In Tennessee muss niemand auf den Weihnachtsmann warten. Im Inn at Christmas Place kommt das Christkind 365 Tage im Jahr. Ein Besuch im Weihnachtshotel in Pigeon Forge.
Da ist er also zu Hause, der Weihnachtsmann. Nicht am Nordpol wie es ihm in den USA nachgesagt wir. Nicht in Lappland, wie es die meisten Europäer ihren Kindern erzählen. Und auch nicht in Grönland, so die dänische Version über das mutmaßliche Domizil des großen Geschenkebringers. Nein Santa Claus, die amerikanische Version des Mannes mit dem roten Mantel und dem weißen Rauschebart, muss irgendwo in Tennessee wohnen (oder zumindest eine Residenz haben), alles andere grenzte an Gaukelei.
Das Weihnachtshotel in Pigeon Forge: ein eigener Santa
Denn wie sonst könnte er den Hotelgästen in Pigeon Forge täglich zum Frühstück die Hand schütteln? Oder zur regelmäßigen Bespaßung auftauchen: „Wir haben unseren eigenen Santa“, bestätigt Jan Trentham, im Hotel für die Pressearbeit zuständig. „Zwei Mal in der Woche gibt er Konzerte, spielt Gitarre und singt dazu.“
Überhaupt ist Santa und alles, was er im Schlepptau hat, präsent in der Herberge mit ihren 145 Zimmern für rund 350 Gäste, um die sich neben dem Bärtigen auch noch eine 90-köpfige Crew kümmert. Allerorten auf allen Stockwerken wacht Santa, auch wenn es nur kleine oder menschengroße Figuren sind, deren Blicke einen selbst durch die schließende Aufzugstür verfolgen.
Pigeon Forge in Tennessee: Zu Kitsch erstarrte Rentiere
Girlanden und Tannenkränze schmücken Decken und Wände, Gestecke die Badezimmer. Omnipräsent sind zu Kitsch erstarrte Rentiere, Schäfchen, heilige Könige. Die Presidential Suite für 399 Dollar die Nacht ist mit zwei eigenen Weihnachtsbäumen ausgestattet, die günstigeren Zimmer ab 79 Dollar immerhin mit reichlich Tannenzeug.
„Unser überragendes Designteam sorgt dafür, dass stets frische Dekoration alle Räume verziert“, sagt Mary, die in der Hotelverwaltung arbeitet. Und wem’s gefalle, klar, der könne die gleichen Kränze, Gestecke und Girlanden käuflich erwerben: „Gleich gegenüber auf der anderen Seite der Straße in unserem ‚Incredible Christmas Place’.“
Ab in den Incredible Christmas Store
In diesem unglaublichen Laden, so zu sagen dem Outlet für Besinnlichkeitsklimbim und anderem Kram, kann alles erstanden werden, was irgendwie nach Zimt, Glühwein und gebrannten Mandeln riecht: Zapfen, rote Socken, Lichterketten und Figuren von Sängern, Predigern, Jesusbabys, Kamelen, Schafen nebst Krippen. Und Weihnachtsbäume aus Kunststoff – auch in der Version „upside down“, mit der Spitze nach unten.
Santa himself ist als Figur in allen Varianten, Posen und Größen zu haben: Er tanzt als Mr. Claus mit der ebenfalls rotummantelten Mrs. Claus, er gibt als „Santa Barbecuing“ mit Flip-Flops und Schürze den Grillmeister, fährt selbstredend Schlitten und kniet vor dem Jesuskinde. Was er im Hotel zum besten gibt, kann auf CDs erworben werden. „Hier finden Sie alles, um ihr Zuhause in ein Weihnachtwunderland zu verwandeln“, so ein Werbetext.
Der Gipfel der Kommerzialisierung des Heiligen Nikolaus
Seit 200 Jahren ist der Weihnachtsmann oder eben die US-Version Symbol des weihnachtlichen Schenkens. Und damit begann der Kommerz, der in Herberge und Shop eine Art Vollendung gefunden hat. Der Beginn der Kommerzialisierung des heiligen Nikolaus von Myra, auf dessen Legende auch Santa Claus historisch zurückverfolgt wird, begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, schreibt der britische Journalist Jeremy Seal in seinem Buch „Nicholas: The Epic Journey from Saint to Santa Claus“, in dem er dem Phänomen Weihnachtsmann und der Erosion des Heiligen auf den Grund geht.
