Die Zugspitze ist Deutschlands höchster Berg. Doch rechtfertigt allein das einen Besuch im Süden Bayerns? Auf jeden Fall, wenn ihr diese Anleitung für einen perfekten Tag auf der Zugspitze beachtet.
Jede Anleitung für einen perfekten Tag an der Zugspitze kann nur mit einem Hinweis beginnen: früh aufstehen. Nur so ist das gesamte Pensum zu schaffen. Und nur so könnt ihr den Massen entkommen, die zur Zugspitze in erster Linie deshalb anreisen, weil in unserer Welt Superlative den Ton angeben.
Vision aus dem 19. Jahrhundert
Einige Visionäre beflügelte das schon Ende des 19. Jahrhunderts zu der Idee, den formschönen Gipfel der Zugspitze für den Tourismus zu erschließen. Vorbild war die Drachenfelsbahn, die schon seit 1883 Passagiere auf den höchsten Gipfel des Siebengebirges brachte.
Mit 321 Metern war der Weg zum Gipfelkreuz im Rheinland im Vergleich zu den 2962 Metern der Zugspitze jedoch ungleich kürzer.
Anleitung für einen perfekten Tag auf der Zugspitze: die Zahnradbahn
Die Idee war gut, aber die Zeit noch nicht bereit. So sollte es bis 1924 dauern, ehe die Behörden in Bayern grünes Licht für den Bau der Zahnradbahn gaben. 1930 schließlich konnten die ersten Züge von Garmisch-Partenkirchen über eine Zwischenstation am Eibsee zum Gipfel der Zugspitze fahren. Da lag die erste Besteigung der Westspitze bereits 110 Jahre zurück.
Die Strecke für die Zahnradbahn ist insgesamt 19,5 Kilometer lang. Wer sich nun die vielleicht naheliegende und eventuell zugleich naive Frage stellt, ob der Berg nach der Bahnlinie benannt ist und im Zeitalter vor der Mobilität anders benannte war, dem sei mit auf den Weg gegeben, dass dies nicht der Fall war.
Woher kommt der Name der Zugspitze?
Die Zugspitze wurde bereits 1590 unter ebendiesem Namen erwähnt, den Deutschlands höchster Berg vermutlich den Lawinen verdankt, die auf seinen Flanken bestimmt Zugbahnen mit Geröll hinterlassen haben.
So viel zur Geschichte, die wir mit auf den Weg nehmen, als wir uns gegen 8 Uhr am Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen einfinden. Kurz darauf nehmen wir Platz in einem himmelblau und weiß lackierten Doppeltriebwagen und genießen die erste Streckenhälfte eher still. Wir planen den Zug am Haltepunkt Eibsee wieder zu verlassen.
Erstes Gebot für den Trip auf die Zugspitze: Früh aufstehen
Die Anleitung für einen perfekten Tag auf der Zugspitze besagt, dieser vor dem Spiegelbild des restlichen Deutschlands exotischen Erscheinung in aller Frühe einen Besuch abzustatten. Nur noch zwei weitere Fahrgäste der ersten Bahn verlassen diese am Haltepunkt, um uns zum Ufer vorauszueilen. Als wir dort ankommen ist ihr Vorsprung so groß, dass wir sie nicht mehr sehen.
Der Eibsee selbst liegt still da. Die Cafés sind noch geschlossen. Die Tretboote sind fest vertaut. Und die Oberfläche des Sees gibt kaum ein Zeichen der Rührung von sich. Gemächlich schreiten wir an diesem windstillen Vormittag in Richtung des Uferwaldes, der verführerisch nach Koniferen duftet.
Der Eibsee: Wie die Karibik oder doch wie Kanada?
Leicht ungläubig betrachten wir die Szenerie. Vor uns also liegt der Eibsee, der von hellem Gestein eingerahmt wird. Aus der Ferne gleicht dies einem Strand wie in der Karibik. Dahinter baut sich eine Bergkette von moderater Höhe auf, deren untere Gefilde mit Nadelwald bewachsen sind.
Auf den Spitzen der Berge liegt noch Schnee. Diesen Anblick wiederum ordnen wir unwillkürlich einer Wildnis zu, wie wir sie eher in Kanada erwarten würden.
