unbebaute Küstenlinie bietet. Doch Oregon ist mehr als nur Ozean. Das merken wir sofort, als wir die Coastal Range überquert haben. Plötzlich säumen liebliche Bauerhöfe den Wegesrand, ehe die Vegetation hinter dem Studentenstädtchen Corvallis verwunschene Züge annimmt.

Ein Highlight des Roadtrips: Blick von Cape Perpetua auf den Pazifischen Ozean
Wir befinden uns im Silver Falls State Park, dessen Hauptattraktion die South Falls sein mögen, ein Wasserfall, der sich über 50 Meter in die Tiefe stürzt, was sich Besucher auch aus ungewohnter Perspektive hinter den Fällen ansehen können. Imposanter noch aber ist der gut zwölf Kilometer lange Canyon Trail, der durch eine Orgie aus verschiedenen Grüntönen führt. Bäume, Sträucher, Moose und Farne, immer wieder durchsetzt von Wildblumen.

Blick hinter die Kulissen: Silver Falls in Oregon
Plötzlicher Wintereinbruch
Nach diesen Erfahrungen wirkt der nächste Tag umso unwirklicher. Zunächst erleben wir auf dem Weg über den Santiam Pass in der Cascade Range einen veritablen Wintereinbruch. Hinter dem 1468 Meter hoch gelegenen Scheitelpunkt aber wird es ebenso plötzlich trocken und freundlich. Herrlich duftende Ponderosa-Pinien dominieren fortan die Vegeration – und der Himmel ist tiefblau. Perfekte Bedingungen für eine Wanderung im Smith Rock State Park.

Chlorophyll im Überschuss: der Silver Falls State Park
Das Naturschutzgebiet mag sich geografisch betrachtet einigermaßen in der Mitte Oregons befinden. Doch sein Erscheinungsbild erinnert dank steiler Felsformationen, Canyon und Wacholdersträuchern eher an den Norden Arizonas oder den Westen Colorados. Extremkletterer fühlen sich in dieser uramerikanischen Landschaft ebenso zuhause, wie gemütliche Wanderer.

Der wilde Westen beginnt … etwa 150 Kilometer südöstlich von Portland
Blick auf Mount Hood
Als wir den Canyon wieder verlassen, entdecken wir am Horizont einen schneebedeckten Gipfel, der alle anderen Berge überragt: Mount Hood. Mit seinen 3425 Metern ist der Vulkan der vierthöchste der Cascade Range, die sich von Kalifornien bis in den Norden von Washington State hochzieht. Als wir den Berg an seiner Ostflanke passieren, beschließen wir uns die Erkundung seiner vielen Klimazonen für ein andermal aufzuheben. Zu verlockend ist das nahe Tal des Columbia River.

Wie im wilden Westen: der Smith Rock State Park in Zentraloregon
Ehe wir das Tal erreichen, das die Grenze nach Washington markiert und das für seinen Wein bekannt ist, durchqueren wir ohne Vorankündigung noch ein Westernstädtchen. Dufur ist Standort der rumorigen Valley Tavern und zweier Autofriedhöfe. Doch nach dem bisherigen Verlauf unseres Rundkurses durch Oregon vermag uns nicht mehr vieles zu verwundern.

Amerikanisches Stillleben mit Geweihen
Endlich Wein: Kulinarischer Roadtrip durch Oregon
Zumindest bis wir The Dulles erreichen, wo wir die Sunshine Mill besuchen. Die einstige Biscuit-Fabrik mit eigenem Getreidespeicher beherbergt nun die Probierstube zweier Weingüter: Quenett und Copa Di Vino. Dass diese sich als wuchtig ausgebaute Gewächse entpuppen, wie sie in den USA hoch im Kurs stehen, mag nicht sonderlich überraschen. Wohl aber, dass die Verkostungsräume eingerichtet sind, wie ein Hipster-Lokal am Prenzlauer Berg in Berlin. Der vielleicht beste Indikator dafür, dass es bis zurück nach Portland nicht mehr weit sein kann.

Ausschank wie am Prenzlauer Berg: Die Sunshine Mill
Ehe es so weit ist, aber gilt es noch Brigham Fish zu besuchen. Eine rare Erfolgsstory der indigenen Bevölkerung, die im Columbia River nach traditionellen Methoden auf Lachs fischen. Anschließend werden Chinook, Sockeye und Steelhead über Hickory-Holz geräuchert. Köstlich.

Zeitlos: Wagon der Mount Hood Railroad
Craft Beer aus Oregon
Bliebe noch das Craft Beer, für das Oregon vor einigen Jahren berühmt geworden ist. Die Verkostung größerer Mengen heben für uns für einen Ort auf, wo das gemeinhin nicht üblich ist: Die ganz in der Nähe des Flughafens PDX gelegene Kennedy School. Hinter dem Namen verbirgt sich eines der abgefahrenen Hotels der Brüder McMenamin, die in ganz Oregon leicht schrullige Hotels, Bars und Clubs betreiben.

Woanders in den USA kaum salonfähig: das 1927 errichtete Bagdad Theater
In der ehemaligen Schule befindet sich neben den Wohneinheiten auch die Concordia Brewery, deren Gerstensäfte Namen wie »Whiskey Widow« tragen und die in den Hotelbars gezapft werden. Typisch Portland. Und somit ein bisschen »weird«.

