Chur ist die älteste Stadt der Schweiz. Den meisten Touristen ist die Hauptstadt des Kantons Graubünden als prominenter Halt des Glacier Express bekannt. Doch auch ein Citytrip nach Chur lohnt sich.
Als wir mit dem Zug in Chur einrollen, schlägt die Kirchturmuhr der St. Martinskirche 1 Uhr. Sie ist nach der Uhr von St. Peter in Zürich die zweitgrößte der Schweiz und weithin sichtbar. Man hat hier also allzeit die Zeit im Blick. Folglich sind wir nach einer kurzen, aber geruhsamen Nacht im Traditionshotel Stern überpünktlich vor der Tür, um Verena Gruber zu treffen. Die Schweizerin wird uns bei unserem Citytrip nach Chur durch ihre Heimatstadt führen und neben den Sehenswürdigkeiten auch einige Eigenheiten enthüllen, welche die 40 000-Einwohnerstadt prägen.
Citytrip nach Chur: ein autofreies Zentrum
Dass das historische Zentrum autofrei ist, bedeutet heutzutage natürlich kein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings trug Chur gleich schon zu Beginn des motorisierten Verkehrs das Label »autofreie Stadt«. Von 1900 bis 1925 waren motorisierte Vehikel im gesamten Kanton Graubünden und damit auch in dessen Hauptstadt Chur verboten. Die stinkenden Automobile seien gefährlich und würden mit ihrem Lärm die Pferde der Kutschen rasend machen, berichtet Gruber und hält schmunzelnd ein historisches Protestplakat hoch.
Freilich wurde das Autoverbot später aufgehoben, man wollte doch nicht allzu konservativ wirken und sich dem Fortschritt nicht verstellen. Nun sind wir wieder fast da angekommen, wo wir nach der Jahrhundertwende waren – und genießen es, unbehelligt von Abgasen und Lärm durch die Altstadt zu schlendern.
Ein Hostel im ehemaligen Gefängnis
Erstmal geht es steil bergauf, zum Bischöflichen Hof und der Kathedrale, die über der Altstadt thronen. Auf dem Weg passieren wir – mitten in der Innenstadt – das ehemalige Gefängnis. Gruber erzählt, wie die Anwohner früher von der Polizei aufgerufen wurden, ihre Türen zu verschließen, wenn wieder ein Knastbruder ausgebrochen war.
Heute müssen sich die Einheimischen nicht mehr fürchten. Die Haftanstalt ist inzwischen ein hippes Hostel in dem Backpacker ein- und ausgehen.
Die Kathedrale thront über der Churer Altstadt
Wir schnaufen weiter bergauf und staunen nicht nur darüber, dass unsere Begleitung kaum aus der Puste ist, sondern beim Gehen auch noch in drei Sprachen parlieren kann. Neben Deutsch sind Rätoromanisch und Italienisch Amtssprachen. Oben angekommen begeben wir uns in die Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt.
Das über 800 Jahre alte Gotteshaus ist von außen recht unscheinbar, weist aber innen eine architektonische Besonderheit auf. Das Kirchenschiff ist schräg gebaut, der Chor biegt sich vom Eingangsportal aus gesehen leicht zur Seite. Man nimmt an, dass diese Eigenheit in dem felsigen Untergrund begründet liegt. Oder aber darin, dass die Kathedrale auf einer früheren Kirche errichtet wurde und man ihren Grundriss an die bestehenden Strukturen anpassen musste.
Alles in Butter beim Citytrip nach Chur
Über den prächtigen spätgotischen Hochaltar des Ravensburgers Jakob Russ aus dem Jahre 1492 könnten wir an dieser Stelle genauso ausführlich schwärmen wie unsere Stadtführerin. Aber wir möchten ja noch mehr von Chur entdecken. Bevor wir die Kirche verlassen, klärt Gruber uns noch über den Ursprung des Bonmots »Alles in Butter« auf.
