Die Cadillac Ranch ist zu einer amerikanischen Ikone aufgestiegen. Sie hat viele Nachahmer gefunden. Doch die Granden der Popkultur haben sich nur mit dem Original bei Amarillo in Texas beschäftigt, weshalb der Besuch Pflicht ist (Episode 38/66 über die Route 66).

Wallfahrtsort für Biker: die Cadillac Ranch bei der Route 66 in Texas
Wer sich wundert, warum Spraydosen in Amarillo populärer als andernorts sind, muss ein wenig über die Stadtgrenzen hinausschauen. Denn nachdem es dem Palo Duro Canyon vorbehalten war, einen Vorgeschmack auf den Canyon aller Canyons zu leisten, wartet kurz hinter Amarillo die Mutter aller autobezogenen Kunstwerke: die Cadillac Ranch. Eine aus zehn Cadillacs bestehende Installation, die mit ihrem Bug bis zur Hälfte in einer Linie und identischem Winkel in den Boden gerammt sind.
Die Cadillac Ranch bei Amarillo: viele Interpretationen
Auf freiem Feld, als hätten sie an einem zum Scheitern verurteilten Flugwettbewerb teilgenommen. Oder als wäre ein LSD-Trip der Fahrzeughalter aus dem Ruder gelaufen. An weiteren Interpretationsversuchen mangelt es nicht. Populär etwa ist die Sichtweise, dass die mit Heckflossen ausgestatteten Automobile bewusst in demselben Winkel im Boden verankert wurden, den auch die Gemäuer der Pyramide von Gizeh ausweisen.

Der Besuch der Cadillac Ranch wird nur selten zur Schlammschlacht
Doch obwohl das Ensemble mittlerweile so viele Nachahmer auf den Plan gerufen hat, dass jeder Versuch eines Überblicks unvollständig bleibt, genießt das Original unverändert den Status eines Aushängeschilds. Dabei ist die Cadillac Ranch gleichermaßen ein Fanal der Pop-Art wie auch ein Ausrufezeichen jener genreübergreifenden Kunstform, die als Americana eine weltweite Anhängerschaft besitzt.

Auch in der Pfütze ansehnlich: die Cadillac Ranch
Die Cadillac Ranch ist ein Produkt der wilden 1970er
Erschaffen haben die Installation im Jahre 1974 Chip Lord, Hudson Marquez und Doug Michels. Die Drei hatten sich in einem Kollektiv namens Ant Farm zusammengetan. Für ihre bekannteste Arbeit haben sie verschiedene Cadillac-Modelle aus den Jahren 1948 bis 1963 verwendet, die vom funktionsfähigen Fahrzeug bis hin zum Status eines Wracks unterschiedlich stark ausgeprägte Verschleißspuren aufwiesen.
Jeder, der in der zweiten Hälfte der wilden 1970er Jahren den Weg nach Westen auf sich nahm, kam an der Installation vorbei. So dauerte es nicht lange, bis das Ensemble seinen Weg in die Popkultur gefunden hat.

Dank der Spraydose ist die Cadillac Ranch auch ein Ort der Veränglichkeit
Maßgeblichen Anteil daran hatte zuerst Bruce Springsteen, der für sein weithin geschätztes Album »The River« einen Titel mit dem Namen »Cadillac Ranch« aufgenommen hat. Voller Inbrunst singt er von seinem Eindruck, am Straßenrand etwas mit den Umrissen eines Dinosauriers gesehen zu haben, um bald darauf mit James Dean und Burt Reynolds betont maskuline amerikanische Helden ins Spiel zu bringen.
Die Nitty Gritty Dirt Band coverte den Song später. Danach hinterlegte Neil Young auf dem Cover seines Albums »On the Beach« eine kleine Referenz. Bei ihrer einzigen US-Tournee ist selbst den britischen Sex Pistols die Existenz der Cadillac Ranch nicht verborgen geblieben. Versteht sich von selbst, dass sich die Punks standesgemäß eher abfällig über das populäre Kunstwerk äußerten.
Spraydosen aus Amarillo
Seitdem sind viele Jahre verstrichen. Waren die Automobile anfangs noch nackt, so wurden sie alsbald als Projektionsfläche für persönlich eingefärbte Graffitis entdeckt. So gehört es heute für Reisende zum guten Ton, bei einem Zwischenstopp auf der Route 66 einen kleinen Beitrag zur Veränderung der Lackierung zu leisten. Mit Hilfe des Inhalts einer in Amarillo erworbenen Spraydose.

