An der Küste Vietnams gelegen, vereint das Amanoi die Tugenden Südostasiens mit russischen Spa-Erlebnissen und französischer Küche.
Ich hatte es anders geplant. Doch im Flugzeug auf dem Weg zum Luxushotel Amanoi in Vietnam bin ich einer dieser Menschen, die hektisch an einem PDF herumwerkeln. Als ich am Airport von Ho Chi Minh City ankomme, stürze ich mich denn auch auf die erstbeste Steckdose. Das Laptop muss schließlich durchhalten. Aus einer ersten Pho-Suppe wird deshalb nichts. Bald darauf, während des Transfers zur vietnamesischen Küste, starre ich verschreckt auf Abertausende Motorroller, die sich dem täglichen Chaos der Mobilität ausliefern.
Mit anderen Worten: Mein persönliches Stresslevel ist hoch, als der Kleinbus am Amanoi vorfährt. Darüber kann auch das breite Lächeln nicht hinwegtäuschen, mit dem uns alle Mitglieder des Empfangskomitees begrüßen. Dankbar greife ich nach einem feuchten Tuche, das nach Zitronengras duftet. Bald darauf erklimme ich die Stufen eines geheimnisvollen Aufgangs.
Ein erster Blick über das Südchinesische Meer
Wie sich bald herausstellt, ist das Ziel ein in alle Himmelsrichtungen offener Bau, der auf der Hügelkuppe thront. Er fungiert als Salon, Lounge, Restaurant, Bar und Terrasse mit Ausblick zugleich. Während ich auf das Südchinesische Meer und die schroffe Küstenlinie blicke, erteilt mir die Crew eine kurze Gebrauchsanweisung für das Amanoi. Die lautet knapp zusammengefasst, dass man sich vorgenommen hat, mich auf andere Gedanken zu bringen.
Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung begleitet mich ein Herr zu meiner Villa in dem Luxushotel, der landestypischen Kopfschmuck trägt. Der Bungalow ist so gebaut, dass selbst der abgezockteste Paparazzo keine Chance hätte, einen Blick auf die Bewohner zu erhaschen. Die Einrichtung besteht aus viel Holz und tief liegenden Möbeln mit horizontalen Linien, die mich an einen meiner Lieblingssongs erinnern. »The sky is low and grey like a japanese table«, textete David Berman in »Time will break the world«. Dabei überzeugt mich die Raumaufteilung mit genau jenen Qualitäten, die mir im Alltag zuletzt so sehr gefehlt haben: Ordnung und Gleichgewicht. Kleine Blumenarrangements und eine Drachenfrucht steigern den Effekt der Zerstreuung noch weiter.
Mein eigenes Sonnendeck im Luxushotel Amanoi in Vietnam
Nach einigen betont tiefen Atemzügen öffne ich die Tür zu meinem privaten Sonnendeck. Ich blicke auf die dicht bewaldeten Berge des Nui Chia Nationalparks, die sich mehr als 1000 Meter hoch in den Himmel schrauben. Anschließend mustere ich mit Genugtuung das Schwimmbad, das sich zu meinen Füßen ausbreitet. Ein Infinity Pool! Meine Follower werden begeistert sein.
Meine E-Mails hingegen sind mir mittlerweile reichlich egal. Ich verfolge nur noch den Gedanken, mir die Kleider vom Leib zu reißen und ins Wasser zu springen. Ein Wunsch, den ich mir sofort – und keineswegs zum einzigen Mal – erfülle. Als bald darauf die Dämmerung einsetzt, versuche ich die zu einem Spiegel gewordene Wasseroberfläche nicht durch unnötige Bewegungen aufzurütteln. Das Ergebnis ist ein Anblick von unvergesslicher Perfektion!
Im Rhythmus der Tropen
Am Abend im Restaurant komme ich mit dem Manager des hauseigenen Spas ins Gespräch. Er ermutigt mich, es mit der Entspannung noch weiter zu treiben, während ich mich an knusprigen Frühlingsrollen und einer Pho-Suppe mit frischen Kräutern, Rindfleisch und Reisnudeln labe.
Vorher aber passe ich mich dem Rhythmus der Tropen an. Ich stehe mit der Morgendämmerung auf, um dem Konzert der Vögel zu lauschen und ein paar Bahnen im kühlen Pool zu ziehen. Kurz darauf versuche ich mich an der Kunst, einen vietnamesischen Kaffee aufzubrühen. Zu diesem Zwecke vermische ich zwei Espressi, Eiswürfel und Kondensmilch in einem Tumbler. Zur Yoga-Session bin ich hellwach.
Urlaub im Luxushotel Amanoi in Vietnam: Endlich ein Earylbird
Schon das Entree ist feierlich. Lehrerin Nhan nämlich empfängt mich und noch fünf weitere Earlybirds auf einer Insel, die in einem Lotusblumenteich ist und die auf der eine Art Pagode ruht. Das würdevolle Ambiente allerdings kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass meine Dehnfähigkeit allenfalls das Prädikat »eingeschränkt« verdient. Im Gegensatz zu den Urlauberinnen aus Thailand und Kalifornien, bin ich nach 60 Minuten ziemlich hinüber und schweißgebadet.
