Die Route 66 in Tulsa führt zu extremen Gegensätzen. Einerseits flirtet die zweitgrößte Stadt Oklahomas mit moderner Coolness. Anderseits ist Tulsa Standort der weltweit größten Skulptur zum Gebet gefalteter Hände.
Wenn du an einem lauen Freitagabend zum Galeriewochenende in Tulsa ankommst, musst du den Eindruck einer lebens- und feierfreudigen Gesellschaft gewinnen. Die Bars sind voll, das Partyvolk steht rauchend auf den Trottoirs und so manchen siehst du ungeniert seine Margarita in einem Plastikbecher über die Straße spazieren führen. Auf verschiedenen Plätzen spielen Bands. Und wenn es dir nach einer Grundlage für den Abend gelüstet, findest du in Downtown Tulsa ein breites kulinarisches Angebot.
Dieses reicht von der Microbrewery über vegane Burger und asiatische Genüsse bis hin zum Gourmetrestaurant. Eine erstaunliche Bandbreite an lukullischen Freuden für zweitgrößte Stadt Oklahomas, die rund 400.000 Einwohner zählt. Das alles spielt sich vor der Kulisse eines aufgeräumten Stadtbilds ab, das von Art Deco-Bauwerken der 1920er Jahre geprägt wird.
Tulsa galt als Ölhauptstadt der Welt
Die Attraktivität der Stadt ist dabei keineswegs vom Himmel gefallen. Ganz im Gegenteil stammt ihr Reichtum wie so in Oklahoma aus der Tiefe der Erde. Spektakuläre Ölfunde von 1901 sorgten für weltweite Publicity und städtischen Reichtum. Tulsa galt für einige Zeit als Ölhauptstadt der Welt (»Oil Capital of the World«). Einige philanthropische Ölbarone taten sich als Kunstmäzene hervor, allen voran Waite Phillips und Thomas Gilcrease.
Deren Kunstsammlungen sind noch heute in den Ausstellungshäusern des Philbrook Museum of Art und des Gilcrease Museum zu sehen und gehören zu den besten weit und breit. Und wer in den terrassierten italienischen Gärten der Philbrook-Villa spazieren geht, wird weder mitbekommen, dass Tulsa heute eine der Top-Adressen für die Petroleumtechnologie ist, noch etwas davon spüren, dass die Prärie um die Ecke liegt.
Ultrareligiöse Universität
Wenn man dieses Bild einer den irdischen Freuden und dem schnöden Mammon zugewandten Einwohnerschaft vor Augen hat, überrascht es ein wenig, dass Tulsa zugleich Standort einer ultrareligiösen Universität ist. Gegründet wurde sie vom landesweit bekannten und dabei äußerst umstrittenen Teleprediger Oral Roberts (1918-2009).
Dass Touristen aus aller Welt zu der (übrigens etwas abseits der Route 66 in Tulsa gelegenen) Hochschule pilgern, ist nicht darin begründet, dass sie nach einer durchzechten Nacht im Hörsaal dem Evangelium lauschen möchte. Auch ist der Campus-Park in seiner surreal-futuristischen Anmutung einen kurzen verwunderten Blick, aber nicht unbedingt einen Ausflug vom Stadtzentrum wert.
Betende Hände
Der Grund, warum ganze Busladungen das Unigelände bevölkern, ist eine monumentale Skulptur, die sich über 18 Meter hoch in den Himmel reckt: zwei betende Hände. Angeblich sind die detailgetreuen, dem Klassiker von Albrecht Dürer nachempfundenen Bronzehände die größten der Welt und sogar aus dem Flugzeug zu sehen.
Wenn du sie vom Boden der Tatsachen aus betrachtest, kann das sehr unterschiedliche Empfindungen wecken. Das hängt natürlich vom jeweiligen Standpunkt und der Geisteshaltung ab. Was dem einen als eher bedrohliches Monument religiöser Exzentrik anmutet – zumal die Hände denen des Universitätsgründers und seines Sohnes nachempfunden sind – ist für den anderen eine trostspendende Skulptur des Glaubens an Gott.
Tiefe Frömmigkeit also auf der einen, lustvolles Leben auf der anderen Seite. Das liegt nicht nur in der Präriestadt Tulsa ganz nah beieinander, sondern bekanntlich auch in den gesamten USA. So mag die Statue mit den größten betenden Händen eine winzige Fußnote der Weltgeschichte sein. Doch sie sagt viel aus. Nicht nur über die Stadt Tulsa und ihre Bewohner, sondern in größerem Rahmen auch über die gesamten USA. Jenes Land, welches zugleich Heimat des Turbokapitalismus als auch tief religiöser Gemeinschaften ist.
Informationen über die Route 66 in Tulsa
Allgemein: Ich schildere meinen Trip über die Route 66 in 66 Geschichten. Dies hier ist Story Nr. 24. Zur vorigen Geschichte geht es hier, zur nächsten hier.
Weitere Informationen über die Route 66 in Tulsa findest du auf der Webseite des Tourismusbüros von Oklahoma.
Lage: Die Skulptur »Praying Hands« befindet sich auf dem Campus der Oral Roberts Universität, 7777 South Lewis Avenue, Tulsa, OK 74171.
Hinweis: Der Eintritt zu der Freilichtskulptur ist frei. Die »Betenden Hände« können das ganze Jahr über täglich von 10 bis 22 Uhr besucht werden. Parkplätze sind genug vorhanden.
Restaurants an der Route 66 in Tulsa
Neff Brewing moderne Mikrobrauerei in der Innenstadt mit diversen selbstgebrauten Bieren und passenden Gerichten, von kleinen Snacks zum Gerstensaft bis zu Hauptgerichten,
The Tavern gemütliches, stets gut besuchtes Restaurant im Zentrum mit amerikanischer Küche, 1 North Main Street, Tulsa.
Unterkunft
Fairfield Inn & Suites by Marriott Tulsa Downtown, solides und sehr gut gelegenes Hotel im Zentrum mit komfortablen Zimmern, freundlichem Service und hoteleigenem Parkplatz, 111 N Main St, Tulsa.
Text zur Geschichte über die Route 66 in Tulsa, Oklahoma: Frida van Dongen, Bilder: Ralf Johnen, Oktober 2021.
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