Ehrgeiziger Outdoor-Sportler am Eibsee
Still genießen wir den Anblick für eine unbestimmte Zeit. Auch das also ist Deutschland – in weiter Entfernung zum Rheinland, wo wir herkommen. Erst nach einer Weile merken wir, dass es langsam voller wird.
Ein Pärchen schiebt einen Kinderwagen vorbei, ein offensichtlich ehrgeiziger Outdoor-Sportler in vollem Ornat bürstet über den Uferweg. Ein Besuchergruppe aus den USA möchte den See erkunden und Selfies vor der beeindruckenden Kulisse machen.
Zurück zur Talstation
Für uns ist es das Signal, zur Talstation der Zugspitzbahn zurückzukehren. Auch jetzt gegen 10.45 Uhr ist die Bahn noch nicht allzu voll. Als sie sich den Berg hochzuschrauben beginnt, blicken wir mit wachsendem Interesse aus dem Fenster. Bis zum Eibsee, der etwas hinter der Streckenmitte liegt, haben wir nur 300 Höhenmeter überwunden. Auf den verbleibenden 8,8 Kilometern sind es derer 1580.
Nach einer Weile drosselt der Zug merklich seine ohnehin bescheidene Geschwindigkeit. Aus dem Fahrerhäuschen meldet sich eine Stimme, die auf einen vermeintlich formidablen Ausblick hinweist. Wieder handelt es sich um den Eibsee, dessen unwirkliches Erscheinungsbild aus der Ferne abermals für Begeisterung sorgt. Egal, ob er uns nun an Kanada oder an die Karibik erinnert. Danach geht es in den Tunnel, den wir erst kurz vor dem sogenannten Zugspitzplatt wieder verlassen.
Farblich prekäre Funktionskleidung
Dort angekommen, verspricht die Anleitung für einen perfekten Tag an der Zugspitze einen radikalen Wechsel der Aktivitäten. Von der Sonne geblendet und übertrieben dick eingepackt, verlassen wir den Bergbahnhof, um die Füße in den Schnee zu setzen.
Hier oben auf knapp 2600 Meter herrscht mäßiger Andrang, der in eine vorhersehbare Aktivität mündet. In farblich prekäre Funktionskleidung gehüllte Menschen trinken auf der Terrasse des Gletscherrestaurants Sonnalpin Kaffee und freuen sich über den makellosen Tag.
Mit dem Aktenkoffer zur Gletscherkapelle
Wir heben uns das als Option für später auf und schreiten stattdessen in Richtung der Skipisten. Die haben an diesem Frühsommertag bereits ihren Betrieb eingestellt. Dabei aber sehen sie zumindest in der Frühe so aus, als könne man hier herrlich carven. Nach einem kurzen Anstieg entledigen wir und unserer Jacke – und staunend sehen wir dabei zu, wie ein Mann mit Aktenkoffer zu der nahen Kapelle schreitet.
Wir werten dies als kleinen Streich der zivilisierten Welt, die uns davor bewahren möchte, in der unwirklichen Umgebung auf allzu entrückte Gedanken zu kommen. Aber wir lassen uns nicht davon abhalten, den Fernblick auf Hunderte Alpengipfel zu genießen. Nur ein kleiner Exkurs in die Realität des Weltklimas mindert die Freude merklich. Wie lange hält das ewige Eis des Zugspitzgletschers noch stand?
Letzte Etappe auf dem Weg zum Gipfel der Zugspitze
Erst weit nach Mittag nehmen wir die letzte Hürde zum Gipfel der Zugspitze. Die Gletscherbahn bringt uns binnen weniger Minuten zum höchsten Punkt des Landes. Nachdem ich bereits als geographieversessenes Kind hierhin wollte, ist der Augenblick etwas sehr Besonderes.
Fast ein wenig andächtig schreiten wir auf der Gipfelplattform umher, begutachten die Wetterstation – und erinnern uns einer traurigen Geschichte, die wir erst wenige Wochen zuvor gehört haben. Ein Ehepaar ist auf den Flanken der Zugspitze bei einer Wanderung ums Leben gekommen. Beide waren dem Vernehmen nach unzureichend auf die Tour vorbereitet. Eine von vielen Tragödien, deren Schauplatz der Berg regelmäßig ist.
