Kingman ist ein Ort, wie es ihn nur in den USA geben kann. Im Niemandsland zwischen Las Vegas, Phoenix und der Grenze zu Kalifornien gelegen, kreuzen sich hier gleich mehrere Straßen und Eisenbahnlinien. Manche viel, andere weniger benutzt (Episode 58/66).

Manchmal weiß man gar nicht, wo man hinschauen soll in Arizona
Ein paar Meilen hinter Hackberry wartet mit der vier Meter großen Skulptur Giganticus Headicus ein weiteres Fotomotiv. Danach nimmt die historische Route 66 Kurs auf Südwesten, um in Form einer 20 Meilen langen Gerade nach Kingman zu führen. Kingman ist von kahlen Bergketten umgeben, die im Licht der Dämmerung wie überlebensgroße Reptilien erscheinen.
Kingman: Flugzeugfriedhof an der alten Route 66
Die Strecke führt vorbei am Kingman Airport. Dort stehen zur Verwunderung nicht eingeweihter Reisender ganze Batterien von Jets, auf deren Leitwerken die Schriftzüge unter anderem von DHL und Delta Airlines zu sehen sind. Es ist ein Bild mit symbolträchtigem Charakter: Zunächst scheint es so, als gebe es in Kingman einen regen Fracht- und Passagierverkehr, für wen und wohin auch immer.

Und noch eine Ikone: der Giganticus Headicus in Arizona
Erst bei näherem Hinsehen wird klar, dass es sich im Wesentlichen um einen Flugzeugfriedhof handelt. Aussortierte Jets warten auf dem Rollfeld dicht an dicht darauf, wieder in Betrieb genommen oder wenigsten in ferne Länder verschachert zu werden, wo gute Emissionswerte keine Rolle spielen. Immerhin: Weil es in der Mojave Wüste so gut wie nie regnet, rosten die Flieger nicht und bleibt ihre zumeist veraltete Technologie ihr einziges Manko.

Aufgebockter Polizeiwagen bei Mr. D’s Diner in Kingman
Arizona: wo alles noch ein bisschen größer ist
Man stelle sich vor, hier zu leben: So viele Flugzeuge, die den schnellen Aufbruch an alle erdenklichen Orte versprechen, aber weder Passagiere noch Ziele. Eine einzige Enttäuschung. Da wäre schon die geringste Abwechslung eine feine Sache. De facto aber wechseln sich zu beiden Seiten der historischen Trasse allenfalls die Best Westerns und Howard Johnsons mit den Sonic Drive-Ins und seiner unübersichtlichen Zahl von Konkurrenten ab.

Die Route 66 in Kingman: endlich mal ein Schild mit sachdienlichen Hinweisen
Kein ungewohnter Anblick. Und doch scheint hier im Westen alles noch ein bisschen größer als im Rest des Landes, ganz so, als gelte es eine unbestimmte Leere zu füllen, wie es den Pick-ups mit ihren enormen Ladeflächen auf den Parkplätzen der Autohäuser ganz vorbildlich gelingt.
Klassische Automobile in Kingman, Arizona
Dies alles ist je nach Stimmung oder Sichtweise endlos faszinierend – oder einfach ziemlich trostlos. Der Hilferuf eines Unternehmers, der in den Schaufernstern seines Fachgeschäfts für klassische Automobile ohne Gespür für die Vergänglichkeit seine Verehrung für den 45. und 47. Präsidenten der USA zum Ausdruck bringt, macht es nicht besser. »God bless America, President Trump and his family« heißt es dort in kapitalen Lettern. Daneben auf dem Bordstein ganz sachlich ein Aufsteller mit der Botschaft: »We buy cars.«

Anhänger des MAGA-Kultes in Kingman
Wir müssen also etwas genauer hinschauen, um in diesem ultimativen Truck Stop etwas Attraktives zu entdecken. Etwas, das über die hohe Dichte an unauffälligen Americana und die Konturen der Landschaft West-Arizonas hinausgeht. Alldem steht gegenüber, dass mit Las Vegas der angeblich unterhaltsamste Ort des Planeten nur 105 Meilen oder 170 Kilometer entfernt ist, wodurch sich das chronische Entertainmentvakuum Kingmans in etwa anderthalb Stunden überbrücken lässt.
Abstecher nach Laughlin
Ein Abstecher nach Laughlin nimmt gar nur in 35 Minuten in Beschlag. Dabei handelt es sich um eine Art Mini-Vegas im Dreiländereck von Kalifornien, Arizona und Nevada, das durch den Rückstau des Colorado River über einen surrealen Wasserreichtum verfügt. Den müssen die Mexikaner jenseits der Grenze mit Dürre bezahlen, aber das ist eine andere Geschichte.