Die wertvollen Kirchenfenster wurden im späten Mittelalter zum Transport in Butter gelegt – und überstanden so unbeschadet auch weite Reisen in ruckeligem Gefährt.
Eigene Maßeinheit für die älteste Stadt der Schweiz
Wir schlendern wieder zurück hinunter ins Zentrum und stolpern geradezu über zwei weitere Eigenheiten des Städtchens. An einem Haus ist eine unscheinbare Eisenstange in die Mauer eingelassen, das offizielle Maß für den Churer Fuß. Man gönnte sich nämlich bis zum 19. Jahrhundert eine eigene Maßeinheit, den Churer Fuß, was etwa 30 Zentimetern entspricht.
Bis zur Einführung des metrischen Systems hatten viele Orte in der Schweiz ihre eigene Maßeinheit – was zu Wirrwarr und auch Betrügereien führte. Chur als tonangebende Stadt gab durch diese eigene Maßeinheit Orientierung auch für andere Orte.
Ein Gläschen Schiller
Für ein kurzes Päuschen entscheiden wir uns, nicht auf das Quellwasser zurückzugreifen, das aus diversen Brunnen in der Altstadt sprudelt, sondern in die Hofkellerei von Chur einzukehren. In der urigen Gaststätte klärt uns Gruber über eine weitere, nennen wir es Schrulligkeit, ihres Heimatortes auf.
Man gönnte sich nämlich hier nicht nur eine eigene Maßeinheit, sondern produziert bis heute auch noch einen eigenen Wein. Schiller ist eine Komposition aus Pinot Noir- und Pinot Gris-Trauben, die auf demselben Reb-Bett angebaut werden. Heraus kommt ein frischer Rosé mit einer Johannisbeer-Note.
Beeindruckendes Bündner Kunstmuseum
Beschwingt vom Schiller bummeln wir beim Citytrip durch Chur weiter zum Marktplatz. Hier bieten an Samstagen von Mai bis Oktober die Händler beim Wochenmarkt ihre regionalen Produkte feil. Ein fröhliches Durcheinander von Einheimischen und Touristen. Uns lockt allerdings vorerst geistige Kost und hierfür versprechen wir uns im Bündner Kunstmuseum Sättigung.
Es ist ein auffallendes Bauwerk. Es besteht aus einem modernen, vom spanischen Büro Barozzi/Veiga entworfenen Kubus mit rasterförmigen Fassade. Dieser ist mit der alten Villa verbunden, die ursprünglich mal die Sammlung beherbergte. Ist schon das Gebäude allein und im Kontrast mit dem historischen Bau beeindruckend, lässt uns die Sammlung noch mehr staunen.
Giacometti allerorten
An erster Stelle ist hier der Name Giacometti zu nennen. Die aus dem Bergell stammende Künstlerfamilie ist besonders durch Alberto (1902-1966) und dessen langgestreckte Skulpturen berühmt geworden. Aber auch Albertos Vater Giovanni und Bruder Diego sowie der entfernt verwandte Augusto sind mit ihren Werken im Bündner Kunstmuseum vertreten. Letzterer gestaltete übrigens auch die Fenster in der Churer Kirche St. Martin.
Expressionismus im Bündner Kunstmuseum
Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bildet der Expressionismus. Mit dem Deutschen Ernst Ludwig Kirchner, der von 1917 bis 1938 im nahen Davos lebte, beherbergt das Kunsthaus in Chur einen der wichtigsten Vertreter dieser Gattung. Aber selbst unbekanntere Expressionisten begeistern mit ihren lichtdurchfluteten, farbenfrohen Bergpanoramen.
Und nicht zuletzt wird in dem Kunstmuseum der in Chur geborenen Künstlerin Angelika Kauffmann (1741-1807) gehuldigt. Von ihrer Heimatstadt aus wurde die neoklassizistische Malerin in ganz Europa bekannt, vor allem für ihre Gemälde mit historischen Motiven, aber auch als Porträtmalerin machte sie sich einen Namen.
