Der Sitgreaves Pass liegt heute fernab der Durchgangsstraße nach Kalifornien. Knapp über 1000 Meter hoch, galt er früher nach einer bereits langen Reise als Herausforderung für Fahrer und Material. Heute ist der Abschnitt eher berühmt für die Esel, die sich hier eingerichtet haben (Episode 59/66).

Test für Mensch und Material: der Sitgreaves Pass im Westen Arizonas. Bild: Pixabay
Auch auf die Gefahr, in diesem Fall ein vorschnelles Urteil zu treffen, lädt Kingman vor allem raschen Weiterfahrt ein. Doch fortan ist volle Konzentration angesagt. Jenseits des Wüstenstädtchens nämlich baut sich das lange Zeit meistgefürchtete Hindernis der gesamten Route 66 auf: Sitgreaves Pass.
Sitgreaves Pass: Prüfunf für Mensch und Material
Zwischen erodierten Tafelbergen und knorrigen Wacholdersträuchen windet sich die Straße hier durch eine Landschaft, die jedem John-Ford-Western als Kulisse gerecht würde. Auf nur zwei Spuren geht es hinauf bis auf eine Höhe von 1093 Metern. Das stellt moderne Hybridfahrzeuge nicht vor Probleme – und amerikanische Pickups schon gar nicht.

Esel bevölkern heute den kleinen Ort Oatman
Doch für die Vehikel vergangener Zeiten, die nur mit einem Bruchteil der PS heutiger Fahrzeuge ausgestattet waren, war die Passstraße eine veritable Herausforderung. Das gilt im Übrigen auch für die Person, die das Fahrzeug lenkt. Einen derart anspruchsvollen Streckenabschnitt hat es im bisherigen Verlauf der Trasse noch nicht gegeben.
Das Geisterdorf Oatman am Sitgreaves Pass
Auf dem kurvigen Weg zur Passhöhe wechseln sich Aussichtspunkte mit Outlaw-Siedlungen ab. Später kommen die Relikte ausgedienter Goldminen hinzu. Ein herrlich abenteuerliches Terrain, das zum permanenten Anhalten animiert. Diese unwirklich anmutende Landschaft will fotografiert und der Nachwelt erhalten werden.

Briefkästen, Staub und Berge – und fertig ist der Stillleben der Route 66
Die Wildwest-Szenerie erreicht in Oatman ihren gestalterischen Höhepunkt. Hier buhlen pittoresk abgerockte Etablissements wie Judy’s Saloon and Pool Hall, Outlaw Willie’s und Jackass Ron’s Knives and Swords um die Aufmerksamkeit von Nostalgikern. Noch so ein Ort der es unwahrscheinlich aussehen lässt, dass der Ballungsraum Los Angeles nur wenige Hundert Kilometer entfernt ist. Ja, er lässt sogar berechtigte Zweifel daran aufkommen lässt, dass das 20. Jahrhundert jemals begonnen und wieder geendet hat.
Esel machen das Autofahren in Oatman zur Herausforderung
Nichts illustriert dies besser als die im Namen eines örtlichen Ladens verankerten Jackasses. Das Wort dient den Amerikanern als Bezeichnung für männliche Maultiere. Ebendiese machen das Autofahren rundum Oatman zu einer zusätzlichen Herausforderung. Eine beachtlich große Esels-Kolonie hat sich in den umliegenden Hügeln breitgemacht, seitdem die Interstate 40 den Autoverkehr erdulden muss. In die vertrocknete Bergwelt West-Arizonas verirrt sich unterdessen außer Harley-Fahrern und anderen Nostaligkern kaum noch jemand.