Wie in einem Film der Coen-Brüder: die Route 66 in Ostkalifornien
Wir begnügen uns an diesem Tag mit dem Besuch von Rutherford’s 66 Family Diner, einem rechteckigen Pavillon, der üppig mit Hinweisen auf die Straße aller Straßen dekoriert ist. Die Bedienungen hier tragen noch diese altmodischen karierten Schürzen. Auch der Filterkaffee hat wenig mit den elaborierten Zubereitungskünsten der Küstengegenden zu tun, obwohl diese einem Schild zufolge keine 500 Kilometer mehr entfernt sind. Es ist ein bisschen so wie in einem Tarantino-Film. Nur dass eher wenig passiert hier, was aber auch ganz gut ist, denn es gilt ja einen schmackhaften Breakfast Burrito zu verspeisen.
Informationen zu Kingman
Giganticus Headicus: Die legendäre Skulptur an einer Tankstelle erreichst du etwa fünf Autominuten oder neun Kilometer nach dem Hackberry General Store. Unbedingt aussteigen!
Arizona Route 66 Museum: Liebevoll gemachtes Ausstellungshaus mit einigen hübschen Devotionalien. 120 West Andy Devine Ave., Kingman, AZ 86401, geöffnet Diebstag bis Samstag von 9 bis 16 Uhr, der Eintritt ist kostenlos.
Restaurant: Rutherford’s Route 66 Diner, 2011 East Andy Devine Avenue, Kingman, AZ 86401, geöffnet Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag bis 14 Uhr.

Wie bei Tarantino: Rutherford’s Diner in Kingman
Mr. D’z Route 66 Diner: Charmanter Imbiss im Diner-Stil mit weniger Patina und umso größeren Burgern. 105 East Andy Devine Avenue, Kingman, AZ 86401, täglich von 7 bis 21 Uhr geöffnet.
Auf der Webseite von Explore Kingman gibt es Informationen über das Städtchen.

Ein Mercury Commuter gehört zum Fuhrpark
Arizona und die Route 66
Die Originaltrasse der Route 66 verläuft auf einer Strecke von rund 620 Kilometern durch Arizona. Das entspricht in etwa 385 Meilen, für die du dir ausreichen Zeit nehmen solltest. Aus meiner Sicht gehören die Abschnitte der Mother Road in Arizona zu den schönsten. Grund: die Strecke führt durch mythische Landschaften wie die Painted Desert. Außerdem sind viele Abschnitte der Originaltrasse in Arizona noch gut erhalten.
Die Route 66 in Arizona ist in die Geschichte eingegangen, weil ein gewisser Angel Delgadillo hier die Initiative ergriffen hat, die verbliebenen Abschnitte unter Denkmalschutz zu stellen. Nur so konnte die Renaissance der Route 66 überhaupt ihren Lauf nehmen.
Boarding Completed und die Route 66
Anlässlich des sogenannten Centennials der Route 66 haben wir auf dieser Webseite 66 Geschichten über die legendäre Straße zusammengetragen. Die Story über Kingman ist die 58. der Sammlung. Vom Nummer 57, dem Hackberry General Store, sind es etwa 45 Kilometer. Bis nach Oatman am Sitgreaves Pass (Nummer 59) sind es gleichfalls rund 45 Kilometer.

Kleine Stärkung: der Breakfast Burriot in Rutherford’s Diner in Kingman, Arizona
Mein Buch über den Südwesten der USA
Über den Südwesten der USA habe ich auch einen Reiseführer geschrieben. Das Werk kannst handelt von den Bundesstaaten Nevada, Arizona, New Mexico, Colorado und Utah. Du kannst das Buch hier bestellen.
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt überprüft im Mai 2025.
Leave A Reply