Die Brücke über den Ol‘ Man River gehörte zur Originaltrasse der Route 66. Mittlerweile ist das imposante Bauwerk für Autos gesperrt. Ein Symbol der Verkehrswende – oder eine Ode an die Freizeitgesellschaft?

Die Old Chain of Rocks Bridge über den Mississippi dient heute Fußgängern und Radfahrern. Foto: Pixabay
Der Mississippi ist ein Ehrfurcht einflößender Name. Das ist auch unterwegs zur Old Chain of Rocks Bridge ein Faktor. Zusammen mit dem Missouri kommt er auf eine Länge von 6051 Kilometern. Genug, um das viertgrößte Flusssystem der Welt zu bilden. Im Volksmund wird der Mississippi liebevoll als Ol‘ Man River bezeichnet. Und natürlich gibt es kaum einen Menschen, der ihn nicht als Bühne für die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn kennen würde. Dabei allerdings genießt der Fluss eher den Status eines Protagonisten, denn einer Kulisse.
Endlich angekommen am Mississippi
Das sind reichlich Vorschusslorbeeren für ein Gewässer, das auf den ersten Blick vor allem durch seine Farbe auffällt, die an erkalteten Milchkaffee erinnert. Auch sonst kann die Begegnung mit dem Fluss enttäuschend sein. An seinen Ufern ragen keine Schlösser oder Burgen aus Weinbergen empor, wie das an der Loire oder am Rhein der Fall ist. Auch hübsche Orte mit ansprechendem Erscheinungsbild sind selten. Ja, de facto ist sogar der Zugang zu den Ufern nur relativ begrenzt möglich.
Die beste Möglichkeit zum Sammeln umfassender Eindrücke sind Flusskreuzfahrten. Ansonsten bleiben die Brücken, von denen eine besondere dramaturgische Akzente zu setzen weiß. Die Old Chain of Rocks Bridge war 1929 Bestandteil der Originaltrasse der Route 66. Millionen von Amerikanern haben das 1632 Meter lange Bauwerk überquert, um dem Westen des Landes entgegenzustreben.
Old Chain of Rocks Bridge: Mythos der Route 66
Sie alle jedoch mussten etwa in der Mitte des Flusses ein Manöver vornehmen, das für eine Brücke höchst ungewöhnlich ist. Dabei handelt es sich um eine Richtungsänderung nach Norden, als würde die alte Heimat sich ein letztes Mal regen, um die Autofahrer zu fragen, ob sie sich ihre Reise auch gut überlegt haben.

Die Überquerung des Mississippi gehört zu den Highlights der Reise auf der Route 66
Diese Interpretation ist natürlich eher lyrischer Art. Der eigentliche Grund liegt in der Tatsache, dass sich die Brücke ganz in der Nähe einer Felsenkette befindet. Diese macht die Navigation auf dem Fluss problematisch. Abgesehen von dieser »chain of rocks« befinden sich in unmittelbarer Nähe auch zwei Wassertürme, welche es für die Kapitäne der Vergangenheit auch ohne Brückenpfeiler zu einer Herausforderung machten, die Stelle zu passieren. Also mussten Ingenieure die ursprünglichen Pläne für einen geraden Streckenverlauf anpassen.
Mautpflicht auf der Old Chain of Rocks Bridge
Finanziert wurde die Brücke beim Bau mit privaten Geldern, weshalb für die Passage bis 1966 eine Maut erhoben wurde. Seinerzeit war die nur sieben Meter breite Straße dem Verkehr schon lange nicht mehr gewachsen. Deshalb entschieden sich die Verantwortlichen, nur einen Steinwurf entfernt die New Chain of Rock Bridge zu errichten. Diese übrigens verläuft grade – und das nicht etwa, weil man die Felsen aus dem Flussbett entfernt hat. Nein, das Ostufer des Mississippi begleitet nunmehr ein Kanal, der den Frachtschiffen eine problemlose Durchfahrt gestattet.
Die alte Brücke mit ihrem Stahlfachwerk wurde am 25. Februar 1970 außer Betrieb genommen. Wie so häufig in den USA waren die Abbruchkosten so hoch, dass man das Bauwerk lieber dem Verfall überließ. Erst Jahrzehnte später schien man sich an die ursprüngliche Funktion der Mississippi-Querung zu erinnern: Als Ende der 90er Jahre die Freizeitgesellschaft immer mehr Menschen an die frische Luft drängte, konnte die Old Chain Rock Bridge wiedereröffnet werden.
Fußgänger und Radfahrer
Abermals waren es private Gelder, mit deren Hilfe das Bauwerk restauriert wurde. Doch war es einst die Liebe zum Automobil, welche die Brücke notwendig gemacht hatte, so steht diese nun für das wachsende Bedürfnis Amerikas, unmotorisiert unterwegs zu sein. Die Brücke nämlich ist heute ausschließlich Fußgängern und Radfahrern vorbehalten.

Blick über das braune Wasser des Mississippi vom Gateway Arch in St. Louis
Informationen zur Old Chain of Rocks Bridge
Die Brücke (GPS: 38.75981, -90.17525) verbindet Illinois und Missouri in ungefähr 500 Metern Abstand zum Interstate 270. Die Brücke ist allerdings nicht nur ein historisches Monument, sondern ihre Existenz sagt auch in der Gegenwart einiges über die USA aus. So ist der eigens für Besucher angelegte Parkplatz am Westufer neuerdings abgesperrt, weil Drogendealer und Straßengangs Gefallen am Ambiente der Brücke gefunden hatten.
Auch meldet die Polizei immer mehr aufgebrochene Autos. Am Ostufer hat man den Parkplatz verkleinert. Beides heißt nicht notwendigerweise, dass ein Besuch gefährlich wäre, doch sollte man sich darüber im Klaren sein.
Allgemeine Informationen zur Freizeitnutzung und Updates zur Sicherheitslage findest du hier.
Weitere Attraktion in der Nähe
Cahokia Mounds: Etwa 20 Kilometer südöstlich der Chain of Rocks Bridge befinden sich historische Stätten, die nichts mit der Route 66 zu tun haben, dafür aber ungleich weiter zurückreichen. Cahokia war die größte präkolumbische Stadt nördlich von Mexiko, hier lebten von etwa 700 bis 1400 n. Chr. bis zu 20 000 Menschen. Die Cahokia Mounds sind rund von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang geöffnet, der Eintritt ist kostenlos. Spenden hingegen sind willkommen.
Die Route 66 auf Boarding Completed
Dies ist Nummer 13 von insgesamt 66 Geschichten über die Route 66 auf Boarding Completed. Von Alton, der zwölften Station und dem Geburtsort von Miles Davis, sind rund 23 Kilometer bis zur Old Chain of Rocks Bridge. Bis nach Saint Louis, wo mehrere Geschichten spielen, beträgt die Distanz rund 25 Kilometer. Der Weg führt im Wesentlichen am Ostufer des Mississippi in Richtung Süden.
Text: Ralf Johnen, April 2025. Bilder: Ralf Johnen und Pixabay (1).
2 Comments
Sehr interessanter Beitrag und beeindruckende Bilder
Oh, vielen Dank! Deine Seite sieht auch gut aus…