Ein Trip über die Landstraßen Tansanias ist ein mittleres Abenteuer. Bald ändert sich das Bild. Der hektische afrikanische Alltag weicht einer aufgeräumten Stille. Willkommen zur Safari im Mikumi Nationalpark.
Nach vier Stunden ist der Unterschied frappierend. Bislang war die Anfahrt aus Daressalam geprägt von einem typisch afrikanischen Sinn für Ordnung: Mit sicherem Abstand zur Straße befinden sich am Wegesrand hüttenähnliche Behausungen, die auch als Verkaufsstellen für Sitzgelegenheiten oder Ananas dienen.
Den Straßenrand nutzen Fußgänger und Radfahrer zum Transport von Wasser- oder Benzinkanistern. Auf dem Asphalt ringen derweil Lastwagen und Überlandbusse mit untermotorisierten Pkw um die Vormacht, was insbesondere vor Hügelkuppen und Kurven für einigen Nervenkitzel sorgt.
All dies spielt sich ab in einem Umfeld, das lange Zeit ein Moloch ist, um bald in eine sanfte Hügellandschaft überzugehen. Konstant bleibt der wenig behutsame Umgang mit der Umwelt: Überall liegen Plastiktüten, Getränkedosen und sonstige Rückstände des Alltags herum.
Kurz bevor wir den Mikumi Nationalpark erreichen, passieren wir bei der Provinzhauptstadt Morogoro die Uluguru Mountains in Tansania, eine imposante Bergkette, deren Gipfel bis zu 2630 Meter hoch sind. Auf subtile Weise ändert sich auch das Bild entlang der Piste: die Anzahl der Bauten nimmt graduell ab. Müll ist kaum noch zu sehen.
Und schon vor der offiziellen Grenze zu Tansanias viertgrößtem Nationalpark lassen sich am Wegesrand erste Affen blicken. In der Ferne meinen wir die Silhouette eines viel größeren Tieres zu sehen.
Luxuriöse Übernachtung in Stanley’s Kopje
Leicht aufgeregt hinterlassen wir im Büro des Nationalparks unsere persönlichen Daten, um bald darauf unser Domizil für die kommenden Nächte anzusteuern. Bis zur Lodge von Stanley’s Kopje sind es kaum mehr als 20 Kilometer. Doch bereits auf der kurzen Strecke bis zum Startpunkt der Safari im Mikumi National Park sehen wir mehr wilde Tiere, als wir uns haben erhoffen können.
Am nächsten Morgen in der Frühe treffen wir Hamphrey, der uns den Tag über begleiten wird, ein hagerer Mann aus dem Hochland im Süden Tansanias. Er führt uns zu einem Gefährt, das wie eine verunglückte Kreuzung aus einem Pickup und einem Golfkarren aussieht. Mit anderen Worten: Der Wagen, in dem wir Raubkatzen zu sehen hoffen, ist offen – und er liegt keineswegs so hoch über der Straße, dass man von einem beruhigenden Abstand sprechen könnte.
Mikumi ist noch ein Insider-Tipp
Als wir zur Safari im Mikumi Nationalpark aufbrechen, ist der Himmel bedeckt. Die Savanne zeigt sich von ihrer sanften Seite. Im Vergleich zur Serengeti, dem Popstar unter den Nationalparks Ostafrikas, und dem kaum weniger frequentierten Ngorongoro-Krater, ist der Mikumi bislang bei Reisenden aus Übersee kaum bekannt. Vor allem für Individualisten, die ihren Besuch in Sansibar oder einen Stopover in Tansania mit einem Safari-Erlebnis verbinden möchten, ist der Park jedoch ideal.
Während wir uns langsam von der Lodge entfernen, zeigt uns Hamphrey einige stattliche Termitenhügel. Auch dauert es nicht lange, ehe wir eine Warzenschweinfamilie mit drei Jungtieren sichten, die auf ein wenig »quality time« aus zu sein scheint.
Ansonsten geschieht herzlich wenig. Die Wildnis Afrikas ist eben keine rasant zusammengeschnittene Tierdokumentation, wo überall Gefahren lauern und die Schwächeren ständig auf der Flucht sind vor hungrigen Feinden.
Zu Besuch bei einer Löwenfamilie
Hamphrey überbrückt das Entertainment-Vakuum mit einem Vortrag über die hier lebenden Vogelspezies: Schwarzbauchtrappen, Marabus und noch etwa 370 weitere Arten, von denen nicht wenige den europäischen Sommer genießen. Während er redet, reckt der Mann mit dem klangvollen Namen stets seinen auffällig langen Hals. Plötzlich reißt er das Steuer herum, um durch einen kleinen Graben ins freie Feld abzudrehen. »Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagt er. »Aber wir schauen mal nach.« Nach wenigen Sekunden bestätigt sich Hamphreys Verdacht. Unter einem Busch ruht eine Löwenfamilie – Vater, Mutter und ein Jungtier.
