Das Volkshotel in Amsterdam ist ein herrlicher Ort. Das Haus entfaltet seine Qualitäten erst so richtig, wenn es regnet und stürmt. Sauna, Hotpods und eine eigene Kinoleinwand sind nur ein paar der Argumente.
Wir kommen am frühen Abend im Volkshotel in Amsterdam an. Unsere Klamotten sind mehr als bügelfeucht, obwohl es nur wenige Meter von der Metrostation Wibautstraat bis zum Hoteleingang sind. Es ist einer dieser Sommerabende, wie sie in der Nähe der Nordsee vorkommen. Dauerregen, Wind und keine Aussicht auf Besserung. All das vor einem Himmel, der uns nur sparsam mit Licht versorgt, obwohl es Juni ist.
Augenzwinkern ist Standard
Nachdem wir den Schlüssel erhalten haben, passieren wir auf dem Weg zum Aufzug zwei Wohnmobile. Ein augenzwinkernder Verweis auf die unter Niederländern seit jeher populärste Art des Übernachtens? Oder doch eine Anspielung auf das »Van Life«, das im Weltbild der Generation Instagram zum Religionsersatz geworden ist. »Wer arbeitet, verliert«, so habe ich mich diese Lebensphilosophie schon deuten hören.
Upcycling als Philosophie
Doch ich schweife ab. Während uns der Aufzug in der fünften Etage absetzt, freue ich mich enorm, dass wir heute in einem Hotelzimmer schlafen. Und nicht in einem Wohnwagen. Genau genommen haben wir eines der neu gestalteten Zimmer angefragt, mit denen das Hotel seine Gäste erfreut. Es trägt den Namen »Lost and Found« und wurde von Francois Duquesnoy gestaltet. Der Designer hat dabei dem Upcycling gefrönt und überwiegend Gegenstände verwendet, die andernorts aussortiert wurden.
Kein Luxus von der Stange
So ist das Volkshotel in Amsterdam keines jener Hotels, die mit Luxus von der Stange aufwarten. Nicht, dass Design hier kein Faktor wäre, aber es ist eben die schräge Variante. Vieles, was über die eingesetzten Signalfarben hinausgeht, erschließt sich erst beim zweiten Hinsehen. Blickfang unseres Zimmers ist die knallrote Badewanne, die vor dem Panoramafenster auf Besucher wartet. Dahinter: die verregnete Stadt (klicke auf den Link, um meine Geschichte über neue, coole Restaurants in Amsterdam zu lesen).
Schlafen in ehemaliger Zeitungsredaktion
Vielleicht etwas für später, denn nachdem wir einen Blick in die gut bestückte und im Preis inbegriffene Minibar geworfen haben, begeben wir uns ins Restaurant. Canvas heiß das Lokal, das sich im siebten Stock befindet. Der Name übrigens ist ein Kniefall vor dem Vormieter, der Volkskrant. Die große liberale Tageszeitung der Niederlande hat jahrzehntelang in dem streng modernistischen Bau residiert. Der Architekturstil hat in unserer Zeit nicht viele Bewunderer, weshalb es durchaus ein Wagnis war, hier ein Hotel einzurichten. Doch weil das Design gekonnt mit dem etwas brachialen Umfeld spielt, wird der spröde Bau zu einer Spielwiese mit vielen Überraschungen.
Dinieren im Canvas
Das Canvas ist populär vor allem bei jüngeren Einwohnern von Amsterdam, die Spaß an einer Küche haben, die orientalische Einflüsse mit niederländischen kombiniert. Nach dem Diner legen hier DJs auf. Am Abend sind gemeinhin die Plätze auf der Terrasse hart umkämpft – doch das fällt heute aus. Also bestellen wir zum Auftakt Margarita-Variationen.
Das Personal ist betont hip. Tattoos, Rauschebart und lackierte Fingernägel scheinen bei den Männern Pflicht. Das Essen ist überzeugend, besonders gefällt mir der Kabeljau mit Erbsen und der Hollandse Nieuwe mit Kartoffelsalat.
Ab in die Sauna des Volkshotel in Amsterdam
Nach dem Espresso ziehen wir uns die Badesachen an, um spärlich bekleidet das Dachgeschoss zu betreten. Hier warten drei Holzfässer, von denen zwei mit heißem und eines mit eiskaltem Wasser gefüllt ist. Es mag angesichts der bisherigen Abendaktivitäten gesundheitlich bedenklich sein, doch wir können einem kurzen Saunabesuch (hier geht es zur Geschichte über einen Saunabesuch in Island) nicht widerstehen.
Für die anschließende Abkühlung genügt die Amsterdamer Abendluft. Die erwartete Bettschwere bleibt nicht aus. Nun schlägt die Stunde des wichtigsten Einrichtungsgegenstands. Per Knopfdruck lasse ich eine Leinwand herunter, die das komplette Panoramafenster bedeckt. Ich werfe das iPad an, suche kurz und entscheide mich für »La La Land«.
Ein perfekter Film für den Abschluss unseres Tages: Leicht, lustig – und mit viel kalifornischer Sonne. Auch am nächsten Morgen hat der Regen noch nicht aufgehört. Dafür wartet im Canvas ein leichtes Frühstück. Dazu läuft eine tolle Playlist, von der ich mindestens vier Songs durch Shazam jage. Ein schönes Souvenir, das mich an diesen herrlichen Aufenthalt erinnern wird.
Informationen über das Volkshotel in Amsterdam
Das Volkshotel liegt direkt neben der Metrostation Wibautstraat. Von hier aus bist du in fünf Minuten am Bahnhof Centraal. Es liegt am Rande des Viertels Oost, das grad am spannendsten ist in Amsterdam. Das Hotel hat 172 Zimmer. Neben den Standardzimmern gibt es auch vier Designer-Zimmer. Auch sind einige Vierbett-Zimmer vorhanden. Die Preise variieren stark.
Wibautstraat 150, 1091 GR Amsterdam, +31 020 2612 100
Text und Fotos: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Dezember 2021. Der Autor war auf Einladung des Hauses im Hotel.
4 Comments
Klasse Tipp – wir sind immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Hotels.
Fein. Lohnt sich auf jeden Fall!
Klingt nach einem tollen Hotel! Danke für den Tipp!
Es ist very sweet indeed!