Im Süden der USA lebt mit den Acadiens eine französischsprachige Minderheit. Lafayette in Louisiana ist ihre Hauptstadt. Hier sind Dinge möglich, die im Rest des Landes verpönt sind – zum Beispiel einen Daiquiri im Drive-Through zu bestellen. Die Einheimischen nennen es in diesem Sinne »The Happiest City in America«.
Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Doch die Vereinigten Staaten von Amerika sind in vielerlei Hinsicht ein Land mit strikten Regeln. Manche Sachen gehen im »Land of the free« schlicht und einfach nicht. Das Zeigen nackter menschlicher Körper im Fernsehen zum Beispiel. Oder der Konsum alkoholischer Getränke im öffentlichen Raum, wie er in Berlin oder Köln völlig normal ist.
Das kann man kritisieren oder sogar verurteilen, muss man aber nicht. In jedem Land schließlich existiert ein gewisser gesellschaftlicher Konsens. Doch in den USA sind Überraschungen im Sinne von Ausnahmen von den scheinbar universell geltenden Regeln ebenso allgegenwärtig. In Savannah im ansonsten erzkonservativen Georgia etwa können Touristen und Einheimische sehr wohl Bier, Wein und Cocktails auf der Straße trinken.
Wegbier auf Amerikanisch
Auf amerikanische Weise, das ja, denn die Drinks darfst du nur dann beim Stadtbummel mitführen, wenn sie sich in Einwegbechern befinden. Ähnliche Regeln gelten auch auf Key West ebenso wie im texanischen Weinort Fredericksburg. Wenn es der Wirtschaft dient und Touristen vielleicht sogar deshalb gerne kommen, schwächelt der sonst so kraftvolle Moralismus plötzlich.
Auch die Südstaaten sind für Überraschungen gut. So existiert im Bundesstaat Louisiana eine Region, in der die ansonsten nicht der übermäßigen sprachlichen Vielfalt verdächtigen Amerikaner wahrhaftig überwiegend auf Französisch parlieren. Dabei handelt es sich um die Nachfahren einer Minderheit, die im 18. Jahrhundert aus dem frankophonen Teil Kanadas nach Louisiana übergesiedelt sind.
Das alte Louisiana war Französisch
Ihre Heimat war als Acadie bekannt und die Menschen als Acadiens, woraus über die Jahre die Simplifizierung »Cajuns« wurde. Was sie angelockt hat, war die historische Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der heutigen USA bis 1803 zu Frankreich gehörte. Damals war Louisiana ein Gebiet von unvorstellbaren Ausmaßen, zu dem von Montana über Colorado im Westen bis nach Iowa und Arkansas im Osten 14 heutige Bundesstaaten entweder ganz oder doch zumindest teilweise gehörten. Hinzu kamen einige Grenzgebiete des heutigen Kanadas. Erst durch den sogenannten Louisiana Purchase wurde das riesige Gebiet den Vereinigten Staaten zugeschlagen.
Für die Acadiens hatte der Verkauf des Landes zunächst keinerlei Konsequenzen. Sie führten rundum die Sumpfgebiete Südlouisianas eine weitgehend vom Rest des Landes abgeschiedene Existenz. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier Öl gefunden. Nun war es mit der Ruhe vorbei. Die Cajuns wurden vom neuen Reichtum ferngehalten, verfolgt und zur Anpassung gezwungen. Sogar ihre Sprache wurde lächerlich gemacht. Es sollte bis in die 1970er Jahre dauern, ehe Französisch als zweites Idiom anerkannt wurde.
Lafayette in Louisiana ist »The Happiest City in America«
Mittlerweile hat die Bevölkerungsgruppe ihr Selbstvertrauen zurückerlangt. Und auch die Amerikaner wissen dieses Stück Vielfalt in ihrem sonst zur kulturellen Gleichförmigkeit neigenden Land zu schätzen. Sie finden die französischstämmigen Landsleute liebenswert schrullig. Und sie mögen die frankophonen Exklaven wie Breaux Bridge deshalb, weil es dort Leckereien wie Crawfish gibt, die andernorts schwer zu bekommen sind.
Die Hauptstadt der Cajuns ist Lafayette, das rund 200 Kilometer westlich von New Orleans und 350 Kilometer östlich von Houston im Bundesstaat Texas liegt. Die Stadt zählt gut 120 000 Einwohner und sie unterscheidet rein optisch kaum von vergleichbaren amerikanischen Ballungsräumen. Kurzum: Lafayette ist flächenmäßig groß und ziemlich zersiedelt. Doch die inoffizielle Kapitale der Cajuns ist zugleich quirlig, unübersichtlich und angenehm chaotisch. Nicht nur wegen des französischen Zungenschlags scheinen die USA, wie wir sie kennen, hier in weiter Ferne. Die Einheimischen aber hält das nicht davon ab, ihre Stadt als »Happiest City in America« zu bezeichnen.