Die Mama blickt einmal gelangweilt hoch, als wir uns mit dem Wagen bis auf 15 oder vielleicht auch 20 Meter nähern. Danach verliert sie das Interesse. Ist sie die Aufmerksamkeit gewohnt? Mag sein. Wir sind trotzdem ein wenig nervös, als wir uns das Phlegma des Königs der Tiere zunutze machen und unsere Kameras zücken.
Rund 200 Löwen leben im Mikumi, sagt Hamphrey, nachdem wir die Schotterpiste wieder erreicht haben. Doch auf einer Fläche, die mit 3230 Quadratkilometern fast so groß wie Mallorca ist, bekomme man die Raubkatzen keineswegs bei jeder Safari vor die Linse.
Eine Sichtungsgarantie hingegen kann ohne Bedenken für Giraffen ausgegeben werden. Die Population der gutmütig dreinblickenden Paarhufer wird auf mehrere Tausend Exemplare geschätzt. Der Anblick ihrer langen Hälse begleitet uns den gesamten Tag. Noch viel zahlreicher sind die Impalas. Die Antilopensubspezies bevölkert die hochgewachsenen Gräser der Savanne zuweilen mit Hunderten, ja Tausenden Exemplaren. Scheinbar reglos und doch stets achtsam. Vielleicht sind die darwinistischen Elemente der Tierdokus doch mehr als ein Spektakel, das allein für Kamerateams inszeniert wird.
Die Hintern der Zebras
Auch Zebras sehen wir ständig – allerdings recken uns die auffälligen Vierbeiner vorzugsweise ihren recht kräftigen Hintern entgegen. Doch eines steht fest: Sowohl Zebras als auch Impalas verstehen sich gut mit Pavianen, die unbeachtet umherstreifen und angesichts der steigenden Temperaturen eine bemerkenswerte Bewegungsfreude ausstrahlen.
Keinen Zentimeter rühren sich unterdessen die Wasserbüffel vom Fleck, die sich vorzugsweise mit einem Panzer aus getrocknetem Schlamm vor der Hitze schützen. Ihr chronisch grimmiger Blick trägt zur weiteren Abwehr potenzieller Annäherungsversuche bei. Nach dem Lunch unter einer mächtigen Akazie, dem Nationalbaum Tansanias, setzen wir die Fahrt fort.
Endlich Elefanten bei der Safari im Mikumi-Nationalpark
Schon nach wenigen Minuten kreuzt eine Herde Elefanten unseren Weg. Es sind nicht weniger als 13 Tiere, die sich träge in Richtung Nordwesten bewegen. In ihrer Mitte, das sehen wir erst nach wenigen Sekunden, bieten sie einem Jungtier Geleitschutz, das noch etwas tapsig einen Fuß vor den anderen setzt. »Es ist ein kleines Wunder«, sagt Hamphrey mit weicher Stimme.
Er meint den Umstand, dass die majestätischen Tiere noch nicht völlig ausgerottet sind nach Jahrzehnten der Wilderei, und der ungebrochenen Nachfrage nach Elfenbein vor allem aus Asien. Anders als die sesshaften Löwen legen die Elefanten große Strecken zurück – der Mikumi Nationalpark ist nur ein kleiner Teil des Selous Game Reserve, dem größten kontrollierten Wildschutzgebiet Afrikas. Dort kommen auch Leoparden und Nashörner vor, neben Löwen, Büffeln und Elefanten die beiden anderen Spezies der sogenannten »Big Five«. Den Begriff, meint Hamphrey, sollten wir jedoch besser nicht mehr benutzen, da er von Großwildjägern geprägt wurde.
Später am Nachmittag, als sich die Sonne langsam über die Berge senkt, blicken wir vom Balkon der Lodge auf ein Wasserloch herab. Wieder sehen wir in der Ferne die typischen langsamen Bewegungsabläufe. Ein Blick durch das Fernglas bestätigt: Es ist noch eine Elefantenfamilie, die auf der Suche nach Nahrung ist. Diesmal sind es vier Tiere. Beim Abendessen erfahren wir, dass die Elefanten manchmal nachts bis auf den Hügel hinaufkommen, wo die komfortabel befestigten Zelte stehen. Die Besucher werden deshalb von einem Massai zum Essen abgeholt.
Elefanten in Gefahr
Am nächsten Morgen sprechen wir während unserer Safari im Mikumi Nationalpark mit Karen, die schon seit 15 Jahren die Geschicke von Stanley’s Kopje leitet. Sie hat aus der Nähe mitgemacht, wie die Bestände der Elefanten über die Jahre immer weiter dezimiert wurden: »Von der Gier Einzelner«. Ende der 70er Jahre noch lebten im gesamten Selous-Ökosystem mehr als 100 000 Elefanten. »Heute«, sagt sie, »heute sind es vielleicht noch 20 000«.
