Manche Dinge sind in Europa schlichtweg unmöglich. Dazu gehört der schnelle Aufstieg auf einen mehr als 4000 Meter hohen Berg. Eine Schweizer Bergbahn bringt ihre Passagiere am Klein Matterhorn bei Zermatt auf immerhin 3883 Meter. Als Chauffeur eines Autos kommt man über die 2802 Meter des Col de la Bonnette in den französischen Alpen nicht hinaus. In Colorado hingegen ist diese Erfahrung relativ normal.
Grund genug also, mich auf meinen Trip in die USA, wo ich für den ADAC recherchieren sollte. Auf der Liste ganz oben stand der Pikes Peak, ein 4301 Meter hoher Gipfel. Der Berg ist Teil der Front Range der Rocky Mountains und erhebt sich in unmittelbarer Nähe zu Colorado Springs.
Auf den Spuren von Walter Röhrl
Schon in meiner Jugend wusste ich, dass eine gut befahrbare Straße bis zur Spitze des Berges führt. Und mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu konnte ich auf dem Röhrenfernseher die Austragung eines Rennens verfolgen, das Jahr für Jahr auf den Flanken des Berges ausgetragen wurde. Zu den Teilnehmern gehörten Typen mit schnittigen Namen wie Walter Röhrl, der die 19,7 Kilometer im Cockpit eines flammenspuckenden Ungetüms in weniger als elf Minuten zurücklegte.
Das Rennen wird unter dem Namen »Pikes Peak International Hill Climb« bis heute ausgetragen. Die Rennstrecke allerdings beginnt erst auf einer von 2862 Metern. Mittlerweile ist die Bestmarke für die Absolvierung der 1439 Höhenmeter mit 156 Kurven auf 7 Minuten und 57 Sekunden gesunken.
Interessante Fußnote: der Rekord wurde mit einem Elektroauto aufgestellt, das herkömmlichen Verbrennungsmotoren auf kurzen Distanzen wegen seiner besseren Beschleunigung überlegen ist.
Start im legendären Broodmoor
Meine Fahrt ist natürlich deutlich länger als die Rennstrecke. Ich starte auf 1900 Höhenmetern nach einer Nacht im legendären The Broadmoor. Das ehrwürdige Luxushotel wurde 1918 eröffnet und stammt somit noch aus der Gründerzeit des Tourismus.
Schon damals kursierte in den patriotischen USA ein Lied mit dem Titel »America the Beautiful«, für dessen Text die Englischprofessorin Katherine Lee Bates verantwortlich zeichnet. Seine schwelgerischen Zeilen beziehen sich auf den Pikes Peak. Heute trägt auch der Jahrespass des US National Park Service diesen Namen, der zum Eintritt in alle Nationalparks der USA berechtigt.
Rund die Hälfte der Strecke ist Teil einer Durchgangsstraße. Erst hinter dem Bergdorf Manitou Springs zweigt die eigentliche Gipfelstraße nach links ab. Hier auch befindet sich die Talstation eines Verkehrsmittels, das deutlich charmanter als ein Automobil ist: die Pikes Peak Cog Railway ist eine herrlich altmodische Zahnradbahn, die jedoch 2018 ihren Betrieb wegen anhaltender technischer Schwierigkeiten bis auf weiteres einstellen musste. Weil ihre Modernisierung erst 2021 abgeschlossen sein wird, konnte ich leider nicht an Bord gehen.
Colorado jenseits der Baumgrenze
Stattdessen fahre ich gemächlich und bei überschaubarem Verkehr bergauf. Zunächst bleibt der Nadelwald das dominierende Element. Noch auf 3200 Metern wachsen Douglasien, Espen und Tannen. Immer wieder lege ich Pausen ein. Die Fernsicht! Der dramatische Verlauf der Straße! Und nicht zuletzt die Steinwüste in Richtung Gipfel! Dies alles sind Impressionen, die ich nicht vergessen werde.
Wacklige Knie auf America’s Mountain
Die dünne Höhenluft wirkt sich zunächst wenig auf meinen Körper aus. Erst als ich am Gipfel aussteige merke ich, wie wacklig meine Knie sind. Auch eine leichte Übelkeit kann ich nicht von der Hand weisen. Obwohl ich mich rasch an die Umstände gewöhne, bekomme ich anschaulich vor Augen geführt warum Bergsteiger sich Zeit lassen müssen, wenn sie noch höher hinaus wollen.
Nach gut einer Stunde muss ich den Rückweg antreten. Abermals mit Fotostopps, schließlich weichen die Perspektiven bei der Talfahrt deutlich ab. Als ich in Manitou Springs eintreffe, gönne ich mir erst mal einen Flat White. Ein passender Kontrast nach diesem Kurzausflug in die unwirtliche Bergwelt.
Die Erfahrung möchte ich nicht missen. Kein Europäer, der einen Roadtrip durch Colorado unternimmt, sollte sie sich entgehen lassen. Auch wenn die Berge daheim höher sind: zwar zählt allein Colorado 58 sogenannte »Fourteeners«, also Gipfel mit einer Höhe von über 14 000 Fuß (4267 Meter). Doch der höchste von ihnen ist – ebenfalls in Colorado – der Mount Elbert mit 4401 Metern. Deutlich weniger als der Mont Blanc mit seiner Gipfelhöhe von 4810 Metern.
Informationen zum Trip auf den Pikes Peak
Von der Innenstadt von Colorado Springs sind es bis zur Mautstation des Pikes Peak Highway 18 Kilometer, von Denver beträgt die Distanz 130 Kilometer.
Die Straße ist für geübte Autofahrer relativ leicht befahrbar. Die Betreiber sind darum bemüht sie ganzjährig offen zu halten, was natürlich in diesen Höhen nicht immer gelingt. Das Wetter kann sich in Gipfelnähe ständig ändern und es kann jederzeit zu Wintereinbrüchen kommen. Infos dazu hier.
An der Mautstation wird ein Eintrittsgeld erhoben: Erwachsene 15 $, Kinder $, maximal 50 $ pro Auto. Tickets können online vorbestellt werden. Der Pikes Peak International Hill Climb wurde erstmalig 1916 ausgetragen. Das Rennen findet Ende Juni statt. Organisator ist das Hotel The Broadmoor. Die Zahnradbahn auf den Pikes Peak wird voraussichtlich 2021 wieder eröffnen. Auf dem Gipfel des Pikes Peak gibt es ein Restaurant und ein Café. Eine Tankstelle aber werden Besucher vergeblich suchen.
Text und Bilder: Ralf Johnen, August 2019. Der Autor war mit Unterstützung des Colorado Tourism Office vor Ort.
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