Skifahren in Alberta ist ein unvergessliches Erlebnis. Der Schnee in den kanadischen Rockies ist leicht, fluffig und so zartrosa, dass ihn die Einheimischen als Champagne Powder bezeichnen.
»This is my office«, sagt Ed mit ausgebreiteten Armen. Recht feierlich klingt er bei der Präsentation seiner Wirkungsstätte. Was daran liegen mag, dass er seine Worte nicht etwa in einem grauen Industriegebiet ausspricht, sondern auf Mount Whitehorn, dem höchsten Berg im Skigebiet von Lake Louise. An diesem Vormittag ist es recht kalt in Eds Büro: Minus 22 Grad Celsius zeigt das Thermometer an, während sich die Sonne träge über den Gipfeln der Rocky Mountains emporhebt. Doch nach 20 Jahren in der kanadischen Army freut sich Ed auch unter diesen Umständen wie ein Schneekönig über sein noch junges zweites Leben als Skilehrer. Er hat das Skifahren in Alberta zu seinem Beruf gemacht – und er erfreut sich jeden Tag am Champagne Powder.
Skifahren in Alberta: Champagne Powder und unberührte Landschaften
Das beschert ihm Tag für Tag die Auswahl aus 139 makellos präparierten Pisten. Und, wie der weit gereiste Extremsportler zwecks Abgrenzung von europäischen Skigebieten hinzufügt, das Gefühl, in weitgehend unberührten Landschaften unterwegs zu sein. Schließlich liegt Lake Louise im Nationalpark Banff, den die Leute vor Ort nicht ohne Stolz als »Canada’s protected playground« bezeichnen.
Und auf Kanadas geschützter Spielwiese werden Bäume nicht wahllos abgeholzt und es werden keine Bettenburgen errichtet. Wo von Menschenhand errichtete Bauten aus lackiertem Holz bestehen. Und wo der Schnee laut Ed anders ist, als in den Alpen: pulvrig und champagnerfarben.
Nächtliche Wanderung durch den Maligne Canyon
Am anderen des legendären Icefield Parkway befindet sich in rund 250 Kilometern Entfernung das Büro von Murray. Hier, ein paar Minuten außerhalb von Jasper, ist es nicht nur kalt, sondern auch noch stockfinster. Murray nämlich verbringt sein Berufsleben überwiegend im Maligne Canyon. Eine Schlucht, in der zivilisationsmüde Städter neue Kicks bekommen.
Bevor er – am liebsten in sehr frostigen Nächten – das Zeichen zum Aufbruch gibt, staffiert er sein Gefolge mit Gummistiefeln und Gamaschen mit Spikesohle aus. Danach weist Murray zur Einstimmung auf die Sternenbilder, die hier in der Wildnis so hell und so nah erscheinen. Nun erhalten seine Mitwanderer noch eine Kopfleuchte; eine willkommene Hilfe für den bevorstehenden Anstieg, der gut zwei Kilometer durch tiefen Schnee führt.
Es ist so kalt in Alberta, dass ein Wasserfall gefriert
Oben angekommen, beginnt der abenteuerliche Teil der Exkursion. Murray schlüpft durch ein Geländer, um einen felsigen Abstieg hinunter zu einer zugefrorenen Wasserfläche zu beginnen. Obwohl es auch hier kälter als minus 20 Grad kalt ist, fühlt sich das Eis an einigen Stellen eher wie ein Sorbet an. An der Oberfläche treten die Nachtwanderer immer wieder in Pfützen. Doch die sind keineswegs die einzigen Hindernisse. Zielstrebig weicht Murray umgefallenen Baumstämmen aus, führt seine Kunden an unwägbaren Stellen vorbei und erreicht schließlich den engsten Teil der Schlucht.
Hier hat die Natur als Apotheose einen Wasserfall schockgefrostet. Und eine Gefahrenstelle eingebaut, die von Individualisten unterschätzt wird. In unweiter Entfernung nämlich befindet sich der andere Zugang zum Canyon. Dahinter aber klafft ein Loch in der Eisfläche. Drei Meter geht es hier herunter, erklärt Murray. »Wer hineinfällt, hat keine Chance, wieder herauszukommen.« Nach zweieinhalb Stunden ist der Parkplatz wieder erreicht. Und das unsichere Gefühl, einem einzigen, und noch dazu völlig fremden Menschen ausgeliefert zu sein, weicht langsam der Genugtuung, ein ungewöhnliches Abenteuer bestanden zu haben.
Trainingslager im Jasper National Park
Auch Nils Hansen ist vorübergehend im abgelegenen Jasper zu Hause. Dem Berliner allerdings läge nichts ferner, als die Rockies als sein Büro zu bezeichnen. Schließlich hat er sich den Ort im gleichnamigen Nationalpark ausgesucht, um hier für ein Jährchen die Schulbank zu drücken. So zumindest lautet die offizielle Version.
Im Sessellift, der hinauf nach Marmot Basin führt, aber macht der 18-Jährige keinen Hehl daraus, dass auch er eigentlich zum Skifahren nach Alberta gekommen ist. Jede freie Minute verbringt er am Berg, auf dem stets allenfalls mäßiger Betrieb herrscht. »Am liebsten«, meint Nils, »trainiere ich mit dem Trick-Ski-Team«. Doch auch sonst sei jeder Tag anders, als beim Skifahren in Europa.