Als ich beim Frühstück meinen tiefgrünen Smoothie auf Gurken-Ingwer-Basis ablichten möchte, bemerke ich, dass ich mein Mobiltelefon nicht dabeihabe. Gar nicht schlimm, denke ich mir. Umso mehr freue ich mich darüber, dass die Vietnamesen Pho auch zum Frühstück anbieten. Ich blicke versonnen aufs Meer und beschließe euphorisch, die nächste Stufe meiner Mini-Kur zu zünden: eine aufwändige Spa-Behandlung.
Banya-Behandlung im Amanoi: Heftige Hiebe mit Birkenzweigen
Am späten Nachmittag klingelt ein Caddy-Fahrer an meinem Bungalow. Über steile Wege bringt er mich zum An Son Spa House, das sich auf einer Hügelkuppe mit vorzüglichem Blick auf die Berge befindet. In einen Bademantel gehüllt, erblicke ich zu meiner Freude erneut einen Infitinty-Pool, der noch dazu viel größer ist. Bald nehme ich erst eine Dusche und danach ein Dampfbad, ehe ich in einen mit hellen Hölzern ausgelegten Salon geführt werde.
Nun folgt der Kernbestandteil der Banya-Behandlung, ein Ritual zur Körperpflege, dass ursprünglich von Russen erfunden wurde. Hierzu lasse ich mich auf einer Liege nieder und schließe die Augen. Derweil erwarte ich die ersten Hiebe, die mir schon während der Vorbesprechung angekündigt worden waren. Eine Viertelstunde lang traktiert mich die zierliche Masseuse mit einem Bündel Birkenzweigen.
Damit möchte sie meine vom Winter gepeinigte Haut aufnahmefähig machen. Danach verordnet die Frau mir nacheinander ein Eisbad, eine meditative Ruhephase mit Blick in die Ferne und schließlich eine weitere Badeeinheit. Erst danach erfolgt die eigentliche Kur. Als die Muskeln gelockert und alle ätherischen Öle eingezogen sind, möchte ich vor allem: schlafen.
Stressabbau mit Blick auf einen schwimmenden Markt
Am nächsten Tag schlendere ich hinab zum Strand des Resorts. Vor mir breitet sich die malerische Vinh-Hy-Bucht aus. In der Ferne sehe ich einen schwimmenden Markt. Hier treffe ich Joshua. Der Amerikaner beschäftigt sich schon seit Anfang des Jahrtausends intensiv mit den Heilkunden und Bewegungssportarten Südostasiens.
Auf Anfrage, erklärt er, arbeitet er Gästen des Luxushotels maßgeschneiderte Therapieprogramme aus, die auf eine Ernährungsumstellung und Stressabbau abzielen. Meine Variante, die ich mir selbst verordnet habe, scheint seiner Meinung nach ebenfalls anzuschlagen.
Kulinarische Kabinettstückchen im Luxushotel Amanoi in Vietnam
Allerdings sind Ruhe und Verzicht nicht die einzige Methode, um die Akkus im Amanoi wieder aufzuladen. Wie ich am Abend in einem mit Kerzenlicht beleuchteten Pavillon in Hanglage erfahre, sind dabei auch kulinarische Kabinettstückchen behilflich. Der mexikanische Küchenchef Bernardo hat unter anderem bei Starkoch René Redzepi in Kopenhagen (»Noma«) gelernt.
An seinem Chef’s Table schreckt auch er nicht davor zurück, Experimente in sein durchdachtes Menü einfließen zu lassen. Hierzu mischt er französische Einflüsse mit japanischen. Konkret veredelt er Wagyu Beef mit köstlichen Marinaden. Auch hantiert er mit Flammenwerfern und Lötkolben.
Einzig bei den Sashimi zeigt er sich konservativ. Den Fisch lässt er zwei Mal pro Woche vom Markt aus Tokio einfliegen, um ihn ohne weitre Behandlung auf einem spärlich dekorierten Teller zu servieren. Pure Poesie. So ruhig und ausgeglichen wie die Oberfläche eines Infinity-Pools im Morgengrauen.
Informationen zum Luxushotel Amanoi in Vietnam
Die Aman Hotels sind eine kleine Kette von 33 exklusiven Resorts in 20 Ländern, deren Namen individuell abgewandelt werden.
Das Amanoi befindet sich gut 55 km (75 Autominuten) vom Flughafen Cam Ranh im Nationalpark Nui Chua. Die Entfernung von Ho Chi Minh City (Saigon) beträgt 370 km.
Die Anreise ist unter normalen Umständen mit Edelweiss ab Zürich (Nov.-Apr. zwei Mal wöchentlich, ab 600 Euro, auch Economy Max und Business Class, www.flyedelweiss.com) möglich.
Das 2013 eröffnete Resort verfügt über 31 freistehende Villen und sechs sogenannte Residences mit Personal. Das Klima ist tropisch, aber dabei ziemlich trocken. Im Nationalpark gedeihen sogar Kakteen. Die Preise sind sehr hoch und beginnen bei 1100 Euro pro Nacht und Villa inklusive Frühstück.
Text und Bilder: Ralf Johnen, Januar 2022. Der Autor war auf Einladung von Aman Hotels vor Ort.
Comment
Welch fast grenzenloser Luxus, welch eine fantastische Natur in einem ja vor noch nicht allzu langer Zeit von Kriegen gelähmten Land – natürlich mit der dem Autor eigenen fotografischen und literarischen Qualität dargestellt – zum Genießen !