Zu der Zeit formierten sich Schlitten, Rentiere und Glocken um den Heiligen. „Man kann Verständnis dafür aufbringen, aber es ist eine Korrumpierung dessen, was eigentlich mit ihm verbunden war. Im Mittelalter war er ein reines Symbol der Barmherzigkeit. Heute ist er eine absonderliche Mischung aus dieser Barmherzigkeit und zügellosem Kommerz“, sagte Seal in einem Interview nach der Veröffentlichung seines Buches vor einigen Jahren.
Wenn ich immer Weihnachten feiere, ist es völlig sinnentleert
Adelheid Utters-Adam vom Erzbischöflichen Ordinariat München formuliert es so: Bei Santa Claus, dem Werbeträger der Coca-Cola-Industrie, gehe es schon lange nicht mehr um religiöse Inhalte. Ebenso klar ist ihre Meinung zum Hotelkonzept: „Wenn ich immer Weihnachten feiere, ist es völlig sinnentleert und ohne Bezug zu den wirklichen Hintergründen.“ Diese könnten im Alten Testament im Buch Kohelet 3, 1 – 8 nachgelesen werden: „Dort steht: Alles hat seine Stunde.“
Indes erklingt in der Hotellobby „We wish you a merry Christmas“, sommers wie winters. Was da klimpert und noch andere Weihnachtsweisen auf dem Kasten hat, ist „der größte Stolz“ des Hauses: das zweistimmige Glockenspiel. „14 Glocken und eine automatische Orgel läuten jede Stunde mit einem Weihnachtslied ein“, sagt Mary: „Das Glockenspiel begeistert Kinder jeden Alters!“
Die Geschäfte laufen gut im Weihnachtshotel in Pigeon Forge
Im „Inn at Christmas Place“ ist Around-the-clock-Weihnachtsstimmung auch lukrativ. „Seit unserer Eröffnung im Juni 2007 läuft das Geschäft sehr gut“, meint PR-Frau Trentham und verortet den Erfolg emotional in der Erkenntnis: „Weihnachten ist Magie!“ und betriebswirtschaftlich in der „Belastbarkeit des Weihnachtsthemas“. Menschen, die die Besinnlichkeit liebten, hätten nichts dagegen, sich auch im Juni in Stimmung zu bringen.
Bis zum 23. Dezember sieht das Programm Gesang und die Verlesung von Psalmen im Akkord vor, während Santa zu Cornflakes und Pancakes weiter kräftig die Hände schüttelt. Aber dann ist erst einmal Schluss: „Wir haben kein Programm am Christmas Eve und Santa ist außer Haus, um all den lieben Mädchen und Jungs Geschenke zu bringen“, räumt Trentham ein und erklärt: „Wir wollen so vielen unserer Mitarbeitern wie möglich frei geben, damit sie zu Hause bei ihrem Familien sein können.“ Ab dem 26. ist dann wieder volles Lebkuchenhaus angesagt. Erst in Januar und Februar geht den Weihnachtshungrigen ein wenig die Luft aus. Trentham: „Das sind unsere schwächsten Monate.“ Will heißen: Ab März weihnachtet es dann schon wieder mehr.
Auch das Weihnachtspostamt hat immer geöffnet
Immer geöffnet hat übrigens auch das Weihnachtspostamt des Vier-Sterne-Inns. Seit der Hoteleröffnung haben tausende Kinder Santa ihre Briefe geschrieben und in den Kasten in der Lobby gesteckt. „Dear Santa,“, schreibt ein Mädchen, “es wird weihnachtlich, ich wünsche den armen und waisen Kindern eine Familie und ein tolles Weihnachten, und dass sie viel Spielzeug geschenkt bekommen. Merry Christmas Santa!“
Nur ein Wunsch dürfte fast nie in Erfüllung gehen – der nach Weißer Weihnacht. Auch wenn sich Betreiber-Familie Biggs für die Totalität der Besinnlichkeit ins Zeug legt, konnte sie bislang keinen Vertrag mit dem Wettergott aushandeln. Und so fällt der Schnee nur selten dort im Osten von Tennessee. Und wenn, dann schmilzt er dahin, bevor er weiße Pracht genannt werden könnte.
Informationen zum Weihnachtshotel in Pigeon Forge
Normale Zimmer mit bequemen Betten kosten je nach Saison zwischen 100 und 200 $. Schau für Buchungen und aktuelle Preise auf die Webseite des Hotels.
Text und Bilder zur Geschichte: Stefan Weissenborn, zuletzt aktualisiert im September 2021.
Comment
…na dann : Frohe Weihnachten……welch ein wunderbares Land der krassen Gegensätze ! Wieder ein Beitrag, der meinen Wissensstand und mein Verständnis für gegenwärtige und vergangene Vorgänge in / mit den USA erweitert. Manni.