Gleicher Winkel wie die Pyramide: Besucher bei Amarillo
Mitte 2020 erschienen die zehn Wagen erstmals in komplett schwarzem Gewand. Grund war die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch weiße Polizisten. Dies hatte weltweit Proteste unter anderem in der Bewegung #blacklivesmatter hervorgerufen. Angesichts der vielfältigen Verwandlung wundert es vielleicht auch nicht, dass die Cadillacs nicht mehr an ihrem Originalstandort zu bewundern sind. 1997 wurden sie zwei Meilen in Richtung Westen verlagert und abermals verankert, weil die Stadt Amarillo so weit gewachsen war, dass die Ranch ihre Wirkung zu verlieren drohte.
Informationen zur Cadillac Ranch
Adresse: 13651 I-40 Frontage Road, 79124 Amarillo, 13 Kilometer westlich von Downtown, immer geöffnet, der Zutritt ist kostenlos. Abgesehen von einem Parkplatz ist keinerlei Infrastruktur vorhanden.

Spannung bis zum Jahr 2968: Die Helium Time Capsule
Attraktionen in der Nähe
Amarillo Botanical Gardens: Beliebte Anlage mit ortstypischer Flora. 1400 Streit Drive, Montag bis Samstag von 9 bis 17, Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 8 USD.
Helium Time Capsule: Eine Attraktion für Nerds. Diese 1968 in anlässlich des 100. Jahrestages der Entdeckung von Helium geschaffene Zeitkapsel enthält Botschaften für die Nachwelt. Die letzte öffnet sich im Jahre 2968. 1200-1348 Streit Drive, Amarillo.
Oliver Saddle Shop: Der durch Texas verlaufende Streckenabschnitt der Route 66 ist nicht lang. Wer Wert auf typisch texanische Erzeugnisse wie Gürtelschnallen legt, ist in diesem Laden richtig. 3016 Plains Boulevard, Amarillo, oliversaddle.com. Geöffnet Montag bis Freitag von 8 bis 17.30 Uhr.
Die Route 66
Für unsere Sammlung von 66 weithin unbekannten Geschichten über die Route 66 haben wir uns nicht nur auf der Mother Road selbst, sondern vor allem abseits des Wegesrandes umgesehen. Die Story über die Cadillac Ranch (38) allerdings ist ein Muss. Vom Big Texan Steak House (Nummer 37), fährst du rund 25 Kilometer bis zu den in den Boden gerammten Cadillacs. Bis nach Adrian, dem offiziellen Mittelpunkt der Route 66, sind es 64 Kilometer. Adrian ist zugleich die letzte Station in Texas.
Die Route 66 in Texas
In ganz Texas hat die Interstate 40 die Route 66 ohne Rücksicht auf Gefühle ersetz. Vor allem zwischen den Ortschaften sind auf den 299 Streckenkilometern kaum noch Anzeichen für ihre Existenz zu finden. In den Städten und Dörfern, die einst an der Strecke gelegen haben, sind die Relikte der Route 66 jedoch allgegenwärtig. Der ein oder andere Umweg also lohnt sich also.
Text und Bilder: Ralf Johnen, vollständig aktualisiert im April 2025.
3 Comments
..die sind wegen der hervorragenden journalistischen Arbeit mehr als verdient, weiter so, auch nach Weihnachten und Silvester, Manni.
…schönes Foto der Pyramide neben den Cadillacs ! Und wieder tiefe Einblicke in die Kunst- und Musikgeschichte der USA !! Congratulations ! Mani
Danke für die Blumen!