Endlich ist der Merian Live Amsterdam erschienen. Anlässlich der Veröffentlichung zeige ich euch elf Lieblingorte in der Stadt.
Ein Wintertag neigt sich dem Abend zu und die Lichter der so gemütlich eingerichteten Häuser beginnen sich in den Grachten zu spiegeln. Schummrige Glühbirnen markieren die Umrisse der Brücken. Und zur vollen Stunde ertönt das nostalgische Glockenspiel der Westerkerk.
Wer einmal einen solchen Amsterdam-Moment erlebt hat, wird den Zauber der Stadt nicht wieder vergessen. Oder einen dieser Vormittage im Frühling, an denen sich die Sonne mehr als zuvor erwartet hervorwagt. Diese Euphorie, wenn die Amsterdamer kollektiv die Sitzpolster aus ihren Wohnungen holen, um einen Flecken auf einem Holzsteg am Wasser zu ergattern, oder wenigstens auf einer Fensterbank. Du möchtest essen gehen? Klicke dann auf den Link, um meine Geschichte über neue, coole Restaurants in Amsterdam zu lesen.
Später im Jahr die langen Sommernächte, in denen es einfach nicht dunkel werden will, weshalb die Menschen das Leben feiern, am liebsten indem sie mit ihren Booten über die Kanäle tuckern.
Ja, und sogar der Herbst hat seinen Reiz, wenn der von der nahen Küste wehende Wind den Regen durch Amsterdam peitscht, dass sich die Schirme verbiegen, während Radfahrer und Fußgänger sich unbeeindruckt ihren Weg zum Ziel bahnen.
Streng genommen mag ich diese Tage fast am meisten. Die Stadt sieht dann aus wie in einem Schwarzweißfilm. Und die Horden stehen vor dem Van-Gogh-Museum Schlange, oder sie hocken in Coffeeshops oder gar im Hotelzimmer.
Diese Tage sind gar nicht selten in Amsterdam. Aber das ist nicht der Grund, weswegen es eine optimistische Idee war, eine größere Siedlung hier zu errichten. In einer Gegend, die sich zwischen Nordsee und Ijsselmeer befindet – und dazu am Rande des größten Flussdeltas Europas.
Ein Gelände so sumpfig, dass jedes Gebäude auf einem Fundament von Pfählen errichtet werden musste, Millionen an der Zahl sind es geworden, und alle wurden eigens in den Boden gerammt, um Amsterdam möglich zu machen.
Aber es war nicht nur eine optimistische, sondern vor allem eine gute Idee. Durch seinen Zugang zum Wasser stieg Amsterdam bald nach seiner Gründung zu einem Handelszentrum auf. Zu einer Stadt, in der Menschen aus verschiedenen Nationen und Kulturen schon früh aufeinandergetroffen sind.
So wurden die Weichen für einen Sonderweg gestellt: In Amsterdam war man toleranter als an den meisten anderen Orten. Bereits im Mittelalter haben verfolgte Juden aus Spanien, Portugal und dem heutigen Belgien hier Zuflucht gesucht und Unterschlupf gefunden. Nach der Reformation wurden die Katholiken hier weiterhin geduldet.
Im Speicher eines Grachtenhauses durften sie gar eine winzige Kirche behalten: Ons Lieve Heer op Zolder. Später sollten Prostitution sowie der Erwerb und Konsum weicher Drogen toleriert werden. 2001 schließlich war als Weltpremiere auch die Homo-Ehe salonfähig.
Manchmal allerdings macht es heute den Eindruck, als müsste Amsterdam mit seiner Offenheit für die Engstirnigkeit anderer Städte und Nationen büßen: Besucher aus aller Welt reisen in dem Irrglauben an, hier existierten keine Regeln, an die sie sich zu halten hätten.
So geben das Rotlichtviertel und einige andere Plätze zuweilen ein Bild ab, das so traurig ist, dass man das Ende der Zivilisation in Reichweite wähnt.
Doch nur ein paar Schritte weiter ist das schlechte Benehmen der Lauten und Betrunkenen vergessen. In den wunderbaren Kneipen des Jordaan kann sich der Besucher davon überzeugen, dass Amsterdam letztlich eine kleine Metropole mit mancherorts fast dörflicher Anmutung geblieben ist.