Ein Daiquiri im Drive-Through
Manchmal kommt man in Lafayette aus dem Staunen nicht heraus. Da wäre zum Beispiel ein Etablissement namens Frankie’s Best Drive Thru Daiquiris, das wir vor Ort unverzüglich aufsuchen. Als wir vorfahren studieren wir die Karte, die fast ausschließlich aus alkoholischen Getränken besteht. Danach warten wir kurz – und nach wenigen Minuten erhalten wir einen ordentlichen Eimer, in dem sich ein gut gemixter Drink befindet.
Der ist natürlich nicht zum Sofortkonsum am Steuer gedacht. Was zugleich der Beweis für die These ist, dass der Appell an den gesunden Menschenverstand ebenso gut wirken kann, wie Verbote. Auch bleibt unter dem Strich die Erkenntnis, dass die Franzosen offenbar nicht so prüde sind, wie die Amerikaner. Und es bietet sich ein Gedankenspiel an. Wie würde die Welt wohl aussehen würde, wenn Napoleon 1803 das Land nicht für einen Spottpreis verkauft hätte? Wir hätten mittlerweile sicherlich eine Grande Nation der anderen Art.
Informationen zu Lafayette in Louisiana
Das Parkhaus in der Vermilion St. (Hausnr. 121) eignet sich für einen Tag in der City, die Parkuhren am Straßenrand kannst du übrigens auch mit Kreditkarten bedienen.
Attraktionen
Vermilionville Freilichtmuseum über die Kultur der Cajuns, der Kreolen, der indigenen Völker und der Afroamerikaner. Gemeinsam verleihen sie dem Leben im Süden Louisianas eine spürbar unamerikanische Note. Im Vordergrund stehen neben kürzlich rekonstruierten historischen Gebäuden Darsteller, die Handwerkstraditionen, Musik und Küche vor Augen führen. 300 Fisher Rd., Tel. 337 233 40 77, Di–So 10–16 Uhr, Eintritt 10/6 $.
Larc’s Acadian Village Aus Kanada kommend, mussten die Acadiens in Louisiana zuerst vollständig andere Herausforderungen bewältigen. Erst danach konnten sich die Vertriebenen auf der Basis von Maisanbau ein Leben aufbauen. In verlagerten Originalhäusern und einem kürzlich wieder aufgebauten Bauten erschließt sich ihr Schicksal. 200 Greenleaf Drive, Tel. 337 981 23 64, Mo–Sa 10–16 Uhr, Eintritt 9/6 $.
Restaurants
Dwyer’s Café Wer einen anstrengenden Tag vor sich hat, sollte hier während des Vormittags ein kalorienreichen Frühstücks bestellen. 323 Jefferson St, Tel. 337 235 93 64, tgl. 6–14 Uhr.
Frankie’s Best Drive Thru Daiquiris Beim Anblick dieses Laden fallen Amerikanern aus dem Rest des Landes die Augen aus. Kunden fahren mit dem Wagen nach dem bekannten Konzept am Fenster vor und kurze Zeit werden frisch gemixte Daiquiris und andere Cocktails gereicht. 110 14th St., Tel. 337 781 26 58, tgl. 12–0, Fr, Sa bis 2 Uhr.
Nachtleben in Lafayette in Louisiana
Blue Moon Saloon Rockabilly oder Country auf Französisch? Das ist die Spezialität dieses Clubs, den es übrigens seit 2001 im Hinterhof des Gasthauses gibt. Mittlerweile ist er übrigens zu einem der beliebtesten Honkytonks außerhalb Nashvilles aufgestiegen. Allein für einen gut programmierten Abend hier lohnt der Weg nach Lafayette. 215 East Convent St.
Übernachten
Home 2 Suites Lafayette Angenehmes Suitenkonzept der Hilton-Gruppe in einem modernen Bau, bei dem Komfort zuerst kommt, 1909 Kaliste Saloom Road, Lafayette.
Allgemeine Informationen zu Lafayette in Louisiana
Besuche die Webseite der Stadt, wo du mehr Informationen hierzu findest. Es lohnt sich, denn die Geschichte ist lesenswert.
Text und Bilder zur Geschichte über Lafayette in Louisiana: Ralf Johnen, November 2021.
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