Ice Magic Festival am Lake Louise
Zurück zum Lake Louise, dessen Ufer sich zwischenzeitlich in ein Atelier verwandelt haben. 36 dick vermummte Gestalten gehen hier einer eigenwilligen Kunstdisziplin nach. Noch vor Sonnenaufgang präparieren sie bei mittlerweile minus 31 Grad einige Kubikmeter Eis, die sie in der Hoffnung auf Ruhm und Ehre beim Internationalen Ice Magic Festival ins Rennen schicken. Mit Kettensägen verleihen sie ihren Skulpturen erste Konturen, mit Meißeln wird die grobe Arbeit vollendet, ehe sie mit Feilen und anderen Filigranwerkzeugen den Feinschliff anlegen.
So entsteht ein Eiszoo, der von tiefgefrorenen Dinosauriern, Bisons und Kanadagänsen bevölkert wird. Für die einen Besucher Ausdruck handwerklicher Präzision, Wetterfestigkeit und einer seltsamen Liebe zum Winter. Für die anderen surreal anmutende Stoßseufzer, die schon bald der Vergänglichkeit anheim fallen. Der Hauptpreis geht diesmal an das Team »Carveamus Prime« in die USA.
Fairmont Banff Springs: Wo die Stars sich die Klinke in die Hand geben
Bei so vielen kältekompatiblen Vergnügen scheint es eine regelrechte Strafe, mit einem richtigen Büro vorliebnehmen zu müssen. Doch Dave erträgt dieses Schicksal mit sichtbarem Vergnügen. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet er im Fairmont Banff Springs, einer der großen Hotel-Ikonen Nordamerikas. Einst vom Vizepräsidenten der Canadian Pacific Railroad erdacht, eröffnet der trutzige Bau seit 1888 einen formidablen Ausblick auf die Winterlandschaft mit ihren starr gewordenen Flüssen und schneebedeckten Gipfeln.
Seit seiner Eröffnung gehört das ehrwürdige Hotel zu den Pflichtstationen für Zelebritäten aus aller Welt. Zu den illustren Gästen gehörten unter anderem Alfred Hitchcock und Marilyn Monroe. Wie Dave im Banffshire Club Restaurant bei Hirschfilet im Ingwermantel preisgibt, hat auch er während seiner vier Jahrzehnte im Fairmont Kontakt zu allerlei Berühmtheiten gehabt. Etwa zum notorisch finster dreinblickenden Lee Marvin, den er zum Golfplatz und zur Bar eskortierte. Oder zu Catherine Zeta-Jones und Michael Douglas, dem er zu berichten wusste, dass er bereits Vater Kirk und Sophia Loren zu ihren Gemächern geführt hatte.
Nur in Alberta: Champagne Powder auf der Piste
Der Charme des Fairmont Banff Springs ist trotz seiner illustren Gästeliste nicht der Elite vorbehalten. In der Wintersaison dient das Hotel als mondäne, aber nicht unerschwingliche Ausgangsstation zum großen Skigebiet Banffs. Sunshine Village ist wieder so ein Flecken, den Skilehrer und andere privilegierte Angestellte gerne als Büro bezeichnen. Besucher des herrlichen Skigebiets verschlägt es angesichts der Vorzüge Albertas (hier geht es meiner Geschichte über die Zugfahrt im Rocky Mountaineer) nicht selten die Sprache. Abends am Kamin schwärmen sie dann ungehemmt von Champagne Powder, klarer Luft und den angenehm leeren Pisten.
Informationen zum Skifahren in Alberta
Allgemeine Informationen auf der deutschsprachigen Webseite der Canadian Tourism Commission. Über Alberta informiert die englischsprachige Webseite der Provinz. Auch die Region Banff/Lake Louise unterhält eine gute Webseite.
Anreise zum Champagen Powder in Kanada
Täglich nonstop mit Air Canada oder Lufthansa nach Calgary, weiter per Mietwagen oder Bus. Der Flug kostet je nach Saison um die 1000 Euro.
Ideale Unterkünfte zum Skifahren in Alberta
Wer es sich gut gehen lassen möchte, kann die Übernachtungen in den drei Fairmont Hotels Albertas buchen. Für das Skigebiet Sunshine Village Banff, das für seinen Champagne Powder bekannt ist, bietet sich das Fairmont Banff Springs an. Wenn du dir das Skigebiet Lake Louise aussuchst, drängt sich das Fairmont Chateau Lake Louise auf. Für das Skigebiet Marmot Basin und die Wanderung durch den Maligne Canyon kommt die Fairmont Jasper Park Lodge in Frage. Die Übernachtung im Doppelzimmer für zwei Personen je nach Saison und Hotel zwischen 180 und 300 kanadischen Dollar.
Die Teilnahme an der Eiswanderung durch den Maligne Canyon kostet 69 kanadische Dollar (https://www.banffjaspercollection.com/canadian-rockies/jasper/maligne-canyon-icewalks/).
Das Ice Magic Festival in Lake Louise findet in der zweiten Januarhälfte statt.
Text und Bilder zur Geschichte über das Skifahren in Alberta: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Januar 2022. Der Autor war auf Einladung des kanadischen Tourismusbüros vor Ort.
Leave A Reply