Erste Einblicke in das landschaftliche Spektakel des Wilden Westens gefällig? Dann lohnt es sich, in Texas eine halbe Stunde abseits der Originaltrasse der Route 66 den Palo Duro Canyon aufzusuchen (Episode 36/66 über die Route 66).

Sind vor denn schon in Arizona? Nein, der Palo Duro Canyon ist lediglich ein Preview auf den wahren Westen
Der Mississippi? Ein beeindruckender Fluss, das ja, aber kein wirklicher überzeugender Grund, die weite Reise in die USA auf sich zu nehmen. Ähnliches gilt für die Weiten Missouris und die Hügel Oklahomas. So steigt die Aufregung spürbar wenn endlich die Grenze zu Texas erreicht ist. Die spannenden Metropolen, verschlafenen Dörfer und nostalgiebeladenen Orte der Route 66 müssen ab jetzt Konkurrenz dulden. Es sind die Schönheiten, welche sich die Natur ausschließlich im Westen der USA zu kreieren getraut hat.
Ein Canyon an der Route 66
Ein erster Vorgeschmack verbirgt sich knapp 40 Kilometer südöstlich von Downtown Amarillo in Form des Palo Duro Canyon. Ein Fall für Freunde von Superlativen, denn die Schlucht ist mit einer Länge von 193 Kilometern, einer durchschnittlichen Breite von zehn Kilometern und einer maximalen Tiefe von 270 Metern nach dem Grand Canyon die zweitgrößte der USA.

Gelbe Blumen und Biker im Palo Duro Canyon
Allein diese Randdaten lassen erahnen, dass Outdoor-Freaks hier einen ganzen Urlaub verbringen könnten, so es die teils erbarmungslose Hitze zulässt. Während Wanderungen, Ausritte oder Mountainbike-Touren also angesichts hoher Abgeschiedenheit, einer nicht zu verleugnenden Abgeschiedenheit und einer nennenswerten Population von Klapperschlangen eher etwas für Abenteurer sind, lockt der State Park auch mit seinen autofahrerfreundlichen Seiten.
Der Palo Duro State Park: Felsnadeln und Höhlensysteme
Frappierend dabei ist, dass sich die Schlucht bei der Anfahrt durch keinerlei Indizien wie Berge oder auch nur Hügel ankündigt. Viel mehr sind es schnurgerade Straßen, die von Amarillo mit einem 90-Grad-Knick zum Eingang des gleichnamigen State Parks führen. Erst hier wird die Straße wie auf Bestellung kurvig. Nach wenigen Minuten dann öffnet sich der Blick auf die Schlucht, die ihre Existenz der hartnäckigen Arbeit des mittlerweile aufgestauten Prairie Dog Town Fork Red River verdankt. Dieser besitzt zwar einen kuriosen Namen, spielt aber in der allgemeinen Wahrnehmung eine eher untergeordnete Rolle.

Der Palo Duro Canyon liegt nicht weit weg von der Route 66, es ist die zweitgrößte Schlucht der USA
Abgesehen von seinen schieren Ausmaßen weiß der Palo Duro Canyon an der Route 66 auch durch Höhlensysteme und Felsnadeln zu beeindrucken. Dieses besonders oft im Westen der USA aufkommende Phänamen nennen die Amerikaner hoodoos. Meistfotografierte Landmarke ist eine Gesteinsformation namens »Lighthouse Rock«, die der Erosion bis zum heutigen Tage erfolgreich getrotzt hat.
Sie ist über einen etwa zehn Kilometer langen Wanderweg (hin und zurück etwa auf halber Strecke vom Parkeingang zum Besucherzentrum) erreichbar. Insbesondere in den Frühlingsmonaten schmücken Kolonien von Wildblumen den Weg.

Leichte Strecke, schwere Maschinen: Route 66 und Interstate 40 bei Amarillo
Schon Georgia O’Keeffe hat den Palo Duro Canyon auf Leinwand gebannt
Schon Amerikas große Landschaftsmalerin Georgia O’Keeffe hatte den Palo Duro Canyon für sich entdeckt. Als sie von 1916 bis 1918 in der Nähe von Amarillo lebte, verewigte sich das virtuose Farbenspiel des Zwielichts auf mehreren Bildern. Womit sich der Hinweis fast erübrigt, dass die Landschaft erst in Kombination mit dem dramatischen Licht der Dämmerung ihr ganzes Potenzial entfaltet.

