Der Herbst auf Usedom kann hinreißend schön sein. So ist Autorin Frida denn auch begeistert von der Insel zurückgekehrt. Besonders angetan hat es ihr eine Inselsafari im Indian Summer.
»Und niiiiiiicht auf die Tür aufstützen!«, rufen wir im Chor, als wir nach der Inselsafari etwas durchgeschüttelt hinten aus dem Land Rover klettern. Wir haben in den vergangenen Stunden verinnerlicht, dass der ansonsten lammfromme Thomas etwas ungemütlich werden kann, wenn man die Tür als Steighilfe nimmt. Verständlich, denn der bärtige Guide steuert einen betagtes Schätzchen. Der Oldtimer hat ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel. Ersatzteile wie eine abgebrochene Hecktür sind nicht leicht zu bekommen.
Ins Hinterland (oder »Achterland«) von Usedom hatte uns die Inselsafari geführt, begleitet von Thomas und Gunnar, dem Inhaber des 1999 gegründeten Unternehmens. Wer bei dem Ostseeeiland an der Grenze zu Polen nur an weiße Strände, Steilküste, Seebrücken und Bäderarchitektur denkt, der blendet nämlich weite Teile aus. Der Herbst auf Usedom kann sehr vielseitig sein.
Inselsafari im Indian Summer
Binnengewässer wie der Schmollen- oder Gothensee, dazwischen Wiesen, Wälder und (trockengelegte) Moore bieten ein Habitat für seltene Pflanzen und Vögel. Darunter gleich drei Adlerarten: See- und Fischadler sowie der sehr seltene Schreiadler.
Über die Fauna und Flora Usedoms berichten uns die beiden gutgelaunten Originale, während wir mit dem Land Rover querfeldein über Stock und Stein hopsen. Sie zeigen uns die besten Plätze für einen Sprung in den See und erzählen, dass es ein gutes Pilzjahr war. Nur ihre Fundstellen, die verraten sie uns nicht.
Wohl aber fahren sie uns zum krönenden Abschluss der Safari zum besten Ort für ein Barbecue: die Holländer-Mühle, idyllisch auf einer Anhöhe etwas außerhalb von Benz gelegen. Die Windmühle hat es auch deshalb zu einiger Berühmtheit gebracht, weil der bekannte deutsch-amerikanische (Bauhaus-)Künstler Lyonel Feininger (1871-1956) mehrfach in Benz weilte und die Mühle in einem Gemälde festhielt.
Herbst auf Usedom: Barbecue mit Dorsch und Räucherschinken
Dort also tischen uns die beiden mit ihrer Kollegin Birgit ein zünftiges Barbecue mit lokalen Spezialitäten wie Räucherschinken, selbstgemachtem Frischkäse und hervorragendem, über dem Feuer in einer Pfanne gebratenen Kabeljau auf. Der Fisch heißt eigentlich Dorsch, wenn er aus der Ostsee kommt, ist aber derzeit Mangelware.
Als wir satt und zufrieden wieder zu unserem Hotel zurück chauffiert werden, wissen wir, warum manche Touristen die Inselsafari Jahr für Jahr wieder buchen. Manche kommen seit zehn Jahren, »und dann denke ich mir halt wieder eine neue Tour aus, gibt ja auch im Herbst auf Usedom genug«, sagt Gunnar und grinst.
Kaiserliche Bäderarchitektur
Am nächsten Tag stehen dann aber doch diejenigen Attraktionen an, für die Usedom weithin bekannt ist. Die Strände mit dem feinen, weißen Sand, die Seebrücken (darunter die älteste Deutschlands in Ahlbeck von 1898), die Steilküste mit ihren Wäldern und die mondänen Villen. Für letztere wurde der Name »Bäderarchitektur« erfunden, es sind prächtige Zeugen der Zeit, als die Hautevolee das Kuren entdeckte.
Mit seiner besonderen Kombination aus Seeklima, Meerwasser und Waldluft war und ist Usedom der Gesundheit sehr zuträglich. Davon profitierte schon Kaiser Wilhelm I. (1797-1888), der schon als junger Mann mit seinem Vater nach Heringsdorf kam und gerne zurückkehrte. Ebenso übrigens wie sein Enkel, Kaiser Wilhelm II. (1859-1941).
