Das kleine Paternoster in Südafrika ist ein beschaulicher Badeort an der Westküste nur zwei Stunden nördlich von Kapstadt. Paternoster ist für seine weissen Häuser bekannt – und wie Frida van Dongen vor Ort herausgefunden hat, bestens für »slow travel« geeignet.
Der Urlaub in Südafrika beginnt mit Fahrstunden. Im fortgeschrittenen Alter habe ich beschlossen, das Linksfahren zu erlernen – hatte ich mich bisher doch erfolgreich gegen diese Schrulligkeit britischer Provenienz gewehrt. Und mich bequem durch verkehrt verkehrende Länder von England bis Tansania kutschieren lassen. Nun also mache ich mich am Steuer auf den Weg nach Paternoster in Südafrika.
Autofahren mit Links
An einem sonnigen zweiten Weihnachtstag ist es also so weit: weil die 112.000 Einwohner von Paarl sich offenbar in ihren Häusern verkrochen haben, halte ich es für vertretbar, in der ausgestorben wirkenden Stadt meine Fahrübungen zu absolvieren. Der am Westkap idyllisch zwischen Weinbergen gelegene Flecken hatte uns zudem eine geruhsame Nacht im empfehlenswerten d’Olyfboom Guesthouse beschert. So konnte ich mich ausgeschlafen ans Steuer setzen.
Schon nach ein paar hundert Metern realisiere ich: auf der falschen Seite der Straße zu fahren, ist gar nicht das Problem. Meistens hat man ja jemanden, dem man einfach hinterher gurken kann. Man muss sich halt grade am Anfang ein bisschen mehr konzentrieren. Es ist eher ungewohnt, mit Links zu schalten. Da würgt man schon mal an einer Kreuzung den Motor ab, ganz so wie bei der allerersten Fahrstunde im jugendlichen Alter.
Ein Museum, das dem Afrikaans gewidmet ist
Aber ansonsten klappt es ganz gut, auch dank des geduldigen Fahrlehrers an meiner (huch: falschen) Seite. Bis wir die Hauptattraktion des Ortes ansteuern: das auf dem Paarl Mountain gelegene Taalmonument. Um hinaufzukommen, muss man schon ein paar Mal mit Gefühl die Kupplung und den Schalthebel kombinieren – was mir mittelgut gelingt. Etwas gestresst parke ich also oben auf dem Berg und erblicke erst jetzt, was ich vor lauter Angespanntheit übersehen hatte. Einen meterhohen Betonpfeiler, der phallusgleich in den Himmel ragt.
Das nicht unumstrittene Denkmal – auch als »Beton-Penis« diffamiert – ist mit seinem angeschlossenen Museum der Sprache Afrikaans gewidmet. Während wir etwas ratlos durch die von Wasserläufen durchzogene Installation streifen, können wir dem grandiosen Ausblick auf die Landschaft und auch dem angeschlossenen Museum durchaus einiges abgewinnen. Hier wird erklärt, wie eine der jüngsten Sprachen des Kontinents mit Einflüssen aus Europa, Asien und Afrika entstand. Wie Afrikaans während der Apartheid als Instrument der Unterdrückung fungierte. Und warum sie heute eine der elf Amtssprachen Südafrikas ist.
Darling, fahr‘ mich nach Darling Brew!
Nach der linguistischen Lektion geht es nun zu meiner Erleichterung wieder bergab und Richtung Paternoster. Der etwa 160 Kilometer von Paarl entfernte Küstenort wäre auf gut ausgebauten Straßen erreichbar, wenn man nicht beschlossen hätte, auf halber Strecke Station bei einer Brauerei zu machen. Der einzige Weg nach Darling Brew führt nämlich über eine Sandpiste. Eine kleine Schikane, die mein Fahrlehrer zwar nicht bewusst eingeplant, aber dann doch feixend in den Trainingsparcours eingebaut hatte.
Kein Problem, das mache ich doch mit LINKS. Die 2010 gegründete Brauerei lohnt die etwas holprige Anfahrt auf jeden Fall. Vom süffigen Darling Brew Lager bis zum hopfigen Craft Beer »Braai PA« hält die zu den Top 5 des Landes zählende Brauerei ein ausgewogenes Angebot an Gerstensaft bereit.
Gut zu Fuß in Paternoster in Südafrika
Mit einigen flüssigen Fundstücken im Kofferraum fahren wir weiter und kommen am Nachmittag in Paternoster in Südafrika an. Woher der Name (Vater Unser) kommt, ist ungeklärt. Aber auch ohne dieses Wissen nimmt uns der Fischerort mit seinen weißgetünchten Häusern und üppiger Vegetation sofort für sich ein. Schnell das Auto eingeparkt, den Schüssel abgegeben und mein Lob für die Fahrtkünste eingeheimst – die nächsten fünf Tage werden wir den Wagen nicht mehr bewegen.
