Gegenüber Elvis hatte ich keine ambivalenten Gefühle. Seine Musik habe ich nie gemocht. Seine testosterongeschwängerten Boxer-Dramen fand ich albern. Nur seine Anzüge hatten was. (+++Die Geschichte ist veraltet – Graceland hat ein Upgrade erfahren – niemand muss sich mehr aufregen – lest hier, wie Graceland in 2019 aussieht+++). Aber nachdem Public Enemy ihn in „Fight the power“ des Rassismus bezichtigt hatten, war das Kapitel für mich abgeschlossen. So gesehen hatte ich ein bisschen Angst vor dem Besuch in Graceland.
Als wir nach fünf sehr grandiosen Tagen in dem Suburb von Memphis ankommen, sind es draußen 98 degrees Fahrenheit. Wir melden uns bei Alicia, der PR-Dame, die uns noch in Deutschland mit einem Konvolut an Verzichtserklärungen überhäuft hatte, die wir zu unterschreiben hatten. Ziemlich abgezockt erzählt sie uns, was wir fotografieren und wo wir uns bewegen dürfen. Außerdem händigt sie uns ein Gutscheinheft zum Preis von schlappen 70 Dollar aus, mit dem wir Zugang zu allen Fan-Zonen erhalten.
Beschwingt führt uns Alicia (Ende 20, hohe Absätze, kurzer Rock, lange blonde Haare) durch das Haus des King.
Eine Symphonie des Grauens. In wuchtigen Farbkompositionen. Ich bin dankbar, als wir wieder an der frischen Luft sind. Doch Alicia wird langsam ungemütlich. „Come on guys“, sagt sie. „We gotta get this thing wrapped up“, bellt sie. Noch während wir uns erstaunt anblicken, führt sie uns zum Privatfriedhof.
Als ich mir ob der gewaltigen Kitschexplosion die Augen reibe, klingelt mein Telefon. Eine Kollegin will wissen, wo ich bin. „Am Grab von Elvis Presley“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Ja ja“, sagt sie, um mich dann ungeduldig zu fragen, wo meine Rezension bleibt. „Die habe ich vor zwei Wochen geschickt“, antworte ich. Abermals wahrheitsgemäß. Und nein, ich bin grad nicht im Stande, sie noch mal rüber zu beamen, weil ich ja wie gesagt…
Ich weiß nicht mehr, wie das Gespräch ausgegangen ist. Jedenfalls mochte uns Alicia auch am Grab keine Ruhe zum Innehalten gönnen. Viel mehr zerrt sie uns in die Autokollektion des King. Und die, ich gebe es zu, kann sich sehen lassen.
Besonders gut hat mir der rosa Cadillac vor dem weihnachtlichen Dekorum gefallen. Doch Alicia ist unerbittlich. „Come on, guys“. Es gilt noch, das Museum der Goldenen Schallplatten zu besichtigen.
Ein Haufen schlecht gekleideter Seniorinnen und Senioren begutachtet das Vinyl-Kabinett andächtig. Ich bin kurz versucht zu fragen, ob man hierdrin rauchen darf. Aber ich sehe davon ab. Nach nunmehr 65 Minuten gilt es jetzt noch die beiden Privatmaschinen von Mr. Elvis Presley zu besichtigen. Eine davon heißt wie jedes vierte Kölner Mädchen: Lisa Marie.
Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass mich der Gedanke beschäftigt, wie deplaziert der Hobel hier an der Ausfallstraße wirkt. Doch abermals gewährt Alicia uns wenig Spielraum für Meditationen dieser Art. Den Giftshop, sagt sie, müssen wir unbedingt noch sehen.
Und nicht zu vergessen: das „Restaurant“, in dem es nicht an desillusionierten Gestalten mangelt.
Ich wundere mich kurz über eine Schweizer Fahne, die neben einer Begrüßungstafel hängt. Alicia aber reißt mich auch aus diesem Gedanken heraus. Plötzlich aber zeigt sie sich von ihrer versöhnlichen Seite: „Do you guys want me to take a picture?“, will sie wissen. „Sure“, antworten wir. „Why not.“
Auf dem Weg zum Auto wissen wir einen Moment lang nicht, ob wir jetzt nicht doch plötzlich zu Graceland-Fans geworden sind. Aber nach zwei Sekunden beschließen wir: Nein! Auf dem Parkplatz kommt uns ein frisch verliebtes Pärchen entgegen. Spontan erinnern wir uns der 70-Dollar-Eintrittskarten, die Alicia uns ausgehändigt hatte. Weil wir sie nicht gebraucht haben, fragen wir die beiden: „You care for a ticket?“. „You’re welcome.“ Haben wir wenigstens eine gute Tat vollbracht.
Informationen:
Graceland befindet sich am Stadtrand von Memphis, Ternnessee. Die komplette Tour kostet 70 US-Dollar.
Dies hier ist nur eine persönliche Meinung. Es mag durchaus sein, dass Graceland vielen Besuchern gefällt. Abgesehen von Graceland hat mir Tennessee großartig gefallen.
Text und Bilder: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im September 2021
Ich war auf Einladung von Tennessee Tourism in Memphis und empfehle zur weiteren Lektüre den wirkliche tollen Rest des Bundesstaates
6 Comments
Ich habe viele Berichte über Graceland gelesen. Die Meisten beschreiben Graceland als einen sehr schönen- und gepflegten Ort.Dass ist kommerziell vermarktet wird, ist ja erst einmal nichts negatives. Davon abgesehen wird auf Graceland viele soziale Projekte veranstaltet. Warum der Besuch so dargestellt wird kann ich mir nicht erklären.
Ich habe noch nie so einen dummen Bericht über Graceland gelesen, der einfach nur schlecht ist und sicherlich nicht objektiv. Ich habe das Gefühl, dass der „Schreibene“ persönlichen Frust ablässt – wieso auch immer.
Selbst nicht Elvis-Fans beschreiben Graceland als ein sehr schönen und gepflegten Ort.
Nicht umsonst zählte Graceland mehrmals zu den beliebtesten Reiseziele der Welt (2013 und 2014).
Ein typischer Fall von: „(Fan-) Liebe macht blind“. Lesson learned.
Dieser Bericht ist einfach nur schlecht und für echte Fans von Elvis absolut unterste Schublade.
Ich war letztes Jahr an seinem Grab und für mich war es das Größte.
Elvis❤
Eine legitime Meinung, Mrs. oder Mr. Anonymus. Rein objektiv betrachtet ist das Ganze wahnsinnig kommerziell und herzlos.
Tja, wie war einer der Songtitel von Elvis noch gleich: „A little less conversation, a little more action please“!