Eine Woche Segeln auf den British Virgin Islands kommt der Idealvorstellung nahe. Der Karibiktraum im Katamaran führt unter anderem zur einsamen Insel Sandy Spit, zum Bitter End Yacht Club und zur Soggy Dollar Bar.
Captain Debbie nimmt Kurs auf die White Sands Bay. Hier, sagt sie, hat sie neulich einen 50-Dollarschein verloren, als sie an Land geschwommen ist. Ein Ritual, das unter Seglern üblich sei. Damit, so Debbie, huldige man der Soggy Dollar Bar, wo es zum guten Ton gehöre, Cocktails mit ausschließlich nassen Dollarscheinen zu bezahlen. Diese hängt der Barmann dann zur allgemeinen Belustigung an einer Leine auf, ehe sich die Gäste zum Konsum der Mix-Getränke unter die Palmen legen.
Kurs auf Sandy Spit
Zurück an Bord ihres Katamarans (hier geht es zu meiner Geschichte über einen Segeltörn in den Dalmatischen Inseln) verrät Captain Debbie, dass das Segeln auf den British Virgin Islands auch ganz anders geht. Nach nur wenigen Seemeilen sehen wir, was die passionierte Seglerin aus Louisville, Kentucky, meint. Vor uns liegt Sandy Spit – eine Insel, die in der Phantasie eines jeden Karabik-Urlaubers allgegenwärtig ist, in der Realität aber nur höchst selten: Zu ihrer Umrundung sind kaum mehr als 400 Schritte erforderlich.
Bewohnt wird sie von Seeschwalben und Fregattvögeln. Und sie ist rundum von Sandstrand gesäumt. Wer rechtzeitig aufbricht, kann seinen ganz persönlichen Inseltraum hier wahr werden lassen. Wichtigstes Werkzeug: Taucherflossen und Schnorchel.
Segeln auf den British Virgin Islands: Der Hafen von Tortola
Weniger abgeschieden ist die Cane Garden Bay auf der Hauptinsel Tortola. Steile, dicht bewaldete und von fürstlichen Anwesen durchsetzte Hügellandschaften erheben sich hier direkt hinter den Stränden. Allein der gegrillte Mahi Mahi in Quito’s Restaurant ist einen Abstecher mit dem Beiboot wert. Die Goldmakrele wird auf der offenen Veranda mit Mango Chutney und Meeresblick serviert.
Besonders begehrt sind die Bojen im Hafen Ende Mai, wenn das British Virgin Islands Music Festival steigt. Die heimischen Calypso-Formationen und die Raggae-Bands aus Jamaika können sich die Besucher ansehen, während sie mit den Füßen im Wasser stehen. Segler haben zudem die Option, die Musik vom Strand herüberschwappen zu lassen – und an Deck die tropische Nacht zu genießen. Während ihre Passagiere noch schlafen, paddelt Debbie am nächsten Morgen auf ihrem Surfbrett durchs türkisgrüne Wasser.
Eines der besten Segelreviere der Karibik
Im Stehen, was erhebliche Körperbeherrschung voraussetzt. Wenig später löst sie die Taue löst und nach einer kurzen Fahrt durch den Hafen kann sie das Hauptsegel setzen. Auch 30 Jahre, nachdem sie ihre Heimat verlassen hat, wird sie immer noch von Glücksgefühlen befallen, wenn sie auf dem Sir Francis Drake-Kanal unterwegs ist.
Mit diesem Namen wird der Wasserkorridor bezeichnet, den die vulkanisch geprägten Jungferninseln bilden. Der Kanal ist nur wenige Kilometer breit und wie Debbie Clark erläutert, macht ihn seine geschützte Lage zwischen den vielen Inseln zu einem der beliebtesten Segelreviere der Karibik. Mit immer neuen Eilanden, die angefahren werden können.
Und der Option auf sportliches Segeln, sobald die geschützten Reviere verlassen werden. Als sie einen nordöstlichen Kurs einschlägt, ahnen ihre Mitsegler bereits, was sie damit meint. Wind und Wellengang nehmen spürbar zu. Und wäre da nicht noch eine Insel, würde der Katamaran in Richtung Portugal segeln.
Sweet home Anegada
Während sie auf ihrem Kapitänssitz steht, zeigt Debbie auf eine Wolke von auffallen länglicher Gestalt. „Daran erkennen die Seeleute Anegada.“ Anders als alle anderen Jungferninseln ist der Außenposten des Archipels nicht vulkanischen Ursprungs. Streng genommen handelt es sich um nicht viel mehr als eine große Sandbank, die den Atlantik vom karibischen Meer trennt.
Nur 210 Menschen leben hier gemeinsam mit Flamingos und Meeresschildkröten. Touristen finden den Weg in die Abgeschiedenheit von Anegada nur selten, lediglich zwei Mal pro Woche kommt eine Fähre aus Tortola herüber. So bleibt die rund 18 Kilometer lange und durchschnittlich zwei Kilometer breite Insel weitgehend den Seglern überlassen.