Goldenes Gipfelkreuz
Noch während wir über das Unglück reden, fällt unser Blick auf das Gipfelkreuz der Zugspitze. Es thront auf einem Felsen, der nur für geübte Alpinisten mit voller Ausrüstung erreichbar ist. Just in diesem Augenblick posieren vier mit Kameras bewaffnete Männer vor dem goldenen Kreuz. Es wird neuerdings immer öfter von Gipfelstürmern missbraucht, die noch höher hinauswollen. Meist ebenfalls für ein Foto. Was leben wir in für einer Zeit.
Nun ist es nicht mehr weit bis zur Nordflanke der Zugspitze, die erstaunlich steil abfällt. Ehrfürchtig schauen wir auf die Eiszapfen, die an die Kante der Terrasse genagelt scheinen. Gut 2000 Meter tiefer breitet sich der bereits erwähnte See aus, dessen Erscheinungsbild wir erneut studieren, das ich jedoch nicht noch einmal beschreiben möchte.
Auch ein Schneeschauer gehört zum perfekten Tag auf der Zugspitze
Kurz darauf zieht eine Schneeflocke unsere Aufmerksamkeit auf sich. Als wir uns umdrehen, sehen wir eine bedrohlich dunkle Wand auf uns zukommen. Recht unvermittelt befinden wir uns in einem veritablen Schneeschauer. Gestandene Bajuwaren hatten uns gewarnt, dass so etwas jederzeit passieren könne.
Wir sind also vorbereitet und reagieren mit kühlen Kopf: »Höchste Zeit für die finale Etappe«, denken wir uns. Diese führt uns vorbei an der altehrwürdigen Münchner Hütte zum westlichen Part der Aussichtsplattform. Hier befindet sich der offizielle Grenzübergang nach Österreich. »Herzlich willkommen in Tirol« steht feierlich auf einem Schild, das neben dem Grenzhäuschen postiert ist.
Grenzposten auf dem Gipfel
Ein Relikt aus vergangenen Zeiten, als offene Grenzen in Europa noch nicht selbstverständlich waren. Und zugleich die Erinnerung daran, dass sich Deutschland seinen höchsten Berg mit Österreich teilt.
Das Nachbarland selbst besitzt ungleich höhere Berge und würde die Zugspitze wohl gar nicht weiter beachten, wenn ihr Gipfel sich nicht auf dem Territorium des Nachbarlandes befinden würde.
Die Zugspitze: Ein Geschenk für Kaiserin Sisi?
Weil dies aber nun einmal so ist, haben die Österreicher eine Legende in die Welt gesetzt. So sei die Zugspitze ohnehin ein Präsent des österreichischen Kaisers Franz Josef für die bayerische Prinzessin Sisi gewesen. Damit sich auch Bayern eines richtigen Berges rühmen könne.
Eine schöne Anekdote, in der wir an Bord der nagelneuen Kabinenbahn zurück zum Eibsee milde lächeln.
Anleitung für einen perfekten Tag auf der Zugspitze
Die Zugspitzbahn bringt das gesamte Jahr über bei Wind und Wetter Besucher zur Zugspitze. Dabei gehören sowohl die ehrwürdige Zahnradbahn ab Garmisch-Partenkirchen wie auch die neue Kabinenbahn ab Eibsee zum Betrieb.
Der erste Zug fährt um 8.15 Uhr zum Zugspitzplatt, wo er um 9.28 Uhr ankommt. Die letzte Zahnradbahn gen Tal verlässt die Zugspitze um 16.30 Uhr. Die erste Seilbahn fährt im Juli und August um 8 Uhr ab Eibsee, sonst geht es um 8.30 Uhr los.
Tickets für eine Berg- und Talfahrt in einem Verkehrsmittel nach Wahl kosten 63 Euro. Alle anderen Preise findet ihr hinter diesem Link.
Ralf Johnen, September 2022. Der Autor war auf Einladung der Deutschen Zentralen für Tourismus in Bayern. Weitere Informationen zu Bayern gibt es auf der Homepage des Tourismusbüros des Freistaates.
2 Comments
…wieder ein großartiger Bild-Bericht, der jede, der schon einmal dort war (so wie ich) direkt wieder dorthin versetzt : viele Erinnerungen und Bilder waren sofrot wieder präsent, danke, Manni.
Vielen Dank! So soll es sein…