Nach ihnen sind die Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin benannt, die durch eine 8,5 Kilometer lange, herrliche Promenade miteinander verbunden sind. Man kann hier auf gut ausgebauten Pfaden mit dem Rad fahren (übrigens gibt es ein inselweites Leihsystem namens Usedomrad) oder auf den parallel verlaufenden Fußwegen flanieren. Aber wehe, man gerät versehentlich auf den Radweg, dann wird man ziemlich rüde zurechtgewiesen. Überhaupt lassen die Insulaner ihren Charme zuweilen eher zögerlich spielen. Doch vielleicht bin ich auch zu empfindlich und es handelt sich um den vom Ostseeklima geprägten rauen Charme. »Schmusedom«, wie ein Slogan lautet, scheint mir hier nicht auf jedenzuzutreffen.
Hoch über dem Heringsdorfer Wald
Herzlich begrüßt aber werden wir von Susanne am Baumwipfelpfad Usedom, der erst im Juni 2021 eröffnet wurde. Die neue Attraktion wurde von der EU gefördert. Sie bietet einen barrierearmen, also auch für Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen zugänglichen Steg. Dieser ist etwa 1300 Meter lang und er ragt bis zu 35 Meter in die Höhe.
Der hölzerne Pfad schlängelt sich durch den Heringsdorfer Wald. Er führt über die Baumkronen von Buchen und Kiefern und eröffnet neben einer spektakulären Aussicht auf das Umland und die Küste auch viel Wissenswertes über die dortige Natur. Den Gang über das Netz des Aussichtturmes, durch das man in die Tiefe gucken kann, überlassen wir lieber den Kindern. Sie laufen unerschrocken über das Raster.
Überhaupt bietet die komplett vom Tourismus geprägte Ferieninsel viele Vergnügungsangebote. Diese reichen von Bootsausflügen über Wassersport jeglicher Art bis zu Klima- oder Pilzwanderungen. Zudem locken Kletterwald, Golfplatz und die Option zum Fallschirmspringen.
Indian Summer auf Usedom: Entertainment auch bei schlechtem Wetter
Auch für Schlechtwetteralternativen ist mit diversen Galerien und Museen gesorgt. Das wohl bekannteste Ausstellungshaus widmet sich einer dunklen Episode der Insel. Das Historisch-Technische Museum Peenemünde erzählt die Geschichte der Raketenforschung durch die Nationalsozialisten. Deren Wissenschaftler haben hier von 1936 bis 1945 unter anderem an der Entwicklung der V2-Rakete gearbeitet. Darunter auch Wernher von Braun, der später maßgeblichen Anteil am Erfolg der Mondmission haben sollte (lese hier den Artikel über dei NASA-Einrichtungen in den USA).
Wer ob der mannigfaltigen Freizeitangebote etwas erschöpft ist, sollte sich vielleicht einfach an der Uferpromenade an einer der zahlreichen Buden ein Fischbrötchen mit frisch geräucherter Einlage kaufen. Anschließend gilt es einen der charakteristischen Strandkörbe zu suchen und die Füße in den weißen Sand zu graben. Die einfachen Freuden sind ja meistens die besten.
Mehr Informationen über den Herbst auf Usedom
Die Insel Usedom gehört zu Mecklenburg-Vorpommern. Dort an der Ostseeküste rühmt sie sich, zu den sonnenreichsten Orten in Deutschland zu gehören.
Unterkünfte: die gibt es hier in Mecklenburg-Vorpommern natürlich in jeder Kategorie – vom Hausboot oder nachhaltigen Selbstversorger-Haus bis hin zur Nobelherberge. Wir waren im Familienhotel Travel Charme Bansin untergebracht und sehr zufrieden. Unser Zimmer war großzügig mit Balkon und Meerblick, es war auch barrierefrei und somit für Rollstuhlfahrer geeignet.
Zu den Gästen gehören viele Familien, die sich vor allem an dem großen Schwimm-und Wellnessbereich erfreuen. Auch das kulinarische Angebot ist auf Familien abgestimmt, es gibt abends häufig ein Buffet und außerdem eine Kinderkarte. Nicht zuletzt ist das Personal sehr professionell und freundlich – ganz getreu dem Motto »Schmusedom«.
Text und Bilder zur Geschichte über den Herbst auf Usedom: Frida van Dongen im Oktober 2021. Es gehört zu den Prinzipien dieses Reiseblogs, die Welt so abzubilden, wie sie ist. Dies nur, falls ihr euch wundert, dass auf den Fotos – anders als in Hochglanzmagazinen und Katalogen – nicht immer die Sonne scheint.
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