Cadillac Ranch? Old news! Rich Henry betreibt in Staunton seine ureigene Rabbit Ranch. Natürlich ist diese ein Verweis auf die besagte Automobilskulptur. Doch wer im Süden von Illinois anhält, wird mit weitaus mehr belohnt – insbesondere mit schrägen Geschichten.
Schon das Kapitol in Springfield ist St. Louis deutlich näher, als an der mächtigen Metropole Chicago. Dahinter wird Illinois noch ländlicher, was in den USA der Gegenwart recht ähnliche Begleiterscheinungen nach sich zieht:
Die meisten Dörfer und Kleinstädte, die lange Jahrzehnte von der Route 66 gezehrt haben, geben sich kaum noch Mühe, ihren schleichenden Niedergang zu vertuschen. Einst stolze Backsteinbauten sind verrammelt, die Farbe blättert ab. Viele Menschen sind enttäuscht. Sie geben jedem ihre Stimme, der Abhilfe verspricht.
Aufgeräumtes Litchfield
Doch es gibt immer wieder Ausnahmen. So wie Litchfield, das einen recht aufgeräumten Eindruck macht und ein nettes Route-66-Museum besitzt. Die typisch amerikanischen Volunteers, ehrenamtliche Helfer, feiern hier den Glanz von einst.
Kurz darauf bittet in Mt. Olive mit der Soulsby Service Station eine wunderschöne Vintage-Tanke zum Foto-Stopp. In Stanton schließlich macht wie aus dem Nichts eine Sehenswürdigkeit ihre Aufwartung, wie man sie an der Route 66 per Definition vermutet – ohne exakt zu wissen, wie diese aussehen könnten.
Henry’s Rabbit Ranch: Anspielung an eine Ikone der Route 66
Tatsächlich wirkt Henry’s Rabbit Ranch auf den ersten Blick wie eine etwas abgehalfterte Tankstelle. Zumindest bis man auf dem vorgelagerten Rasen die Kadaver von sieben VW Golfs sieht, die hier in den Boden gerammt sind. Dies könnte man im Vorbeifahren als billigen Abklatsch der Cadillac Ranch bei Amarillo abtun. Doch bei einem Zwischenstopp wird schnell klar, dass mehr dahintersteckt.
Der VW Golf, das nur zur Erinnerung, firmierte von 1978 bis 2009 in den USA als Rabbit. Ein tolles Fahrzeug, fanden Rich, der mit einer Deutschen verheiratet ist, und sein Vater schon früh.
Die beiden schaukelten sich immer weiter gegenseitig hoch, bis sie zu gegebener Zeit über 40 Rabbits aus den ersten Generationen besaßen.
Dompteur der Riesenkaninchen
Das aber ist nur die halbe Geschichte, denn Rich ist 1999 unverhofft in den Besitz von 14 Riesenkaninchen gekommen, die im Englischen gleichfalls als Rabbits bezeichnet werden. Das verleitete den Versicherungsagenten zu dem Beschluss, sein Leben fortan ein paar Sachen zu widmen, die ihm mehr Freude bereiten sollten, als die Vorbereitung von Policen mit Klauseln.
Seitdem ist er Tag für Tag auf dem weitläufigen Gelände seiner Tankstelle anzutreffen. Nicht selten scheint hier im Mittleren Westen die Sonne und es duftet nach frisch gemähtem Grad. Dennoch sitzt Rich meist in seinem Tankwarthäuschen, das er zu einem Kuriositätenkabinett ausgebaut hat. Als anfangs die ersten Besucher vor allem aus Deutschland seinen Laden aufsuchten, war er noch überrascht.
Lieber Dienstleister als Verkäufer
Mittlerweile aber kommen Touristen aus aller Welt nach Staunton um einen Plausch mit ihm zu halten. Was er daraus gelernt habe? Nun, sagt der freundliche Mann, man sollte im Leben nicht als Verkäufer auftreten, sondern als Dienstleister. Für ihn bedeutet das im Klartext, dass er den Anekdotenfundus seiner Besucher mit schrulligen Geschichten füllt.
Außerdem posiert er bereitwillig mit seinen Kaninchen, die erstaunliche Ausmaße annehmen und die zu seinen treuen Begleitern geworden sind. Um seine Wertschätzung für die Kameraden angemessen zum Ausdruck zu bringen, hat er neben dem Autofriedhof einen eigene Grabstätte für sie angelegt.
Das mögen erstaunliche Gefühle sein für einen älteren Mann, der Tag für Tag Harley-Fahrer empfängt. Sie werden aber noch bemerkenswerter, wenn man die Aufkleber an der Eingangstüre zu seinem Kabuff sieht. Diese drücken seine Verehrung für den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten aus. Vor allem für Europäer eine interessante Erkenntnis, dass sich dies mit dem Züchten von Kaninchen und einem hochgradig freundlichen Wesen vereinbaren lässt. Sage noch mal einer, die Route 66 berge kein Lernpotenzial mehr.
Informationen zu Henry’s Rabbit Ranch
Die Rabbit Ranch beziehungsweise Tankstelle befindet sich rund 95 Kilometer südlich von Springfield an der Route 66. 1107 Historic Old Route 66, Staunton, IL 62088, Tel. (618) 635 56 55, geöffnet ist, wenn Rich vor Ort ist. Der Eintritt ist kostenlos, der Erwerb von Memorabilien nicht unerwünscht.
In der Nähe von Henry’s Rabbit Ranch
Soulsby Service Station Die Nostalgie-Tankstelle von 1926 ist die älteste noch in Betrieb befindliche in ganz Illinois. Nicht zuletzt dank ihres dekorativen Vordachs eignet sie sich gut für Instagram. 710 West 1st South Street, Mt. Olive, IL 62069
Litchfield Museum and Route 66 Welcome Center Rühriges Museum mit freundlichem Personal, bereitwilligen erzählten Anekdoten und unzähligen Exponaten – darunter auch klassische Automobile.
334 Historic Old Route 66 North, Litchfield, IL 62056, Tel. (217) 324 35 10, Mo–Sa 10–16, So 13–16 Uhr, im Winter Mo, So geschl., Eintritt frei
Ariston Café Für Traditionalisten und Nostalgiker: Das typisch amerikanische Lokal ist seit 1935 in Betrieb und zählt somit zu den ältesten entlang der Strecke. 413 Old Route 66 North, Litchfield, IL 62056, Tel. (217) 250 20 31, Di–So 11–20, Fr, Sa bis 21 Uhr
Jubelt’s Bakery Einst eine große Kette, ist das Stammhaus in Litchfield die letzte verbliebene Filiale. Diese aber nicht zuletzt wegen der Cookies rasend populär. 303 Old Route 66 North, Litchfield, IL 62056, Tel. (217) 324 53 14, tgl. 6–20 Uhr
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