Der Königstag in Amsterdam ist die unumstritten größte Party der Niederlande. Und feiern können die Bewohner des kleinen Landes wie kaum eine andere Nation. Eine Einführung.
Es ist recht verwunderlich, dass ausgerechnet die Niederländer ihrem Königshaus so verbunden scheinen. Das Volk nämlich gilt als ausgesprochen nüchtern. Personenkult oder auch nur die Verehrung von Stars sind ihnen fremd. Doch bei genauerem Hinsehen ist es weniger eine Liebe zur Monarchie, die das Land auszeichnet. Vielmehr feiern die Bewohner der Niederlande sehr gerne. Zu keinem anderen Anlass wird das so deutlich, wie beim Königstag in Amsterdam.
Schlechte Umfragewerte fürs Königshaus
Gebührende Skepsis gegenüber den Royals und ein ausuferndes Fest zu Ehren König Willem Alexanders sind kein Widerspruch. Das belegen zwei Umfragen. So sind lediglich 52 Prozent der Niederländer der Meinung, dass die Konstitutionelle Monarchie die geeignete Staatsform ist. Außerdem erhält König Willem Alexander von den Bewohnern der Niederlande lediglich die Note 6,6. In Deutschland entspräche dies einer 4 plus.
Richtigen Trost also vermag das Königshaus dem von finsteren Demogogen wie Geert Wilders geplagten Volk nicht zu geben. Dennoch huldigen fast alle Niederländer einmal im Jahr gemeinsam der Monarchie, sei es in Zwolle oder in Maastricht: Beim Koningsdag am 27. April.
Königstag in Amsterdam: Keine Idee der Royals
Der Geburtstag Willem Alexanders ist in den Niederlanden ein nationaler Feiertag. Das war bereits bei Königin Beatrix und deren Mutter Königin Juliana der Fall. Die große Oranje-Party jedoch ist ein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Und, das sollte betont werden, sie geht nicht auf das Königshaus zurück. Vielmehr hat sich der Koningsdag in Amsterdam wie wir ihn heute kennen, verselbständigt.
Dabei ist die größte Party der Niederlande Ausdruck des immer noch vorherrschenden Selbstverständnisses. Der Koningsdag ist fröhlich, ironisch, ziemlich trashig und in seinem tiefsten Inneren doch ziemlich kontrolliert.
Aufwärmpartyam Vorabend
Das Ganze läuft in etwa wie folgt ab: Am 26. April gegen 18 Uhr schlendern wir durch Amsterdam, dem ewigen Epizentrum des Königstags. Und wir stellen fest, dass die Vorbereitungen weit gediehen sind: Orange, soweit das Auge reicht. Die Bühnen für die Blasmusikkapellen stehen. Alles wird gut.
Zur Aufwärmparty finden wir uns auf dem Nieuwmaarkt ein. Wir treffen Jan, einen Fernsehjournalisten, mit seiner kleinen Familie. Jan spendiert uns ein Pilsje, dann stellt er uns einen Typen vor, der für die Sozialisten im Tweede Kamer sitzt, dem Äquivalent zum Bundestag.
Königstag in Amsterdam: Politik ist tabu
Keiner hat Lust, über Arbeit, Wilder, die Bauernpartei und Politik im Allgemeinen zu reden. Also trinken wir Bier und sprechen über vernachlässigenswerte Banalitäten. Auch mal schön.
Am nächsten Morgen betreten wir in unserem orangenen Ornat die Straßen des Grachtengürtels. Als erstes sehen wir eine Ramones-Coverband, die aus lauter Neunjährigen besteht. Noch im Jordaan aber treibt eine Art Hausfrauen-Trash-Kapelle ihr Unwesen.
Jeder darf mitmachen
Es sollte nicht die letzte bleiben. In der Herengracht aber legen auch DJs auf. Gabber-Techno aus Rotterdam. Ein würdevoll gealterter Mann bewegt dazu recht isoliert seinen Körper.
