Die rostigen Relikte von Automobilen aus der Glanzzeit der Route 66 ruhen im Westen Arizonas zwischen Kakteen am Wegesrand. In ihrer Mitte buhlt eine von Zapfsäulen und anderen Americana flankierte Wellblechhütte um Aufmerksamkeit (57/66).

Eine gewisse Unschärfe: Stierschädel mit Reklameschild für ein koffeinhaltiges Getränk
Im tiefsten Arizona scheint es nach gut 3000 Kilometern so, als wäre das Leben auf der Straße ganz normal und die Route 66 dazu da, niemals zu enden. Der nächste Stopp verstärkt diesen Eindruck. Wir befinden in gebührendem Abstand zur Interstate 40 und dem Grand Canyon fernab der Zivilisation. Das Land der Hualapai ist bereits vorbeigezogen, als die Originaltrasse ein lang gezogenes S formt. Langsam kommt der Hackberry General Store in Sicht.
Der Hackberry General Store: Kondensat der Route 66
Dieser entpuppt sich bei näherem Hinsehen als filmreifes Kondensat der Mother Road in einer perfekt hierfür geeigneten Kulisse. Wie so viele andere Siedlungen in den USA, versprach einst auch Hackberry das schnelle Glück: 1875 haben Siedler hier eine Silbermine entdeckt, die ergiebig genug für die Gründung einer Ortschaft in einer an und für sich feindseligen Wüstenlandschaft war.

Nur für Corvettes: Premiumparkplatz am Hackberry General Store
1946 wusste der Chronist Jack DeVere Rittenhouse in seinem Buch »A Guide Book to Highway 66« zu berichten, dass hier immerhin 68 Menschen lebten.
Die zweite Heimat des Bob Waldmire
Die meisten verdankten ihr Einkommen dem Verkehr an der Route 66 und wohnten – unsichtbar für die Vorbeifahrenden – auf der anderen Seite der Bahngleise. Diese hatten unter anderem in Form eines Treibstoffdepots zusätzlichen Umsatz nach Hackberry gebracht.

Schöner Verfall in Arizona
Für dauerhaften Wohlstand aber sollte das nach dem Siegeszug der Interstate 40 nicht genügen. Abgesehen von einer Familie, die in der sechsten Generation vor Ort ausharrte, bedurfte es der Initiative eines alten Bekannten, um den Hackberry General Store zukunftsfähig zu machen. 1992 ließ sich Bob Waldmire hier nieder, um dem stillgelegten Laden neues Leben einzuhauchen. Jener Vorzeigehippie also, dessen Bus und Nachlass heute in Pontiac, Illinois, für kommende Generationen konserviert sind (s. Kap. 8).
Der Hackberry General Store: unbedingt anhalten
Waldmire sollte bis 1998 zwischen Arizona und Illinois pendeln. Während dieser sechs Jahre hat er maßgeblich dazu beigetragen, den General Store zu einem formidablen Zwischenstopp zu machen, wo die Geschichte so greifbar nahe ist. Das Hauptgebäude mag nicht mehr als ein Schuppen aus rostigem Wellblech sein, doch er ist opulent dekoriert mit Erinnerungsstücken wie dem roten Pegasus als Erkennungszeichen des Ölkonzerns Mobil, Vintage-Zapfsäulen und antiken Getränkeautomaten.

Americana forever: Autowrack mit Kaktus am Hackberry General Store
Rund um das Gebäude breitet sich zwischen mächtigen Kakteen ein Autofriedhof aus. Hier ein mintfarbener Chrysler mit ausladenden Heckflossen, dort das rostige Chassis eines Desoto. Am Portal zum Hinterhof hängt ein Stierschädel, dahinter wartet eine Music Hall seit Jahren vergeblich darauf, dass ein Band die Bühne betritt. Fideln, Gitarren und Stimmen mit heftigen Akzenten produzieren Bluegrass. Ja, das wäre was!
Rust Never Sleeps
Seit 2018 betreibt Amy Franklin das Anwesen, nachdem sie bereits unter den Vorbesitzern mehr als ein Jahrzehnt vor Ort gearbeitet hatte. Sie verkauft Nummernschilder, T-Shirts, Radkappen, Softdrinks und Snacks – und sie erfreut sich daran, wenn Touristen ihre Social-Media-Kanäle mit Fotos des musealen Anwesens füttern.

Ein Mercury Commuter gehört zum Fuhrpark
Bilder von verrosteten Karosserien zwischen amerikanischen Zürgelbäumen, wie die Spezies auf Deutsch heißt, die Hackberry seinen Namen verliehen hat. »Rust never Sleeps« denken wir abermals mit Dank an Neil Young. Die Chancen stehen gut in Hackberry, dass dieses Kleinod im Zuge der soundsovielten Renaissance der Route 66 auch noch eine Weile so bleibt.
Informationen zum Hackberry General Store
Geöffnet meist von 8 bis 18 Uhr, Hackberry General Store, Kingman. Der späte Nachmittag und der frühe Abend eignen sich wegen des Lichteinfalls besonders gut für Fotos.

Schöner Verfall in Arizona
In der Nähe: Peach Springs. Zwischen Seligman und Hackberry durchkreuzt die Route 66 das Gebiet der Hualapei. Das indigene Volk ist im Hochland beheimatet, das an den South Rim des Grand Canyon grenzt. Der Hauptort Peach Springs verfügt neuerdings über eine touristische Infrastruktur: Das Diamond Creek Restaurant (Hausnummer 900) serviert typische Speisen, nebenan bietet die Hualapai Lodge Übernachtungsmöglichkeiten.
Arizona und die Route 66
Über 600 Kilometer der Originaltrasse der Route 66 verlaufen durch Arizona. Das sind umgerechnet 385 Meilen, für die du dir gebührend Zeit nehmen solltest. Für mich gehören die Abschnitte in Arizona zu den schönsten überhaupt, weil die Streckenführung durch typisch amerikanische Landschaften wie die Painted Desert führt. Darüber hinaus ist die Route 66 in Arizona noch gut erhalten.

Fundgrube für Fotos von Americana: der Hackberry General Store
Was die Mother Road angeht, so ist Arizona vor allem wegen Angel Delgadillo in die Geschichte eingegangen. Beim Städtchen Williams wurde 1984 zudem der letzte fehlende Abschnitt der Interstate 40 komplettiert. Dadurch wurde die Route 66 endgültig überflüssig.
Boarding Completed und die Route 66
Auf dieser Webseite haben wir anlässlich des Centennial der Route 66 insgesamt 66 Geschichten über die legendäre Straße zusammengetragen. Die Story über den Hackberry General Store ist die 57. aus der Serie.

Alltag an der Route 66 in Arizona: Kakteen wachsen und Schilder rosten
Von Zwischenstopp 56 am Grand Canyon West sind es gut 95 Kilometer bis Hackberry General Store. Nächster Stopp ist die Wüstenstadt Kingman, die zugleich eine Stadtwüste von merkwürdigen Ausmaßen ist. Bis dort hin sind es rund 45 Kilometer, von denen ein Großteil über eine schnurgerade Straße verläuft. Unterwegs kommst du an einigen bemerkenswerten Americana vorbei – darunter der famose Giganticus Headicus.
Mein Buch über den Südwesten der USA
Für den ADAC habe ich einen Reiseführer über den Südwesten der USA geschrieben. Das Werk kannst handelt von den Bundesstaaten Nevada, Arizona, New Mexico, Colorado und Utah. Du kannst das Buch hier bestellen.
Text und Bilder: Ralf Johnen, Mai 2025.

Ruine eines Ford Model T in der Wüste Arizonas
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