Natürlich ist die Jagd auf Wildtiere längst verboten. Auch wird das Gepäck der Touristen bei der Ausreise gescannt. Doch erst seit drei oder vier Jahren besitzt die tansanische Regierung auch das Personal, mit dem effizientere Kontrollen durchgeführt werden können. So ist den Behörden im 2015 eine 67 Jahre alte Chinesin ins Netz gegangen.
Ihr wird der Aufbau eines Netzwerks vorgeworfen, das den organisierten Export von Elfenbein betrieben hat. Die Stoßzähne kommen in geriebener Form in den Rezepten alternativer Mediziner zum Einsatz – ohne dass irgendein Nutzen bewiesen wäre. Der »Queen of Ivory« droht nun eine lange Haftstrafe. Diese soll greifen, obwohl chinesische Investoren schon seit 40 Jahren von enormer Bedeutung für die tansanische Wirtschaft sind.
Die Bestände, gibt uns Karen vor unserer Abreise mit auf den Weg, haben sich seit den verschärften Kontrollen offenbar leicht erholt. So bleibt die Hoffnung, dass die letzten recht unberührten Orte des Planeten auch in Zukunft ihren Zauber entfalten können. Der hinreichend dokumentierte Überlebungskampf wird das System nicht gefährden. Dies kann nur der Mensch, der die Rückzugsräume der Tierwelt immer weiter beschneidet.
Anreise zur Safari im Mikumi National Park
Von Frankfurt mit Condor nach Sansibar, in der Nebensaison (Mai bis September) ab 500 Euro, im Winter ab etwa 800 Euro.
Daressalam wird zurzeit aus Deutschland nicht direkt angeflogen, die besten Verbindungen mit Umsteigen bieten Swiss (über Zürich, 069-867 98 000, www.swiss.com), KLM (über Amsterdam, 069-2999 3770) und Ethiopean (über Addis Abeba). Die Flugzeit ohne Umsteigen beträgt etwa zehn Stunden.
Von Sansibar verkehrt viermal täglich binnen 120 Minuten eine Fähre nach Daressalam, Tickets kosten zwischen 35 und 50 US-Dollar pro Strecke. Die nationale Airline Precision Air fliegt mehrmals täglich ab 50 Dollar pro Strecke nach Daressalam. Wer die Fähre nimmt, sollte am Hafen der Hauptstadt gut auf sein Gepäck aufpassen und möglichst sofort ein Taxi zum Busterminal nehmen: Hier warten Trickbetrüger auf leichte Beute in Form achtloser Touristen.
Reiseinformationen für die Safari im Mikumi National Park
Die beste Reisezeit sind die Monate Juni und Juli, dann sind die Temperaturen mit Werten um 25 Grad moderat, abends kann es im Nationalpark sogar ein wenig frisch werden. Abzuraten ist von Reisen in den Monaten von Februar bis einschließlich Mai, wenn in Tansania Regenzeit herrscht. Viele Unterkünfte haben dann geschlossen.
Tansania ist ein relativ sicheres Reiseland. Die mit Abstand größte Gefahr geht vom Autoverkehr aus. In Städten sollte man nach Einbruch der Dunkelheit nicht zu Fuß gehen, in Daressalam ist besonders am Fährterminal nach Sansibar Vorsicht geboten.
Impfungen gegen Hepatitis A sind unbedingt erforderlich, zu Geldfieber und Tollwut wird geraten. Impfungen gegen Hepatitis B und Malaria-Prophylaxe sind ratsam. Weitere Informationen zum Beispiel bei www.tropeninstitut.de oder in den Filialen der Reisepraxis in den Globetrotter-Niederlassungen (www.bcrt.de)
Unterkunft für die Safari
Der Autor war privat auf Safari im Mikumi Nationalpark und hat in der Lodge Stanley’s Kopje gewohnt. Zwei Nächte für zwei Personen kosten je nach Saison inklusive Vollpension und einem Tag individueller Safari ab 1000 Euro. Die Lodge bietet auch Flugzeugtransfers ab Daressalam und Sansibar an, die Propellermaschinen landen auf einer schmalen Piste im Park. Die Anfahrt ist auch per Überlandbus möglich, die auf Anfrage am Besucherzentrum des Nationalparks halten. Besucher werden dann von der Lodge abgeholt.
Die einzige andere Lodge im Mikumi-Nationalpark trägt den Namen Vuma Hills (www.vumahills.com). Weitere Adressen einfacher Unterkünfte sind auf der Homepage der Nationalparks aufgelistet.
Leave A Reply