Zurück in der Zivilisation: der zum Lake Havasu aufgestaute Colorado River
Motorisierte Passanten haben schon vor geraumer Zeit die Verpflegung der Tiere übernommen, die daher einen sehr zutraulichen Eindruck machen. Dies geht sogar so weit, dass die Verbeiner sogar den Weg in die örtlichen Geschäfte finden. Doch es versteht sich von selbst, dass man sich an der Deregulierung der natürlichen Ernährungskette besser nicht beteiligen sollte.
Übernachtung am Lake Havasu
Die Esel von Oatman sind nicht das letzte Kuriosum im Grenzland zu Kalifornien. Dieses wirkt immer besser erschlossen, je mehr man sich dem finalen Bundesstaat der Reise nähert. Das an der Ostseite des Colorado River gelegene (und zu Nevada gehörende) Laughlin etwa ist eine Art Miniaturausgabe von Las Vegas. Und am Lake Havasu, dessen Existenz der Colorado River dank einer Staumauer ebenfalls verantwortet, steht eine exakte Kopie der London Bridge.

Die London Bridge am Lake Havasu wurde von England nach Kalifornien verschifft und dort wieder aufgebaut
Informationen zum Aufstieg zum Sitgreaves Pass
Cool Springs Station: Geschichtsträchtige Tankstelle kurz vor Beginn der Passstraße, die Route 66-Legende Bob Waldmire regelmäßig aufgesucht hat. 8275 W. Oatman Road, Kingman, AZ 86413, route66coolspringsaz.com.
Oatman Hotel, Restaurant & Bar: Übernachten kann man hier nicht. Doch eine Visite dieses Kuriositätenkabinetts, dessen Wände mit Dollarnoten und einem Poster von Willy Nelson bekleidet sind, lohnt allemal. Täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr 181 Main Street, Oatman, AZ 86433, (keine Webseite).

»Bored in the USA«: bittere Realität an der Route 66
Übernachtet haben wir in Lake Havasu. Bis zu dem Stausee am Colorado River sind es von Oatman rund 90 Kilometer. Kleiner Tipp: Pass auf, dass du vor Einbruch der Dunkelheit ankommst. Der Sitgreaves Pass ist bei schlechtem Licht unangenehm zu befahten. Außerdem ist der Sonnenuntergang am Lake Havasu meist ziemlich sensationell.
Lohnt sich ein Abstecher zum Lake Havasu?
Aus meiner Sicht ist der Lake Havasu ein guter Ort für eine Übernachtung. Das Angebot an Restaurants und Hotels ist. Das Licht ist morgens und abends sensationell – und eine kleine Sehenswürdigkeit gibt es in Form der London Bridge auch.
Arizona und die Route 66
Die Etappe über den Sitgreaves Pass ist die letzte auf der Route 66 in Arizona. Insgesamt verlaufen gut 620 Kilometer der Originaltrasse durch den Bundesstaat. Das entspricht in gut 385 Meilen, für die du dir Zeit nehmen solltest. Für mich gehören die Straßenabschnitte in Arizona zu den schönsten, da sie durch mythische amerikanische Landschaften wie die Painted Desert und den Petrified Forest führen. Darüber hinaus ist viele Abschnitte der Route 66 in Arizona noch gut erhalten.

Pittoresk? Der brüchige Asphalt der Route 66 als Postkartenmotiv
Hinzu kommt, dass ein gewisser Angel Delgadillo dafür gesorgt hat, dass 1987 erste Abschnitte der Route unter Schutz gestellt wurden.
Boarding Completed und die Route 66
Auf diesem Blog haben wir anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Route 66 nicht weniger als 66 Geschichten über die Straße zusammengetragen. Die Story über den Sitgreaves Pass und Oatman ist die 59. aus der Serie.
Von der Location von Geschichte 58 in Kingman sind es rund 45 Kilometer bis nach Oatman. Nächster Stopp an der Route 66 ist Roy’s Motel in Kalifornien. Bis dort sind es ungefähr 165 Kilometer. Unterwegs gibt es einige Straßensperrungen zu beachten, da Unwetter Teile der Route 66 weggespült haben.
Mein Buch über den Südwesten der USA
Für den ADAC habe ich einen Reiseführer über den Südwesten der USA geschrieben. Das Werk kannst handelt von den Bundesstaaten Nevada, Arizona, New Mexico, Colorado und Utah. Du kannst das Buch im Online-Handel bestellen.
Text: Ralf Johnen, Bilder: Ralf Johnen, Pixabay (1), Unsplash (2)
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