Unwiderstehlich: Namensgeber der Leaping Lamb Farm
Reiseplan für den kulinarischen Roadtrip durch Oregon: Tag 1
Der Flughafen PDX befindet sich etwa 15 Kilometer nordöstlich der Stadt. Die Light Rail (Red Line) braucht gut 40 Minuten bis in die City. Das Hotel Sentinel (sentinelhotel.com) ist eine komfortable Adresse in zentrale Lage, die anstelle von »Weirdness« auf Noblesse setzt. Gute Anlaufstellen für typische Speisen sind Voodoo Doughnut (voodoodoughnut.com, mittlerweile 23 Filialen) und Food Cart Pods (travelportland.com).

Nicht alle Weißkopfseeadler haben auch weiße Köpfe
Tag 2 in Oregon
Am besten nach dem Frühstück direkt zu Powell Books (powells.com). Die größte unabhängige Buchhandlung der Welt besitzt Spezialabteilungen für Groschenromane, Poesie und eine Schatzkammer mit seltenen Büchern. Beim Rausfahren aus der Stadt unbedingt das Viertel Hawthorne ansteuern, das Epizentrum des unkonventionellen Portland.

Wohnen mit den Kräften der Natur
Nach 2 Stunden in südwestliche Richtung hauptsächlich über den Highway 18 ist mit Lincoln City das erste Küsten-Highlight erreicht, wo es bei Mo’s Restaurant (ilovemoschowder.com) den Oyster Shooter gibt. Ein sehr komfortables Hotel mit Blick auf die wilde Küste ist die Overleaf Lodge (overleaflodge.com). Hervorragende Speisen aus der Region gibt es im Ona Restaurant (onarestaurant.com)

Ob die Küstenkoniferen ahnen, welches Schicksal ihnen eines Tages blüht?
Tag 3: die Küste
Etwaige kulinarische Erkundungstouren sind über das örtliche Tourismusbüro buchbar (yachats.org). Bei einem Tag an der Küste sollte man auf keinen Fall den Cape Perpetua Lookout (10 km südl.) und das Heceta Head Ligthouse (25 km südl. stateparks.oregon.gov) verpassen. Auch ein Ausflug in das angenehm ruppige Hafenstädtchen Newport (40 km nördl.) lohnt sich.

Ob mit oder ohne Hut: die Brandung ist ein Schauspiel, bei dem man schlecht wegsehen kann
Dort gibt es im Rogue Bayfront Public House (rogue.com) Craft-Bier aus dem Ort, Live-Musik und echte Seemänner gibt es im Bay Haven Inn (608 SW Bay Blvd., keine Webseite).

Auch der Käse wird immer besser in den USA
Tag 4 des kulinarischen Roadtrips durch Oregon
Über den Highway 34 geht es bei Waldport landeinwärts. Unterwegs bietet sich die Leaping Lamb Farm (leapinglambfarm.com, mit Ferienhäusern) für einen Stopp an – saisonal mit frisch geborenen Lämmern. Das Courtyard Corvallis (marriott.com) im gleichnamigen Studentenstädtchen Corvallis ist eine solide Adresse für eine Übernachtung am Willamette River, gute Küche und Weine aus der Region gibt es im Castor (castorcorvallis.com).

Landleben gefällig? Die Leaping Lamb Farm hätte das etwas im Angebot
Tag 5: Oregon wie im Wilden Westen
Über den I 5 erreicht man in gut einer Stunde den Silver Falls State Park (stateparks.oregon.gov), für den man drei bis vier Stunden einplanen sollte. Anschließend geht es weiter nach Sisters, wo mit dem Five Pine Lodge and Spa (fivepine.com) ein Traum von einer Unterkunft wartet. Idyllisch gelegen ist die Black Butte Ranch (blackbutteranch.com), wo die Gäste am Wasser mit Blick auf Berge speisen.

Dem Rhein nicht unähnlich: der Columbia River, der Oregon von Washington State trennt
Tag 6: Mehr Western-Flair
Sisters selbst ist ein seltsamer Retortenort mit der Optik eines Westernstädtchens. Von hier aus ist der Smith Rock State Park (smithrock.com) binnen 40 Minuten erreicht. Hier kann man locker einen halben Tag verbringen, bei hohen Temperaturen am besten früh erscheinen. Zur Sunshine Mill (sunshinemill.com) in The Dulles braucht man über die Highways 97/197 gut zwei Stunden. Ein angenehmes Domizil mit Western-Flair ist Balch Hotel (balchhotel.com) in Dufur.

Finden wir Krebse? Auch diese Frage stellt sich beim kulinarischen Roadtrip durch Oregon
Tag 7: Durchs Columbia-Tal nach Portland
Die reine Fahrzeit vom Balch Hotel durch das Columbia-Tal in die Outskirts von Portland beträgt zwei Stunden. Unterwegs aber sollte man unbedingt den Rowena Crest Viewpoint (stateparks.oregon.gov) mit einem formidablen Ausblick und das charmante Städtchen Hood River (visithoodriver.com) ansteuern.

Das Tal des Columbia River erfreut mit verschiedenen Spielarten feuchten Entertainments
Köstlichen Fisch nach Art der amerikanischen Ureinwohner gibt es im Brigham Fish Market in Cascade Locks (keine Webseite). Die Kennedy School (mcmenamins.com) schließlich ist ein würdiger Abschluss für einen Roadtrip, nicht übertrieben luxuriös, aber absolut einmalig – inklusive Schultafeln in den Zimmern.

Hier gibt es noch echte Seebären: Newport, Oregon
Text und Bilder zum kulinarischen Roadtrip durch Oregon: Ralf Johnen. Der Autor war von Visit Oregon eingeladen.

Ein Dach wie ein umgedrehtes Füllhorn: im Küstenort Yachatz ist es möglich
Leave A Reply