Seattle ist eine Koffeinstadt. Ein Besuch im Starbucks-Labor im Viertel Pikes and Pine, wo das Unternehmen am Kaffee der Zukunft arbeitet.
Space Needle, Monorail, die Museen und die Waterfront ziehen in Seattle die Aufmerksamkeit von Besuchern auf sich. Das wahre Leben aber spielt sich andernorts ab. In Pike and Pine zum Beispiel. Hier auch befindet sich das Starbucks-Labor, wo der Kaffee der Zukunft schon jetzt erhältlich ist.
Pike and Pine: das Seattle der Einheimischen
Das Viertel ist nach den beiden gleichnamigen Straßen benannt, die nur wenige Blocks östlich der Innenstadt in West-Ost-Richtung verlaufen. Dabei bietet es repräsentative Einblicke in das Leben, das die Einheimischen in der größten Stadt von Washington führen.
In Pike and Pine reihen sich Restaurants, Plattenläden, Cafés mit hauseigenen Röstereien, Buchhandlungen und Vintage-Stores in dichter Folge aneinander. Das junge Publikum ist ebenso bunt wie die Zebrastreifen in den Farben des Regenbogens. Oder wie das Stadtbild, das sich neben Backsteinbauten aus der Gründerzeit auch aus den allgegenwärtigen bewohnbaren Schuhkartons der Gegenwart zusammensetzt.
Das progressive Amerika
Niemand guckt hier doof, wenn ein Mann im Rock auf hochhackigen Schuhen unterwegs ist. Kurzum: es ist der Inbegriff des progressiven Amerika. Gedanklich ist dieses noch weiter von den Hillbillys in Oklahoma oder Missouri entfernt, als dies geographisch der Fall ist.
Mitten in dieser Hochburg der Alternativen hat sich ein Unternehmen angesiedelt, das nicht so recht in das Umfeld passen will: Starbucks. Oder besser gesagt: das Starbucks-Labor, in dem Experten am Kaffee der Zukunft arbeiten.
Der Kaffee der Zukunft: Startschuss 1971
Ein kurzer Blick zurück: Schon im Jahr 1971 waren es drei Männer aus der Stadt satt, sich vom unsäglichen amerikanischen Filterkaffee den Magen verderben zu lassen. Also haben sie ihre eigene Rösterei ins Leben gerufen. Den Namen haben sie Herman Melvilles Roman »Moby Dick« entliehen, deren Erster Offizier Starbuck heißt. Die Neugründung (die Vokabel Start-up gab es damals selbst in Seattle noch nicht), hatte neben Kaffeebohnen auch allerlei Equipment im Angebot.
Doch ein Ausschank mit Espresso oder Latte kam erst in den 1980ern hinzu. Die ersten Filialen außerhalb der Stadt haben 1987 in Vancouver (Kanada) und in Chicago ihren Betrieb aufgenommen. Es war der Anfang einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Zu einem Giganten herangewachsen, betreibt das Unternehmen heute weltweit mehr als 17 000 Filialen und 38 000 Ausschänke.
Das Starbucks-Labor
Keine aber ist so eingerichtet, wie das Lokal an der Ecke Pike Street und Melrose Avenue. In einem eingeschossigen Bau mit hell gefliester Fassade und reich ornamentiertem Giebel bittet die Starbucks Reserve Roastery zum Besuch. Ein neuartiges Konzept, das Forschungslabor, Rösterei, Fachgeschäft, Souvenirladen und Wallfahrtsort mit Verkostungsstube in einem ist.
Das Fachgeschäft schließt an die Gründerzeit des Unternehmens an. Nur dass man hier nicht mehr nur schlichte Espressokocher erwerben kann, sondern auch ganze Sets zur Produktion von Cold Brew und ähnlichen Kaffeetrends. Die ausgestellten Gerätschaften erinnern eher an einen Fachraum für Chemieunterricht, denn an Kaffeemaschinen. Dahinter im Labor beaufsichtigt Fachpersonal mit gebührendem Ernst eine Batterie von Röstöfen, die der weiteren Optimierung des Geschmackserlebnisses dienen.
Gelebte Inklusion auf dem Weg zum Kaffee der Zukunft
Am Einlass zum Tasting Room wartet ein mit Tablet ausgestatteter junger Mann. Er teilt freie Tische zu, ohne sich artikulieren zu können, denn er ist taubstumm. Gelebte Inklusion gehört auch zum Wertekanon des anderen Amerika. Auf der Karte stehen teils abenteuerliche Kreationen wie ein Iced Caramel Brulée Eggnog Latte (10 USD) oder der mit Stickstoff aufgeschäumte Nitro Almondmilk Mocha (9 USD).
Sie werden auf einer analogen Anzeigetafel aufgeführt, wie es sie früher in Flughäfen gab – inklusive den flatternden Geräuschen. Wer sich nicht entscheiden kann, bestellt gleich einen Coffee Flight mit drei Probierportionen. Nach dem Besuch im Starbucks Labor drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass das koffeinhaltige Getränk ordentlich Karriere gemacht hat. Für den Kaffee der Zukunft scheint das Ende der Kreativität noch lange nicht erreicht.
Informationen zum Starbucks-Labor
Starbucks Reserve Roastery & Tasting Room: Im Tasting Room gibt es ein saisonal wechselndes Angebot an ausgefallenen Drinks. 1124 Pike Street in Seattle, geöffnet täglich von 7 bis 21 Uhr, Eintritt frei.
Shopping: Elliott Bay Book Company (elliottbaybook.com). Fans von Buchhandlungen müssen unbedingt diesen riesigen Flaghip-Store besuchen. 521 10th Avenue, Seattle, geöffnet täglich von 9 bis 22 Uhr.
Unterkunft: Hotel Ändra. Das Haus befindet sich mitten in der Stadt und versteht sich als Domizil, in dem sich vor allem Europäer wohlfühlen. 2000 4th Avenue, Seattle, ab 200 $ im DZ.
Mobilität: Seattle verfügt über ein gut ausgebautes ÖPNV-System inklusive Flughafenanschluss. Innenhalb der Stadt bietet sich auch die Sharing-Systeme von Lime (li.me) und Veo (veoride.com), die E-Bikes und Roller anbieten.
Text und Bilder: Ralf Johnen im Dezember 2024. Der Autor war auf Einladung des Port of Seattle (portseattle.org) und Washington State Tourism vor Ort.
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