Auch im Merian Live Amsterdam: Die Sterne-Restaurants
Eine Stadt voller Menschen, die Gemütlichkeit schätzen, die gerne und viel reden – und die still und heimlich das Genießen gelernt haben: Die Hauptstadt der Niederlande zählt 13 mit Michelin-Sternen dekorierte Restaurants, nur zwei weniger als das vier Mal so große Berlin.
Überhaupt begnügt sich die Stadt nicht mit Stagnation: Auf den einstigen Hafeninseln im Westen sind moderne Stadtviertel entstanden – und seit einigen Jahren verleibt sich Amsterdam mit sichtbarer Freude auch den bislang vernachlässigten Norden ein. Zudem werden ständig originelle Hotels und Geschäfte eröffnet. So besteht aller Grund zu der Annahme, dass sich Amsterdam auch in Zukunft treu bleiben wird. Als eine freundliche und bezaubernde Stadt, die stets auch nach vorne blickt. Die schönste Stadt der Welt.
Und sollte sich die Evolution am Amsterdamer orientieren, wäre das nicht nur wegen der genannten Gründen ein Gewinn: In diesem Falle nämlich könnten die Menschen zukünftig gleichzeitig mit atemberaubender Geschwindigkeit Radfahren, Textnachrichten schreiben, Einkäufe und Nachwuchs auf sperrigen Anhängern oder wackligen Sitzen transportieren, pfeifen und orientierungslosen Touristen ausweichen. Und das in allen Jahreszeiten.
Text & Bilder: Ralf Johnen. Merian Live Amsterdam: Mein Buch über die schönste Stadt der Welt ist just erschienen. Es ist für 11,99 Euro beim sympathischen Buchhändler um die Ecke oder auch beim Buchhändler nebenan zu haben. Der Text entspricht ziemlich genau der Einleitung des Buches.
Weitere Amsterdam-Geschichten stehen im Blog. Weitere Informationen über die Stadt Amsterdam auf der Webseite.
8 Comments
Herzlichen Glückwunsch! Einer meiner Lieblingsorte ist das Museum van Loon in der Keizersgracht: Grachtenhaus, Garten und Kutschhaus in einem einzigartigen Ensemble, wirklich sehenswert. Eine Oase der Ruhe im geschäftigen Treiben der Stadt.
Danke Sabine. Museum Van Loon ist auch wunderbar. So viel Nostalgie in dieser Stadt…
Herzlichen Glückwunsch zum eigenen Buch! Ich liebe Amsterdam und kann es kaum abwarten die Stadt wieder zu sehen 😉
Viele Grüße
Mathias – underwaygs.com
Wow! Herzlichen Glückwunsch! Mein Mann und ich lieben Amsterdam, deshalb werde ich mir auf jeden Fall ein Exemplar kaufen. Bin selbst gerade in der Endphase meines Buches über meine Heimatstadt Heidelberg, Deutschlands schönste Kleinstadt.
Danke, Cornelia. Ein Teil meiner Familie kommt aus der Nähe von Amsterdam, daher war ich schon früh sehr oft dort. Immer wieder umwerfend. In Heidelberg war ich letztes Jahr zum ersten Mal. Es war ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich war positiv überrascht. Vielleicht kaufe ich mir das Buch dann auch. Oder doch lieber Bern? Viele Grüße, Ralf
Bern unbedingt. Die Reihe „Heidelberg, Porträt einer Stadt“ lief bisher unter dem Titel „Stadtgespräche“. Es ist kein Reiseführer, sondern ein Buch voller Interviews mit bekannten und weniger bekannten Heidelbergern (Nobelpreisträger, Wissenschaftler, Kneipiers, Künstler etc.).
Okay. Ich finde die 111er-Reihe toll. Würde ich auch gerne mal machen – zumal der Verlag in Köln sitzt.
Nur zu! Die suchen immer neue Ideen für die Reihe. Mittlerweile machen sie auch die 55 1/2 Orte.