Das Art-déco-Juwel in Shamrock stand auf der »Bucket list« eines jeden Route-66-Fans, lange bevor es diesen Begriff gab. Nach mehreren Umwidmungen befinden sich darin heute neben einem Tourismusbüro auch einige Oldtimer. Besonders schön ist der Anblick der Ikone der Route 66 in Texas, wenn die Neonbeleuchtung aktiviert ist.
Nach dem eher stillen Oklahoma folgt mit Texas ein Kraftprotz von Bundesstaat. Annähernd 30 Millionen Einwohner. Eine Fläche fast doppelt so groß wie Deutschland. Dazu erstaunlich unterschiedliche Metropolen wie Houston, Dallas, Austin und San Antonio. Das ist die Basis für das ausgeprägtes Selbstbewusstsein des Lone Star State. Mittlerweile mögen die Milliardenerlöse der Öl- und Fleischindustrie in Wolkenkratzern mit Spiegelglasfassaden aufgegangen sein. Dennoch trägt man hier bis heute mit Stolz seine Cowboystiefel zum Einkaufen. Das siehst du natürlich auch an der Route 66 in Texas.
Die Route 66 in Texas führt durch den Norden des Lone Star State
Bezüglich der Route 66 (hier geht es zu meiner Geschichte über die Stockyards von Oklahoma City) allerdings gibt sich Texas ungewohnt bescheiden: Die Mother Road führt durch den weniger bekannten Norden und nur 186 Meilen oder 299 Kilometer der Originaltrasse befanden sich auf dem Territorium des nach Alaska zweitgrößten US-Bundesstaates. Erhebliche Anteile wurden kompromisslos durch die I-40 ersetzt. Dafür aber lässt die erste Attraktion nicht lange auf sich warten. Schon nach 15 Meilen grüßt Shamrock, ein im späten 19. Jahrhundert von irischen Einwanderern gegründetes Dorf, das im Jahr 1930 mit knapp 4000 Bewohnern einen bis heute gültige Rekordeinwohnerzahl erreicht hat.
Aufgrund der allgegenwärtigen Ölvorkommen saß das Geld auch in der ausklingenden Weltwirtschaftskriese locker. So konnte man ein aufsehenerregendes Bauwerk errichten, das die in Richtung New Mexico fahrenden Verkehrsteilnehmer zu einem Zwischenstopp ermutigen sollte. Es ist die berühmte Tower Station mit dem U-Drop Inn.
Ein Art-déco-Juwel in Shamrock
Der langgestreckte Art-déco-Bau fällt durch detailfreudige Ornamente und eine nicht weniger stilvolle Farbgestaltung auf. Überall dort, wo Autofahrer gelegentlichem Niederschlag und häufigem Sonnenschein ausgesetzt sind, werden sie durch Vordächer geschützt. Das auffälligste Merkmal aber ist der weithin sichtbare Rundturm mit einem vierkantigen Obelisken, auf dem eine Metalltulpe thront.
Das 1936 vollendete Bauwerk war ursprünglich für die Nutzung durch drei eigenständige Mieter geplant, die jeweils über eigene Eingänge verfügten: Eine Tankstelle (der Marke Conoco), ein Restaurant (das U-Drop-Inn Café, also umgangssprachlich: »Du-kommst-rein-Café«) sowie ein Geschäft mit Andenken, das jedoch bald von der populären Gaststätte übernommen wurde.
Das U-Drop-Inn in Shamrock: Vorlage für den Pixar-Film »Cars«
Das Konzept funktionierte bis in die späten 1970er Jahre blendend. Ganze Generationen von Nordtexanern schwärmen bis heute von den Hamburgern. Doch als die Route 66 (hier geht es zur Story über den Arcadia Round Barn) auch in diesem Teil der USA ausgedient hatte, hatte dies auch in Shamrock den unvermeidlichen Niedergang zur Folge. Kaum jemand passierte noch die Main Street – auch wenn der Publikumsmagnet von einst kaum mehr als 500 Meter von der Überholspur der I-40 entfernt ist.
Der einstige Vorzeigebau war auf einmal eine Last, die achtlos umgebaut wurde ehe 1997 niemand mehr eine Verwendung für ihn hatte und ein schleichender Verfall einsetzte. Immerhin war sich die Texas Historical Commission der Bedeutung des Bauwerks bewusst, was einen baldigen Eintrag auf der Liste nationaler Denkmäler zur Folge hatte. Die Stadt erwarb das Juwel und mithilfe öffentlicher Gelder konnte die traditionsreiche Tankstelle schon 2003 komplett restauriert wiedereröffnen. Seitdem ist der Ruhm nur weitergewachsen – nicht zuletzt, weil das Denkmal 2006 im Pixar-Film »Cars« als Kulisse diente.
Reiseblog über die Route 66
Auf Boarding Completed schreibe ich eine Serie von 66 Stücken über die Route 66. Dies ist ist Episode 36. Interesse an der vorherigen, einer skurrilen Geschichte aus Erick, Oklahoma? Dann klicke auf Episode 35.
Informationen zur Route 66 in Texas
Shamrock Visitor Information Center im Tower Station & U Drop Inn Café
Sehenswürdigkeit an der Route 66 in Texas. Der multifunktionale Bau wurde mittlerweile um eine Funktion erweitert: Seit 2017 gehört eine Tesla Supercharger Station zum Anwesen. Sicherlich eine interessante Option für einen Road Trip der Zukunft. 111 Route 66, Shamrock, TX 79079, Mo–Sa 10–17 Uhr
Restaurant
The Roost: Amerikanische Küche mit mexikanischen Einflüssen, mutmaßlich das Beste, was der Ort zu bieten hat. 117 East Railroad Avenue, Shamrock, TX 79079, tgl. ab 11 Uhr
Übernachten
Route 66 Inn Vintage-Motel an der alten Trasse mit modernisiertem Interieur und bequemen Betten zu kleinem Preis. 800 East 12th Street, Shamrock, TX 79079, Tel. (806) 256 3225.
Allgemein
Wer im März auf der Route 66 unterwegs ist, sollte den 17. des Monats für Shamrock bereithalten: Die irische Exklave ist berühmt für ihre Feierlichkeiten zum St. Patrick’s Day. Weitere Informationen zur Route 66 in Texas auf der Webseite des Tourismusbüros.
Text und Fotos: Ralf Johnen, November 2021. Der Reiseblog über die Route 66 wurde zum Teil von den Tourismusbüros der Route 66 unterstützt.
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