Die eigentliche Party während des Koningsdag in Amsterdam aber steigt auf den Grachten. So ziemlich alle Boote, die nicht akut vom Untergang bedroht sind, kämpfen auf den Wasserwegen ums Durchkommen. Mit an Bord: Eine Passagieranzahl weit überhalb des Fassungsvermögens, ein unerschöpflicher Vorrat an Kaltgetränken – und eine Anlage mit 200 Watt-Boxen, zuweilen auch ein DJ.
Keine Tickets für die Plätze an Bord der Boote
Die Plätze an Bord der Boote, Schiffe, Kanus, Kähne und Flöße sind begehrt – und sie sind nicht käuflich. Wer die richtigen Freunde hat, ist dabei. Beseelt von der monochromen Monarchieextase fallen wir in ein Zeitloch. Es ist 16 Uhr. Während um uns herum weiterhin Sodom und Gomorra herrschen, sind wir einigermaßen reizüberflutet und ziemlich angeschickert.
Nicht ohne Neugier beobachten wir, dass einige Schiffspassagiere nach sechs Stunden Party einen etwas angespannten Gesichtsausdruck haben. Nicht jeder Kahn, der beim Koningsdag in Amsterdam zum Einsatz kommt, hat auch einen Pott – also suchen immer mehr Kapitäne die Ufer auf.
Lebendige Kaufmannsseele
In dritter Reihe legen manche an, was einen blancierintensiven Umweg über zwei Boote notwendig macht, ehe eine Toillette in Reichweite kommt. Auch was das betrifft, bleiben die Holländer ihrer Kaufmannsseele treu: 5 Euro kostet der Besuch. So haben wir es zumindest auf Schildern gesehen. Angebot und Nachfrage halt. Streng genommen ist auch das nur Spaß.
Wir entscheiden uns stattdessen für die Guerilla-Variante: Ein Luxushotel mit Marmor-Bädern. Kostenlos.
Königstag in Amsterdam: Gegen 18 Uhr ebbt die Party ab
Als wir gegen 18 Uhr denken, dass die Dinge beim Königstag in Amsterdam außer Kontrolle zu geraten drohen, ebbt die Party langsam ab. Wir überlegen kurz, ob wir uns ein Tretboot mieten sollen, sehen aber von diesem Experiment ab. Stattdessen gehen wir zurück in den Jordaan.
Dort besuchen wir am Königstag in Amsterdam das Café De Twee Zwaantjes, wo ein Barkeeper im Hawaiihemd Karaoke singt. Danach verschlägt es uns in Café Nol, wo wir holländische Schlager gröhlen. Auch am Geburtstag des neuen Königs wird es künftig wohl ähnlich zugehen. Vielleicht springt Willem Alexander sogar noch mal in eine Gracht, so wie er es 1996 bei den Olympischen Spielen 1n Atlante gemacht hat, als Oranje eine Goldmedaille errungen hat. So oder so aber gilt: Ein Hoch auf den König. Und sei es nur wegen des künftigen Koningdags.
Weitere Informationen zum Königstag in Amsterdam
Details zu den Festivitäten gibt es auf der Webseite von iamsterdam.
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Dezember 2024
3 Comments
[…] Ein Hoch auf Willem Alexander: Aus dem Koninginnedag wird der Koningsdag […]
Perfekte Beschreibung des kompletten Wahnsinns 🙂
Die Zurückziehung des Königsliedes wurde inzwischen wieder zurückgezogen und es gibt noch ein paar neue Königslieder.
Die neuesten Alkoholregeln wurden publik gemacht: Jeder darf max. 1 alkoholisches Getränk bei sich haben. Und es wird das Zusammenbrechen des Bahnverkehrs nach Amsterdam prognostiert.
Alles wie immer 🙂
LG Simone
Danke für die Hinweise aus dem Epizentrum, Simone. Ich werde mir dann nächsten Jahr mal die Premiere des Königstages ansehen – mit oder ohne Lied…