Das alte Florida verscheindet mehr und mehr. In der Nähe der Tampa Bay ist es auf ganz unterschiedliche Weise konserviert. Myakka State Park, Anna Maria Island und »The Ringling« sind die Top-Attraktionen von Sarasota.
Natur pur: Der Myakka River State Park
Nach drei Wochen in Florida standen die Top-Attraktionen in Sarasota auf meinen Programm. Ein Ort mit einem wohlklingenden Namen, das ja, aber auf der Prioritätenliste des zentraleuropäischen Floridaurlaubers nicht weit oben angesiedelt. Und das ist ein Makel, denn Sarasota besitzt wenigstens drei Alleinstellungsmerkmale, die den Weg in ein anderes Florida ebnen.
Zunächst brauche ich Ruhe. Die erhoffe ich mir vom Myakka River State Park, der sich südöstlich der Stadt ausbreitet. Er ist ungefähr so groß wie die Nordseeinsel Texel. Und allein die Klassifizierung als State Park löst bei mir das Vorstadium zur Euphorie aus, habe ich doch in den ersten knapp drei Wochen der Reise ausschließlich großartige Lebenswelten dort vorgefunden. Ich sage nur: Manatees in Wakulla Springs.
Der Weg führt vorbei an den unvermeidlichen Suburbs, die in eine überbordende Vegetation übergehen, um in sumpfigen Gefilden zu enden. Ich fahre durch bis zum Outpost am Lake Myakka. Vom Ufer diagnostiziere ich aufgrund verräterischer Umrisse knapp oberhalb der Wasseroberfläche: es handelt sich um ein alligatorenverseuchtes Gewässer ohne substanzielle Strömung.
Parkranger sind Idealisten
Die Touristen in Floridas angeblich ältestem propellergetriebenem Pontonboot sehen angesichts der Reptilienschwemme ihre bösen Vorahnungen bestätigt. Sie haben präapokalyptischen Spaß, den ich nachvollziehen kann. Dennoch freue ich mich, dass ich Diana Donaghy treffe. Eine Frau in den Vierzigern, die sich dem Lifestyle eines Park Rangers verschrieben hat. Will sagen: Geld ist ihr egal. Dafür lebt sie in einer Hütte mitten in der Natur. Mehr ist nicht drin für die Leute, die sich um den Erhalt jener Landstriche kümmern, die dem Bundesstaat gehören – und die den allerorten lauernden Investoren nicht in die Hände fallen sollen.
Diana ist Idealistin. Sie hat nichts gegen Amerika oder »die Gesellschaft«. Aber sie mag es eben lieber, in einer spartanischen Hütte mitten in der geschützten Wildnis zu leben, als dem Konsum zu frönen. Für das kleine Gehalt eines Park Rangers tut sie ihr Bestes, den Touristen einen Ausflug in ursprüngliche Welten zu versüßen. Insgeheim aber freut sie sich darauf, das Unterholz zu pflegen. Weit draußen im Park.
»Du kannst hier tagelang wandern, ohne irgendjemandem zu begegnen. Tatsächlich sogar wochenlang«, sagt sie. Individualisten aus aller Welt machen das. Während ihrer Wanderungen begegnen ihnen in der Regel auch keine Alligatoren oder andere Kreaturen, die den Stadtmenschen dazu veranlassen würden, das automatische Verschlusssystem des SUV zu aktivieren.
Myakka nämlich ist zu großen Teilen Trockenprärie. Wer besonders viel Glück hat, kann eine der fünf Hütten anmieten, die in den 1930er Jahren aus Palmenstämmen gebaut wurden. Ein bizarrer Kontrast zu den Plastikvorstädten, die in unweiter Entfernung um künstliche Seen angelegt wurden. Ich beneide Diana ein wenig um ihr Leben, während ich zurück nach Sarasota fahre.
The Ringling: Top-Attraktion von Sarasota
Meine nächste Station ist das Anwesen eines Zirkusdirektors. Genau das war John Ringling (1866–1936) im frühen 20. Jahrhundert. Sensationen gab es damals nur analog, live und in Farbe. Das haben sich die ursprünglich fünf Ringling-Brüder für einen beispiellosen Aufstieg zunutze gemacht. Sie haben Feuerschlucker, Dompteure, Schlangenbeschwörer, Zwerge und Seiltänzer beschäftigt (insgesamt waren es mehr als 1300 Artisten und Arbeiter). Sie hatten eine Kanone, als deren Munition lebendige Menschen fungierten. Und natürlich hatten sie einen eigenen Zoo mit 800 Tieren – was auch immer man heute davon halten mag.
Mit ihrem Imperium wollten sie den gesamten Kontinent bespaßen. Hierzu erwarben sie ihren eigenen Zug. So konnten sie, wo auch immer sie waren, ihre eigene mobile Stadt errichtet. Mit ihrem Konzept, Spektakel, harte Arbeit und Innovationskraft miteinander zu verbinden, sind sie steinreich geworden. Genießen konnte das nur John Ringling, der 1927 der letzte Überlebende des Clans war und der den Sitz des Unternehmens nach Sarasota verlegt hat.
