Eine Wattwanderung in Holland gehört zu den spannendsten Urlaubserlebnissen. Möglich ist die Wattwanderung auf den Inseln Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland und Schiermonnikoog. Wir aber haben unsere Tour auf dem Festland in Pieterburen bei Groningen in Angriff genommen.
Vor rund 7500 Jahren hat die Natur das Wattenmeer geschaffen. Die Evolution hat umgehend reagiert und zwischen der niederländischen Insel Texel und dem dänischen Esbjerg eine neue menschliche Subspezies geschaffen: den Wattwanderer. Ich schließe erstmals an einem angenehmen Septembertag Bekanntschaft mit dieser Gattung Mensch. Genau genommen stehe ich etwa 30 Kilometer nördlich von Groningen in der Lobby eines Hotels in Pieterburen, wo mir ein drahtiger Typ namens Chris nach der Musterung meiner Füße ein paar Gummistiefel verpasst.
Zu jeder Wattwanderung an der Nordsee gehören passende Schuhe
Anschließend soll die etwa zehn Leute starke Gruppe ihm auf dem Weg nach Noordpolderzijl folgen. Der Mann hat es eilig: Er bürstet durch das platte Land. So ist das wohl, wenn die Gezeiten den Lebensrhythmus vorgeben. Nach einer Viertelstunde parken wir hinter einer Deichkrone, wo wir das geliehene Schuhwerk anziehen.
Chris stürmt den Deich hinauf, wo er kurz über die niederländische Küstenlandschaft doziert. Zum allgemeinen Erstaunen sehen wir nur saftige Wiesen, die von glücklich aussehenden Schafen bewohnt werden. Erst am Horizont zeichnet sich so etwas wie das Meer ab. Wir schreiten mit anhaltend flottem Schritt voran. Chris untersucht den Kadaver einer Möwe, um dieser einen natürlichen Tod zu attestieren.
Gastronomische Wattwanderung in Holland
Nach etwa 15 Minuten werden die Wiesen sumpfiger. Hier gedeiht nur noch ein Gewächs: Queller. Die Pflanze hat einen festen Biss, schmeckt angenehm salzig und wird neuerdings recht gerne in der Gastronomie verwendet. In Restaurant kommt Queller mit dem leicht beschönigenden Namen Meeresspargel auf den Teller. Ich versinke derweil erstmals bis über die Knöchel im Schmodder.
Weiter geht es ins Gezeitenland, aus dem immer noch Wasser abfließt. Hierzu bilden sich Flüsse mit teils beachtlicher Strömung, die immer nur für wenige Stunden Bestand haben, ehe die Flut den Grund wieder überspült. Priele heißen die vergänglichen Gewässer in der Fachsprache. Chris zeigt auf verwitterte Holzpfähle, stumme Zeugen des vergeblichen Versuchs früherer Generationen, den Küstenstreifen auszudehnen.
Wattwurm im wundersamen Gezeitenland
Er zeigt den Wattwanderern Miesmuscheln, Herzmuscheln, Pfahlmuscheln und Pazifische Austern, die in der Nordsee heimisch geworden sind. Zielsicher gräbt er einen Wattwurm aus, der maßgeblich zur Auflockerung des Bodens beiträgt. Natürlich darf auch die glasige Garnele nicht bei der Fauna-Schau fehlen.
Die Erklärungen über die Eigenheiten der Bewohner des Wattenmeers aber sind für Chris nur Beiwerk. Als er alles angehakt hat, kommt er auf sein eigentliches Thema zu sprechen: »Seht er das da hinten?«, möchte es wissen. »Das ist die Insel Borkum«. Eine Art Obsession für Chris und seine Interessensgenossen, denn das Eiland gilt als größte Herausforderung für den niederländischen Wattläufer.
Borkum, berichtet er, ist theoretisch im Rahmen einer Wattwanderung auch ab dem niederländischen Festland zu Fuß erreichbar. Aber nur bei geeigneten Bedingungen: Und unter Beachtung eiserner Regeln. Luftlinie sind es vielleicht 20 Kilometer bis zu dem Eiland, dessen nüchterne Hochbauten wir an diesem Tag leicht sehen können. Doch das ist viel zu viel für die Dauer einer Ebbe.
Also steuern Profis erst die unbewohnten Düneninseln Zuiderduintjes und Rottumeroog an. Und dann gebe es da noch eine Sandbank in der Nähe des Emsabflusses, auf der hartgesottene Wanderer auch schon mal eine Nacht verbracht hätten.
Übernachtung auf der Sandbank
All das sei ein ganz schönes Abenteuer. Die Königsdisziplin sozusagen, denn die Durchquerung des Watts zu den holländischen Inseln Schiermonnikoog und Ameland sei ja nicht weiter schwierig und in Begleitung eines guten Führers auch für ungeübte Touristen möglich.
Überall scheint im Wattenmeer ein Abenteuer zu lauern, was ich mir interessiert anhöre. Doch ich selbst stakse wie ein Storch im Salat umher. Immer wieder rutsche ich aus. Beim Durchschreiten der Priele unterschätze ich das fast schon hüfttiefe Wasser. Zwei Mitwanderer landen gar im Matsch.
Nach zweieinhalb sehr kurzweiligen Stunden wird es bei der Wattwanderung in Holland merklich kühler. Der Jahreszeit entsprechend, beginnt sich die Sonne rasch zu senken. Alle Wanderer außer Chris haben nasse Klamotten – und der Rückweg zieht sich.
Doch die salzige Luft, der Wind und das dramatische Licht sind magisch. So wie die ganzen drei Stunden in Gegenwart von Queller und Wattwurm. Eine Inszenierung der Natur, die sich zwei Mal täglich in mehreren Akten vollzieht. Endlich war ich einmal dabei.
Informationen über die Wattwanderung in Holland ab Pieterburen
Eine Wattwanderung in Holland ist zwischen Texel, Vlieland und Pieterburen an vielen Orten möglich. Es wird dringend davon abgeraten, das Wattenmeer ohne erfahrenen Guide zu betreten.
Unsere Führung haben wir im Hotel Waddenweelde in Pieterburen gebucht. Der beschauliche Ort in der Provinz Groningen eignet sich prima für ein paar geruhsame Tage. Das Hotel allerdings kann dringend einen neuen Anstrich gebrauchen.
Wattwanderung Preis
Die Tour durchs Wattenmeer ist nach Angaben des Hotels die meistgebuchte der Welt. Sie dauert dreieinhalb Stunden und war eine wunderbare Erfahrung. Der Beginn der Tour richtet sich nach den Gezeiten und variiert entsprechend. Die Teilnahme kostet zurzeit 16,75 Euro zuzüglich 7,50 Euro für das Ausleihen von Gummistiefeln oder Surfschuhen. Sie kann auf der Webseite von Wadlopen Pieterburen gebucht werden:
Text und Bilder zur Wattwanderung in der Nordsee: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Mai 2021. Der Autor war auf eigene Kosten im Watt unterwegs.
Leave A Reply