Ich besitze keine Payback-Karte. Ich sammle keine Stempel für kostenlose Brote und gratis Latte Macchiatos. Und ich verzichte weitgehend auf das Sammeln von Punkten, Bildchen und weiteren Shopping-Trophäen. Kurzum: Ich bin nicht wirklich überzeugt von dem Konzept mehr sparen zu können, umso mehr ich ausgebe.
Dennoch läuft seit langen Jahren eine Miles&More-Karte auf meinen Namen. Wahrscheinlich stammt die Mitgliedschaft für das Vielfliegerprogramm der Lufthansa noch aus der Zeit, als Fliegen noch keine minimalistische Dienstleistung war, die eine mediamarktmäßige Ramschdiktion bemüht, um ihre Kunden zum Reisen zu verleiten. Vielleicht aber war es auch die Tatsache, dass ich lange Jahre nicht ohne Stolz für das Unternehmen gearbeitet habe, die mich zum Ausfüllen des Antrags animiert hat.
Lange Rede, kurzer Sinn: Bei die meisten Reisen mit dem Kranich und seinen Partnern ziehe ich artig das Stück Plastik, hin und wieder aber vergesse ich es auch. Ich rede mir ein, durch die Gutschrift imaginärer Meilen etwas auf Seite zu legen – und sei es nur die Behandlung als gern gesehener Kunde. Für den Status als „Frequent Traveler“ oder gar als „Senator“ hat es übrigens nie gereicht. Ich fliege einfach nicht oft genug mit demselben Airline-Verbund, um zum kostenfreien Besuch in der Lounge geladen zu werden.
Das ist für mich kein Problem. Ich stehe ohnehin nicht so auf die Gesellschaft von selbst erklärten Alpha-Männchen, die in schlecht geschnittenen Anzügen ihrem ungehobelten Naturell freien Lauf lassen, indem sie sich in besagten Lounges bergeweise kostenfreie Nahrungsmittel auf viel zu kleine Teller schaufeln. Und ich kann es nicht ausstehen, wenn diese Typen so laut mit ihren Geliebten auf anderen Kontinenten kommunizieren, dass kollektiv die Mechanismen zum Fremdschämen aktiviert werden.
Aber ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen wollte, ist folgendes: Ich habe über die Jahre so einiges an „Prämienmeilen“ gesammelt, die nicht zum Besuch dieser aquariumartigen Paralleluniversen berechtigen, sondern die durch das Versprechen kostenloser Flüge zur Markentreue anstiften. Mein Kontostand beläuft sich auf 30 000 Meilen und ein paar Zerquetschte. Allerdings habe ich noch nie auch nur eine einzige Einheit dieser Ersatzwährung eingelöst – und das hat seinen Grund.
Bedingt durch eine Neugier gegenüber den Gepflogenheiten der menschlichen Spezies schaue ich immer mal wieder nach, wofür ich mein Guthaben zum Beispiel einsetzen könnte. So auch heute wieder, als ich mich nach Reiseoptionen für ein Datum umgesehen habe, das mir am Herzen liegt. Dabei habe ich mithilfe der Webseite von Miles and More festgestellt, dass mein Meilenstand mich zu einem Trip nach Barcelona berechtigt.
Keine schlechte Sache, wäre da nicht der gewohnte Haken: Neben dem eigentlichen Flugpreis von 30 000 Meilen kommen noch Steuern und Gebühren im Gegenwert von 18 000 Meilen hinzu. Da ich diese nicht besitze, kann ich alternativ in Cash bezahlen. 223,43 Euro, um genau zu sein. Dann habe ich zumindest etwas in der Hand. Aus Spaß rechne ich aus, dass getreu dieser Formel eine Meile ungefähr 1,24 Cent kostet. Mein Guthaben von 30 000 Meilen ist demnach exakt 373,28 Euro wert. Und der Flug von Köln nach Barcelona kommt somit – mit Steuern und Gebühren – auf genau 595,71 Euro. In Zeiten von Ryanair, Easyjet, Norwegian und Co. nicht gerade ein Schnäppchen.
Zumal der von Lufthansa-Tochter Germanwings nonstop durchgeführte Flug, wenn ich ihn ohne Meilen über die Lufthansa-Seite buche, für 187,17 Euro zu haben ist. Diese Auskunft macht mich traurig, denn die hieraus zu gewinnenden Erkenntnisse sind allesamt niederschmetternd. Mit einiger Naivität nämlich könnte man nun analysieren, dass die gebeutelte Lufthansa in Zeiten des harten Wettkampfs pro Passagier auf der Strecke Köln–Barcelona einen Verlust von über 400 Euro einfliegt. In diesem Falle wäre das die Differenz zwischen dem Preis für Stammkunden und dem tatsächlich berechneten Preis auf der Webseite. Das wären schlechte Nachrichten für alle Aktionäre, aber natürlich auch für all jene, die emotional ein klein wenig am Fortbestand der einst so vornehmen National-Airline hängen.
Die zweite Interpretationsmöglichkeit scheint mir indes ungleich wahrscheinlicher: Die Lufthansa schreckt ihre Kunden durch die horrenden Gebühren systematisch davon ab, ihre Meilen einzulösen. Oder, um es präziser auszudrücken: Sie verarscht ihre Kunden, indem sie ihnen mangelnde Rechenfähigkeiten und eine allgemeine Trottelhaftigkeit unterstellt.
Unweigerlich werden sich alle verprellt fühlen, die der blaugelben Fluggesellschaft bislang einen Sympathiebonus vor den turbokapitalistischen Konkurrenten eingeräumt haben. Aber auch das hat ja inzwischen Tradition: Erst wurden die innerdeutschen und dann immer mehr europäische Verbindungen an Germanwings abgegeben. Bald sollen Interkontinentalstrecken von der noch zu gründenden „Wings“ bedient werden. Dazu wird immer mehr Personal outgesourct. Die Marke Lufthansa verwässert. Und die Firma, für die ich einst so gerne gearbeitet habe, deprimiert mich nur noch.
Vielleicht werde ich ja doch eines Tages im Supermarkt eine Payback-Karte vorlegen. Wenn mir dann an der Kasse 24 statt acht Euro für eine Flasche meines Lieblingsweins abgeknöpft werden, wären wir auf dem Niveau der Lufthansa-Kundenbindung angekommen. Ich möchte mich ja nicht anstellen. Aber das geht wirklich zu weit. Tschüss, liebe Miles& More-Karte.
Text und Bilder: Ralf Johnen, September 2014 (die Screenshots stammen von heute)
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