Märchenpalast Cá d`Zan von John Ringling
John und seine Ehefrau Mabel kultivierten mittlerweile einen recht extravaganten Geschmack, der an ihrem neuen Wohnort in Florida im Bau eines Märchenpalastes resultierte. Das Anwesen erhielt den ungewöhnlichen Namen »Cà d’Zan«, was im venezianischen Dialekt »Haus des John« bedeutet. Auch die Architektur trägt Züge eines Palazzo.
Einmal in Florida angekommen, haben sich John und Mabel in einen Kaufrausch hineingesteigert. Ihre Begierde galt der barocken europäischen Kunst: El Greco, Michelangelo und vor allem Rubens. Die Werke hängen heute in einem klassizistischen Museumsbau, der ebenfalls auf dem Anwesen der Ringlings steht. Die Sammlung gehört zu den größten Kulturschätzen des Bundesstaates.
Doch ist sie nicht das einzige Argument, einen ganzen Tag auf dem Anwesen einzuplanen: Die Ringlings haben sich wie gesagt ein Märchenschloss ans Wasser gesetzt, auf das auch exaltierte Popstars der Gegenwart neidisch wären (und das im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann). Auf dem Gelände steht das Asolo Theater, das in der gleichnamigen italienischen Stadt errichtet, abgebaut und später in Sarasota wiederaufgebaut wurde. Nicht zuletzt zeichnet das Zirkusmuseum Aufstieg und Niedergang des Imperiums nach.
Eine bewegende Geschichte, so viel sei verraten. Ganz davon abgesehen ist der Eintritt mit 25 $ ein Schnäppchen – wenn man den Preis mit den gruseligen Themenparks in und um Orlando vergleicht.
Anna Maria Island: Ein Eiland ohne Hochhäuser
Am späten Nachmittag verlasse ich das Areal, um Kurs auf Anna Maria Island zu nehmen. Aus verschiedenen Quellen habe ich ausschließlich Gutes über das Eiland gehört, das in mancher Hitliste direkt hinter Key West kommt. Tatsächlich ist der Strand fast schon obszön weiß und einladend breit. Die Grundstücke am Wasser sind mit Häusern bebaut, die nie mehr als zwei Stockwerke messen. Herrlich, um sich nach einem erfüllten Tag ein wenig den Wind um die Ohren blasen zu lassen.
Der geht ganz ordentlich, so dass mich dieser Wintertag fast ein wenig an die Nordsee erinnert. Zaghafte Heimatgefühle. Überraschungen. Viel Kultur und Natur. Mehr habe ich nicht gebraucht, um mich nach drei Wochen Arbeit in Florida mit frischer Energie aufzuladen. Als danach noch dieser Sonnenuntergang kam, war alles wieder gut.
Informationen über die Top-Attraktionen von Sarasota
Sarasota zählt etwas mehr als 50 000 Einwohner und liegt 90 Kilometer südlich von Tampa an der Golfküste. Am einfachsten ist der Ort mit dem Nonstop-Flug der Lufthansa zu erreichen. Mietwagen buche ich meistens bei Sunny Cars, die einen All-inclusive-Tarif ohne nervige Diskussionen anbieten.
Der Myakka River State Park befindet sich auf dem Territorium von Sarasota County 32 Kilometer südöstlich der Stadt. Er ist 147 Quadratkilometer groß und entsprechend weitläufig. Wanderer mit Zelt und Rucksack können tagelang umherlaufen, ohne jemanden zu treffen. Dafür leben hier neben all den Alligatoren auch Rotluchse, Weißkopfseeadler und zahlreiche Schildkrötenarten. Wer mag, kann eine altehrwürdige Hütte mieten. Der Eintritt kostet 6 $ pro Fahrzeug, 26 $ pro Übernachtung im Zelt und 70 $ pro Nacht in einer Holzhütte.
The Ringling befindet sich am Nordrand der City. Das Anwesen gehört zu den unerwarteten Sensationen aus den Anfängen der Massenbesiedlung, die Florida ob seiner schieren Größe in großer Vielzahl bereithält. Der Eintritt kostet 25 $, was ich für einen sehr fairen Preis halte, da man sich hier einen ganzen Tag lang verdingen kann. Geöffnet ist täglich von 10 bis 17 Uhr (Do bis 20 Uhr).
Anna Maria Island befindet sich 30 Kilometer nordwestlich von Sarasota und gehört streng genommen nicht zum Stadtgebiet. Wer unbedingt auf dem Territorium bleiben möchte, hat mit Lido Key (wieder so ein Kniefall vor Venedig) und Siesta Key zwei Inseln zur Auswahl, die bei den unvermeidlichen Umfragen zu den tollsten Stränden des Kontinents oft ziemlich weit vorne landen.
Text und Bilder: Ralf Johnen
Meine Reise zu den Top-Attraktionen von Sarasota wurde von Visit Florida und dem örtlichen Tourismusbüro von Sarasota unterstützt. Unterwegs war ich dort vor allem, um für meine Bücher für Merian und den ADAC zu recherchieren.
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