Stopover am Wegesrand: die Oldtimer-Sammlung bei Bill’s Backyard Classics
Oldtimer bei Bill’s Backyard Classics
Auf der Rückfahrt zur Route 66 übrigens wird noch ein weiteres Kernthema der Reise bedient. Kurz vor den Toren Amarillo befindet sich mit Bill’s Backyard Classics die sehenswerte Automobilsammlung des Ehepaars Linda und Bill Pratt. Die formschönen Juwelen aus der großen Zeit des Designs sind zwar etwas lieblos in einer Art Lagerhalle ausgestellt. Dafür freut sich das Personal mit breitem texanischem Akzent über jeden einzelnen Besucher. Wer seinen Mietwagen satt ist, kann hier nach Ersatz suchen: nicht selten stehen Klassiker zum Verkauf.

Stilecht auf der Route 66: Gelegentlich steht einer der Wagen zum Verkauf
Informationen zum Palo Duro Canyon an der Route 66
Palo Duro Canyon State Park: Der phänomenale State Park liegt gut 40 Kilometer südöstlich von Downtown Amarillo, Texas. Am besten fährst du über den Interstate 27 und die Texas 217. 11450 Park Road 5, Canyon, geöffnet täglich von 7 bis 19 Uhr, der Eintritt kostet 8 USD pro Person. Bei gutem Wetter und moderaten Temperaturen erreicht der Park häufig seine Kapazitätsgrenze, immer dann ist frühes Aufstehen angesagt.

Oldtimer der Marke Mercury
Wandern im Palo Duro State Park
Der Lighthouse Trail ist 9,2 Kilometer lang (hin und zurück), unterwegs legst du 150 Höhenmeter zurück, daher solltest du immer ausreichend Wasser mitbringen. Der Ausgangspunkt zum Lighthouse Trail im Palo Duro State Park befindet sich kurz vor dem Loop, der zu Aussichtspunkten und Besucherzentrum führt, kleiner Parkplatz vor Ort vorhanden.

Grandiose Autos, wenig charmante Halle: Bill’s Backyard Classics
Ausritte
Palo Duro Stables: Der Familienbetrieb bietet ganzjährig Ausritte an, sofern das Wetter es gestattet. Montags geschlossen, 10160 East State Hwy, 217 Canyon, paloduroridingstables.com, der Preis liegt zwischen 100 und 150 USD pro Person.
Automuseum bei Amarillo an der Route 66
Bill’s Backyard Classics: Ziemlich großartige Privatsammlung klassischer Limousinen, Straßenkreuzer und Rennwagen, präsentiert von echten Texanern. 5309 South Washington Street, Amarillo, billsbackyardclassics.com. Geöffnet Montag bis Samstag von 10 bis 16 Uhr, der Eintritt kostet 12 USD.

Ami-Schlitten allerorten: Bill’s Backyard Classics
Die Route 66 in Texas
In Texas hat die Interstate 40 die Mother Road vielerorts rücksichtslos aufgefressen. Vor allem zwischen den Ortschaften sind die Spuren der einst 299 Streckenkilometer kaum noch zu finden. In den Städten und Dörfern, die einst an der Originaltrasse gelegen haben, sind die Relikte der Route 66 jedoch allgegenwärtig. Der ein oder andere Umweg also lohnt sich also.
Boarding Completed und die Route 66
Für unsere Serie von 66 Geschichten über die Route 66 haben wir uns nicht nur auf der Mother Road, sondern auch links und rechts der Strecke umgesehen. Die Story über den Palo Duro Canyon ist Nummer 36. Von Amarillo, dem Schauplatz von Story Nummer 35, fährst du rund 40 Kilometer bis zum Besucherzentrum des Canyons. Die Distanz zum Big Texan Steakhouse (wo die 37. Geschichte angesiedelt ist) beträgt rund 45 Kilometer. Beachte dabei, dass sich das Steakhouse östlich der Stadt befindet.
Text und Bilder: Ralf Johnen, im April 2025 zuletzt auf die Richtigkeit aller Angaben geprüft.
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