Citytrip nach Chur: Käsefondue zum Abschluss
Nach der geistigen Stärkung im Museum und dem langen Stadtrundgang durch Chur haben wir uns das Abendessen redlich verdient. Und was könnte den Tag besser abrunden als ein echtes Schweizer Käsefondue? Wir begeben uns zu einem Laden namens Gust, wo uns Daniel Schwarz ein fröhliches »Grüezi« entgegenruft.
Der Informatiker hat sein Hobby zum Beruf gemacht und verkauft nun in seinem Geschäft als diplomierter Wein- und Käsesommelier feine Molkereiprodukte sowie regionale Tropfen. Wenn er nicht grade hinter der Ladentheke steht oder bei kulinarischen Touren durch Chur führt, bewirtet er an ein paar Tischen Gäste mit seinen festen und flüssigen Spezialitäten. Das Fondue mit selbstkomponierter Gewürzmischung und den begleitenden Weinen mundet vorzüglich.
Ein Promi im Frühstückssaal
Und so bummeln wir zurück zum Hotel Stern, wo wir nach einer geruhsamen Nacht beim Frühstück den deutschen Fußballlehrer Roger Schmidt erkennen. Wir fragen uns, ob er in geheimer Trainermission in der ältesten Stadt der Schweiz unterwegs ist. Oder wird er mit dem Glacier-Express ab dem Churer Bahnhof nach Zermatt fahren?
Unabhängig von der Antwort steht eines fest: Ob mit oder ohne Promis, der berühmte Zug wird auf die Minute pünktlich abfahren. Und wir werden mit an Bord sein, mit den besten Eindrücken von Chur, wo die Uhren sehr gemächlich ticken.
Informationen zum Citytrip nach Chur
Chur ist die Hauptstadt des Schweizer Kantons Graubünden. Die älteste Stadt der Schweiz zählt heute knapp 40 000 Einwohner. Ein Citytrip nach Chur ist von Deutschland aus denkbar einfach. Die Stadt ist mit Umstieg in Basel und/oder Zürich an das Bahnnetz angeschlossen und von Deutschland aus im Stundentakt erreichbar.
Chur ist ein prominenter Haltepunkt des legendären Glacier Express. Die legendäre Bahnlinie mit ihren Panoramawagen verbindet Chur mit St. Moritz und Zermatt. In der Hochsaison verkehrt der Zug drei Mal täglich.
Essen und trinken in Chur
Dank seiner historischen Innenstadt und den umliegenden Bergen ist Chur ein perfektes Reiseziel für einen Citytrip. Die Stadt ist leicht zu erlaufen – und sie besitzt vorzügliche Lokale. Rüblikuchen und Café Schümli haben wir im hippen Café Klatsch zu uns genommen. Den Aperitif haben wir in der Werkstatt zu uns genommen, wo Chur wie Berlin wirkt.
Das Käsefondue gab es im Gust und ein finales Gläschen Schiller in den geschichtsträchtigen Gemäuern des Restaurants Hofkellerei (hofkellerei.ch).
Übernachten in Chur
Wir haben im Hotel Stern genächtigt, das so rustikal und gemütlich ist, wie es nur Alpenhotels sein können.
Preisniveau in Graubünden
Für ein gehobenes Hotel in Chur sollte man in der Nebensaison zwischen 150 und 200 Schweizer Franken pro Nacht einkalkulieren. Das Hotel Stern ist das erste Haus am Platze und liegt preislich noch etwas drüber. Die Mahlzeiten und Getränke entsprechen schon eher einem Niveau, dass man auch aus Deutschland gewöhnt ist.
Text: Frida van Dongen, Bilder: Ralf Johnen. Die Geschichte in Kooperation mit Switzerland Tourism und Chur Tourismus entstanden.
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