Carcross Desert im kanadischen Yukon gilt als kleinste Wüste der Welt. Die Bezeichnung mag geologisch fehlerhaft sein, doch das tut der Landschaft keinen Abbruch.
Sand. Nichts als Sand sehe ich, als ich den Wagen verlasse. Er bedeckt den Boden vor mir und er reicht bis kurz vor den Horizont, wo sich zu meiner Rechten Nares Mountain und zu meiner Linken Caribou Mountain aufbauen.
Willkommen in der kleinsten Wüste der Welt
Die kleinste Wüste der Welt breitet sich hier im Südwesten Yukons aus. Eine Wüste, in der Nadelbäume wachsen. Tannen, Pinien und Fichten ragen aus dem feinen Sand heraus. Die Einheimischen freilich wissen, dass die Bezeichnung ihrer Attraktion eher folkloristischer denn wissenschaftlicher Art ist. Zwar besteht Carcross Desert tatsächlich aus einer imposanten Kette echter Sanddünen.
Doch nahe Alalska und der Pazifikküste ist es zu feucht, als dass sich eine echte Wüste entfalten könnte. Was aber verbirgt sich hinter dem unwirklichen Phänomen, hier in diesem Landstrich, der mehr als die Hälfte des Jahres unter einer Schneedecke liegt? Nun, die Dünen sind aus den Sedimenten eines Sees entstanden. Dieser hat sich vor Jahrtausenden hier ausgebreitet und 2,6 Millionen Quadratmeter Wunschwüste zurückgelassen.
Annäherung an den legendären Yukon River
Ein Vorzug übrigens, der auch an den Ufern des nahen Bennett Lake zu bewundern ist, denn der Bergsee verfügt über einen makellosen Sandstrand – und über einen schmalen Durchbruch zum Tagish Lake, der sich tentakelartig über hundert Kilometer ausbreitet. Nach Süden und Osten, aber auch nach Norden, wo er letztlich den legendären Yukon River speist.
Der Besuch der kleinsten Wüste der Welt aber bringt noch weitere Erkenntnisse. So mögen im beschaulichen Carcross heute nur 152 Personen leben. Diese freuen sich heute über den Besuch von Mountain-Bikern oder Anglern. Früher jedoch ist es hier ziemlich turbulent zugegangen. Der Name Carcross nämlich geht keineswegs auf die Lage an der Kreuzung zweier Highways zurück.
Carcross desert: Kreuzung der Karibu-Herden
Viel mehr lag das enge Tal einst an der Durchzugsroute enormer Karibu-Herden, was zu dem vorläufigen Ortsnamen Caribou Crossing geführt hat. Dieser wurde dann später wegen Verwechslungsgefahr abgekürzt, denn im Norden Kanadas haben sich mehrere Ortschaften nach diesem Phänomen benannt.
Im örtlichen Bahnhof werde ich noch neugieriger. Hier treffe ich Heidi, die vor Jahrzehnten der Hektik ihrer deutschen Heimat entflohen ist, um sich in der Nähe von Carcross niederzulassen. Heute betreut sie im „Zentrum“ des Ortes Touristen, von denen viele aus ihrer alten Heimat kommen.
Der Klondyke-Goldrausch
Heidi erzählt, dass Carcross Desert während des Klondike-Goldrauschs um 1898 eine zentrale Rolle gespielt hat. Hier, am Zusammenfluss so vieler Wasserstraßen und zu Füßen bewaldeter Hänge, wurden tausende Boote gebaut. Mit deren Hilfe haben Pioniere ihre Beute in Sicherheit gebracht.
Und der Bahnhof, in dessen Räumen einige Relikte aus der ruhmreichen Zeit aufgebahrt sind, war die Endstation der White Pass Railway, die auf einer Strecke von rund 100 Kilometern auf einer abenteuerlichen Trasse durch die Rocky Mountains bis nach Skagway in Alaska führt.
Informationen zu Carcross Desert, der kleinsten Wüste der Welt
Carcross befindet sich südlich von Whitehorse in der Provinz Yukon. Wer mag, kann mit der Condor ab Frankfurt nonstop dorthin fliegen. Über den Klondike Highway dauert die Fahrt etwa eine Stunde. Der Ort ist im Sommer eine entspannte Zwischenstation für Outdoor-Freaks und Motorrad-Fahrer. Auf keinen Fall sollte man sich den exquisiten Espresso bei Caribou Coffee entgehen lassen. Hier gibt es auch Smoothies aus frischem Obst.
Die Zugfahrt nach Skagway in Alaska mit der White Pass & Yukon Route kann an ausgesuchten Tagen gebucht werden. Ganz in der Nähe befindet sich der Kluane National Park.
Text und Bilder zur Geschichte über Carcross Desert: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im August 2021. Der Autor war kürzlich auf Einladung des kanadischen Tourismusbüros Canadian Tourism Commission im Yukon.
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