Denn Paternoster ist das, was Amerikaner einen »walkable place« nennen, ein Ort, an dem man sich doch glatt per Pedes fortbewegen kann. Für Südafrikaner ist dies ähnlich ungewöhnlich wie für ihre nordamerikanischen Genossen. Dies ist allerdings in Südafrika nicht nur der Bequemlichkeit geschuldet, sondern hat auch Sicherheitsgründe.
Kakteen als Schutz vor Einbrechern
Unsere liebenswerte Gastgeberin Pikkie versichert uns schon bei der kurzen Einweisung in das Ferienappartement, dass man unbesorgt durch den beliebten Ferienort bummeln könne. Wir haben bei ihr eine recht einfache, aber nette Wohnung mit eigener Terrasse gemietet. Sie gehört zu der ruhig gelegenen Anlage Klein Paternoster in der Pikkie Appartements unterschiedlicher Größe vermietet.
Also zur Fuß auf Erkundungstour. Das knapp 2000 Einwohner zählende Küstendorf ist gepflegt, die weißgetünchten Häuser proper, aber nicht pompös. Eingezäunte Nobelvillen wie in einigen Vororten Kapstadts findet man hier nicht. Bei einem Haus fungieren Kakteen der Sorte »Schwiegermuttersessel« offenbar als natürliche Barriere gegen Eindringlinge. Über verschiedene Trampelpfade geht es zum prächtigen, breiten Strand.
Slow travel in Paternoster: Versuchs mal mit Gemütlichkeit
Es weht eine steife Brise – keine Seltenheit, wie uns Einheimische versichern und wie wir selbst auch in den kommenden Tagen feststellen werden. Wir stemmen uns also beim Strandbummel gegen den Wind, beobachten Fischer und Muschelsucher, stapfen vorbei an einfachen Strandrestaurants. Paternoster ist ein Zentrum des südafrikanischen Hummerfangs, außerdem gibt es Austern- und Muschelfarmen. Seine gelebte Historie als Fischerdorf ist an den einfachen Häuschen am Strand mit Holzbooten vor der Tür zu sehen.
Neben dem Label »walkable« kann man Paternoster auch »slow travel« anheften. Der Ort lädt zum langsam-urlauben, zum Ausspannen, Zeit-verbummeln ein. Daran scheinen uns auch fünf Eulen gemahnen zu wollen, die vor unserem Appartement auf einem Baum hocken und uns argwöhnisch beäugen, wenn wir allmorgendlich zu unserer Joggingrunde aufbrechen. Als wollten sie sagen: »Ihr schrägen Vögel seid viel zu früh aus den Federn gekrochen, lasst doch mal den Schlendrian einkehren!«
Sternerestaurant Wolfgat in Paternoster: Wo Präsidenten speisen
Zum Slowtravel gehört natürlich auch der kulinarische Genuss. Neben diversen Delikatessengeschäften ist hier das berühmte Sterne-Restaurant Wolfgat beheimatet, das schon zahlreiche internationale Preise einheimste und zu dem Kapstädter mit ihrem Helikopter fliegen, wenn sie endlich einen Platz ergattert haben. Wir haben dieses Glück nicht. Doch wie wir auf Umwegen erfahren, speist Präsident Cyril Ramaphosa während unseres Aufenthalts hier.
Zu Gast bei lauten Austern
Das Bedauern hält sich aber deshalb in Grenzen, weil wir ein formidables Mittagessen in einem anderen Restaurant genießen. The Noisy Oyster ist ein unprätentiöses, kunterbunt gestaltetes Freiluftrestaurant mit gehobener Küche. In dem ich nicht nur den namensgebenden »lauten West-Coast-Austern« mit deliziöser Marinade verfalle, sondern auch einem unwooded Chardonnay von Spier.
Schwer zu toppen ist dieser Mittag, aber ebenfalls gut gefallen hat uns ein paar Tage später das Leeto Restaurant. Direkt am Strand gelegen, gehört es zum Boutique Hotel Strandloper. Bei herrlicher Aussicht genießen wir hier beispielsweise ein aromatisches Curry von Malay Spices West Coast Mussels und zarten Springbok.
Nach fünf Tagen müssen wir zu unserem großen Bedauern den Langsam-Urlaub beenden, um ins 160 Kilometer entfernte Kapstadt aufzubrechen. Als ich ins Auto steigen will und die fünf Eulen erblicke, rutsche ich auf die Beifahrerseite. Heute lasse ich mich kutschieren. Müßiggang ist das neue Motto. Das mache ich doch mit links.
Weitere Informationen über Paternoster in Südafrika
Was wir niemandem verheimlichen wollen: Das Wasser des Atlantischen Ozeans ist sehr kalt am Kap. In Paternoster beträgt die Durchschnittstemperatur im Juli 14,8 und im Januar 17,7 Grad. Für weitere Informationen schaust du am besten auf die Webseite von Südafrika Tourismus.
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Was für eine tolle Erlebnis- und Genießerreise, mitzuerleben auch dank Frida ! Groetjes, Manni.