Abends treffen sich Einheimische und Besucher im Anegada Reef, einem einfachen Hotel, das zugleich Mittelpunkt des sozialen Insellebens ist. Am Strand sitzend beobachten sie, wie über dem offenen Feuer Lobster gegrillt werden. Als die fangfrischen Krustentiere fertig sind, geht ein Platzregen nieder, der die Gäste zum Rückzug unter die Veranda zwingt. Der Freude am einfachen Leben auf dieser Aussteigerinsel tut dies keinen Abbruch.
Richard Bransons Neckar Island
Ungewohnte Hektik bricht am nächsten Tag aus, als Debbie einen Typen namens Donny anruft. Ob sie willkommen sei, möchte sie wissen. Donny bejaht. Also nehmen wir mit unserem Beiboot Kurs auf Necker Island. Unbedarft erkunden wir den Strand, als sich mit einiger Geschwindigkeit ein Motorboot nähert. „Sorry, das ist eine Privatinsel“, sagt der Mann am Ruder entschlossen.
Debbie weiß, dass dies der Wahrheit entspricht. Der prominenteste Einwohner der British Virgin Islands, Sir Richard Branson, residiert hier. „Die Strände“, sagt sie, „sind trotzdem öffentlich zugänglich“. Und Branson selbst lasse Neugierige nicht verscheuchen, so lange sie nur dort unterwegs seien.
Segeln auf den BVI: Zwischenstopp im Bitter End Yacht Club
Wenn er seine Insel jedoch an Stars aus der Unterhaltungsbranche vermiete, würden deren Bodyguards aktiv. Da könne dann wohl auch Donny nichts ausrichten. Aber das, lacht sie, sei ja egal. Schließlich gebe es ja genug andere einsame Flecken.
Den Bitter End Yacht Club zum Beispiel, der sich am äußersten nordöstlichen Zipfel von Virgin Gorda befindet. Wie Debbie erklärt, haben die Gründer Myron und Bernice Hokin in den 70er Jahren als letzte Anlaufsstelle für jene Segler errichtet, die von hier aus die Jungferninseln verlassen. Sei es in Richtung Sint Maarten, der nächst gelegenen Karibikinsel größeren Ausmaßes, oder auch mit dem Ziel, den Atlantik zu überqueren. Beides, so der Gedanke der Club-Eigentümer, sei bitter.
Plötzlich klärt Debbie die Anekdote um ihren Fünfziger auf. Den hatte sie in die Schleife ihres Bikini-Oberteils eingebunden, unterwegs verloren, und bei einem anschließenden Tauchgang zwischen den Papageienfischen nicht wieder gefunden. Nur eine Dollarnote hat die Frau aus den USA zurück an Bord gebracht. Das Meer geizt halt mit Wechselgeld.Am nächsten Tag schöpft Debbie die Kapazitäten der Segel voll aus. Der Zielhafen heißt Anegada auf der gleichnamigen Insel am nördlichen Ende des Archipels. Nur eine Fahrt im Beiboot führt zu Foxy.
Dreadlocks und andere Traditionen
Doch Captain Debbie meint, dass sich der Abstecher in den Great Harbour lohnt. Schließlich betreibe der Mann in der Bucht ein kleines Imperium. Zudem spiele er Gitarre wie kein Zweiter. Ach ja: Und auf keinen Fall sollten wir vergessen, ihn danach zu fragen, wie er seine Frau Tessie kennen gelernt hat.
Nach dem kurzen Transfer vom Katamaran zum makellos weißen Strand erkennen wir Foxy an seinen langen Dreadlocks. Er sitzt auf dem Bootsanleger und schaut den Kindern dabei zu, wie sie in den kleinen Wellen planschen. Seine Lieblingsbeschäftigung, wenn er nicht gerade mit den Kids der Grundschule von Jost Van Dyke an einem Schiff bastelt. „Wir wollen den traditionellen Baustil der British Virgin Islands weitergeben“, sagt Foxy.
Foxy ist 71 Jahre alt. Ein Rastamann mit großem Herzen, der jedoch auch einen diabolischen Blick in seinem Repertoire hat. Auf dem Eiland, das überwiegend von Seglern angesteuert wird, gelten er und seine Bar als Institution. Das mit der Partnerwahl scheint hier tatsächlich nicht so einfach zu sein.
Glaubt man Foxy, so ist er 1973 von mitleidigen Kumpels auf einem Schiff in die ferne Welt entführt worden, um seinem tristen Dasein als Junggeselle endlich ein Ende zu bereiten. Die Geschichte, die sich seinerzeit zugetragen hat, ist zu lang, um sie hier wiederzugeben. Aber so viel sei verraten: Frei von Seemannsgarn ist sie nicht.
Informationen über das Segeln auf den British Virgin Islands
Die Homepage des Tourismusbüros der British Virgin Islands bietet viele Informationen auf Deutsch.
Text und Bilder zur Geschichte „Segeln auf den British Virgin Islands“: Ralf Johnen, aktualisiert im Juni 2021. Der Autor war auf Einladung des Tourismusbüros der British Virgin Islands vor Ort.
Leave A Reply