Hongkong. Das war doch diese Stadt mit den Nachtmärkten. Mit Restaurants, in denen man Tauben und Frösche verspeist. Mit Einkaufszentren, die Fanale turbokapitalistischer Konsumwut sind.
Mit spektakulären Wolkenkratzern wie dem ICC, in dem sich mit dem Ritz Carlton das höchste Hotel der Welt befindet. Und mit Hochhausburgen, die, nun ja, ein wenig menschenverachtend daherkommen.
Stimmt alles. So ist bei aller Faszination nur schwer zu verkennen, dass Hongkong ein dicht besiedelter Moloch ist. Doch die einstige britische Kronkolonie ist zugleich ein weitläufiger Archipel, dessen weiter von Downtown entfernte Inseln überraschend anders sind: Dünn besiedelt, fast autofrei – und voller Lebewesen, die mir als mitteleuropäischem Stadtkind alles andere als geheuer sind.
Schon die Anreise macht Spaß: Die Fähre der Hongkong and Kowloon Ferry Holdings Limited braucht 25 Minuten und kostet zwischen 17 und 24 Hongkong Dollar (2 bis 3 Euro). Ich entscheide mich für die Anfahrt nach Yung Shue Wan im Westen der Insel.
Ein Fischerdorf, das schwer festzulegen ist: Ärmliche Wellblechhütten am Wasser, villenartige Behausungen an den Flanken der Hügel. Dazwischen ein buntes Dorf mit hippieartigem Charme, nur maßvoll touristisch.
Von Yung Shue Wan führt ein Wanderweg quer über die Insel. Vorbei an Bananenstauden geht es über einen kurvigen Parcours steil bergauf und bergab – schönen Aussichten über Buchten und Dörfer bleiben nicht aus.
Immer wieder fliegen handtellergroße Schmetterlinge durchs Bild. Vorboten einer Insektenwelt, die von Mutationen geprägt scheint.
Zwar sind es nur harmlose Seidenspinnen, doch ihre Größe von bis zu 15 Zentimetern flößt mir zumindest Respekt ein. Die Einheimischen sind da weniger zimperlich. Ihnen dienen die Insekten als Nutztiere (!) – und wenn nicht das, so verspeisen ihre Körper mit rohen Kartoffeln.
Die meditative Wanderung abseits der Großstadt führt zu einem hübschen Strand. Hier halten sich fast nur Einheimische auf – eine schöne Alternative zu dem ansonsten weit verbreiteten Hobby, durch ein Einkaufszentrum zu paradieren, um das sauer verdiente Geld auf den Kopf zu hauen.
Die letzte Etappe der nur rund fünf Kilometer langen Strecke führt nach Sok Kwu Wan. Freudiger Höhepunkt ist der Anblick eines schwimmenden Dorfes: Auf den Flößen, die in der Bucht vor Anker liegen, leben und handeln die örtlichen Fischer, die sich als „indigenes Volk“ bezeichnen.
Ein erhabener Anblick, der gewiss auch eine nähere Beschäftigung wert ist. Ich habe aber für heute genug. Schließlich sind es wieder 34 Grad in Hongkong – und ein eiskaltes Bier muss schon noch sein, ehe die Fähre mich zurück in die Metropole bringt.
Weitere Informationen zu Hongkong und Lamma Island
Die Webseite von Hongkong Tourismus
Text & Bilder: Ralf Johnen, Juni 2015. Der Autor war privat in Hongkong.
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