Viele Völker der American Indians wurden im 19. Jahrhundert gegen ihren Willen umgesiedelt. Im Nordostwinkel Oklahomas wirken sie ebenso verloren, wie zwei gut gepflegte Tankstellen aus der Pionierzeit der Route 66 (Episode 23/66).

Winzige Tankstelle, schweres Wetter: Marathon Station in Commerce, Oklahoma. Foto: Ralf Johnen
Nur ein paar Meilen durch Kansas – und schon sind wir in Oklahoma. Der Bundesstaat rühmt sich, das touristische Potenzial der Route 66 schon früh erkannt zu haben, weshalb hier deutlich mehr von der Originaltrasse übrig ist, als in den meisten anderen Staaten.
Massenflucht aus der Dust Bowl
Gleichzeitig aber spielte die Straße kaum irgendwo eine dramatischere Rolle als hier: Die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise von 1929 fielen in einem Landstreifen, der von Oklahoma bis hoch nach Kanada reichte, mit enormer Trockenheit und verheerenden Staubstürmen zusammen.
Das veranlasste Hunderttausende dazu, ihre Heimat über Oklahoma City zu verlassen, um über die Route 66 ins fruchtbare Kalifornien zu flüchten und dort ihr Glück zu versuchen. Die Massenflucht aus der sogenannten Dust Bowl hat John Steinbeck in seinem Roman »Grapes of Wrath« festgehalten, der ihm den Pullitzer-Preis beschert hat.
Deportation durch den Indian Removal Act
Dies aber war keineswegs die erste großflächige Bevölkerungswanderung in der Geschichte des Staates. So unterzeichnete Präsident Andrew Jackson 1830 den sogenannten Indian Removal Act, durch den die im fruchtbaren Südosten der USA beheimateten Ureinwohner Amerikas zur Umsiedlung in die deutlich weniger einträglichen Gebiete des Mittleren Westens gezwungen wurden.
Der Stamm der Quapah wurde kurz darauf mit dem Gebot aus seiner Heimat an den Ufern des Mississippi vertrieben, sich im Nordosten Oklahomas niederzulassen.
Commerce in Oklahoma: Monumente aus der Glanzzeit
Die Grundlage für ein Leben, das sich mit ihren Gewohnheiten und Fähigkeiten vereinbaren ließ, war den Quapah damit dauerhaft entzogen. Die Folgen sind bis heute in Commerce zu beobachten. Wer den Ort aus Richtung Baxter Springs erreicht, sollte zunächst die Main Street aufsuchen. Anders als in nahezu allen amerikanischen Ortschaften markiert diese nicht das Zentrum. Viel mehr bahnt sie sich am Westrand von Commerce ihren Weg von Nord nach Süd. Hier stehen sich zwei Monumente aus der Glanzzeit der Route 66 vis-à-vis gegenüber.

Tankstelle als Hexenhäuschen, Oklahoma. Foto: Ralf Johnen
Auf der einen Seite machen die Betreiber einer antiken Marathon-Tankstelle mit Neonschildern auf den Verkauf von Softeis und anderen Nahrungsmitteln aufmerksam. »Dairy King« heißt der Laden in sanfter Rebellion gegen eine landesweit agierende Kette. Wenn geöffnet ist, sollte man einen Blick hineinwerfen, denn die winzige Gaststätte ist liebevoll im Stile eines Diners aufbereitet und die Besitzer sind immer gut für ein Anekdötchen.
Ein Zwischenstopp von Bonny und Clyde
Am liebsten kommt die Geschichte von Bonny und Clyde aufs Tapet, die 1934 in Commerce einen Polizisten ermordet und den Polizeichef gekidnappt haben. Schräg gegenüber trotzt eine weitere Tankstelle der Marke Conoco mit bescheidenem Erfolg der Verwitterung. Das macht sie noch fotogener, zumal ihr giftgrüner Anstrich einen schönen Kontrast zu der angrenzenden Backsteinhalle bildet.

Das Art-déco Theater in Miami, Oklahoma. Foto: Ralf Johnen
Viel Leben ist auf der Straße nicht wahrnehmbar. Dafür kann es vorkommen, dass plötzlich jemand in einer Rostlaube um die Ecke geschossen kommt. Fenster auf, Musik voll aufgedreht, Kippe in der Hand. Moderne Outlaws auf den ersten Blick, doch in Wahrheit das Mitglied einer nachfolgenden Generation eines entwurzelten Volkes, das seinen Lebenssinn im Länderdreieck von Kansas, Missouri und Oklahoma nie wiedergefunden hat. Das Amerika unserer Gegenwart muss mit dieser Vergangenheit leben, was in der Regel nur ein Achselzucken nach sich zieht.
Informationen zur Route 66 in Oklahoma
Auf den ersten Kilometern der Route 66 in Oklahoma ist noch nicht all zu viel Bemerkenswertes zu sehen. Das ändert sich erst kurz vor Tulsa, Oklahoma.
Restaurant
Dairy King: Restauriertes Diner mit sympathischen Inhabern. 100 North Main Street, Commerce. Aktuell geöffnet Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 und Samstag von 11 bis 15 Uhr.
Sehenswert
Allen’s Conoco Fillin‘ Station. Nostalgische Tankstelle, tolles Fotomotiv. 101 South Main Street, Commerce.
Coleman Theatre: Prächtiges historisches Theater mit 1600 Plätzen im Nachbarort Miami, Oklahoma, das 1929 im Stil einer spanischen Mission erbaut wurde. Führungen sind zu ausgesuchten Zeiten möglich. 103 North Main Street, Miami, Führungen Dienstag bis Freitag zwischen 10 und 16, Samstags zwischen 10 und 14 Uhr.
Quapah Casino: Die indigenen Völker der USA haben seit 1988 das Recht, auf ihrem jeweiligen Territorium Glücksspiel anzubieten. Dabei handelt es sich um eine Art Kompensation für das in der Vergangenheit erlittene Unrecht. Wenn die Häuser gut geführt sind, können sie eine sehr lukrative Einnahmequelle sein. Die Realität allerdings ist meist trist. So bleibt eine Momentaufnahme aus einem zuweilen unergründlichen Land. 58100 East 64 Road, Miami (wenige Kilometer östlich von Miami), quapawcasino.com.

Das nächste Etappenziel ist Tulsa
Allgemeine Informationen zur Route 66 in Oklahoma
In Oklahoma existieren auch im Jahr 2025 noch mehr als 400 Meilen oder 640 Kilometer der Originaltrasse der Route 66. Das sind die meisten Kilometer aller Bundesstaaten. Auch sind die Abschnitte der Route 66 in Oklahoma fast durchweg in gutem Zustand, flankiert werden sie von einer interessanten Infrastruktur mit alten und neuen Attraktionen.
Die Webseite von Travel Oklahoma bietet eine gute Auswahl an passendem Material zur Mother Road.
Die Route 66 auf Boarding Completed
Die Geschichte über Commerce und die ersten Kilometer in Oklahoma ist Nummer 23 von insgesamt 66 Stories über die Route 66 auf Boarding Completed. Von Galena, Kansas (Episode 22) sind es rund 43 Kilometer bis hierhin. Bis nach Tulsa in Oklahoma (Geschichte 24) sind es etwa 155 Kilometer.
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt geprüft im April 2025.
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