Die Herrenhausroute auf Fünen ist ein 660 Kilometer langer Radweg. Wir haben den Rundkurs über die dänische Insel in Augenschein genommen und an vier Tagen einige der 14 Etappen absolviert.
Nach 48 Stunden in Odense haben wir bereits eine gute Vorstellung davon, was uns auf der Herrenhausroute auf Fünen erwartet. Auf dieser Insel geht alles gemächlich vonstatten. Die Leute sind sehr freundlich, aber teilweise eher distanziert. Die Infrastruktur für Radfahrer ist beachtlich gut. Und auf Regen folgt Sonnenschein. All dies könnte man auch so zusammenfassen, wie es auf dem T-Shirt zu lesen ist, das ein Einheimischer mit sichtbarem Stolz trägt: »I don’t need therapy. I live in Denmark.«
Erste Etappe auf der Herrenhausroute auf Fünen
Mit diesem Wissen also nehmen wir unsere E-Bikes in Empfang, um in den kommenden Tagen den Norden der Insel zu erkunden. Es ist Ende Juni, alles blüht – doch das Wetter ist wechselhaft. Mir macht das wenig, schließlich können wir uns der Motorunterstützung sicher sein. Auch haben wir Regenkleidung dabei.
Die kommt bereits nach vier Kilometern kurz hinter dem Hafen von Odense zum Einsatz. Wir warten unter einem Baum, mit den Kapuzen auf. So wie vor langen Jahren, als wir noch Zeit hatten. Bald aber ist es wieder trocken und wir pedalieren langsam der Küste entgegen, wobei uns an jeder kniffligen Kreuzung Schilder dabei helfen, dem Radweg mit der Nummer 32 zu folgen.
Herrenhausroute auf Fünen: Feldwege und schmale Brücken
Der Odense-Fjord mit den erstaunlich großen Hafenanlagen und einem kapitalen Kraftwerk ist die erste und letzte Hochburg der Industrialisierung auf unserem Trip. Danach übernehmen Feldwege und schmale Brücken, ehe wir zu unserer Überraschung in einem kleinen Wäldchen vor zwei ausgewachsenen Pferden mit lustigen Mähnen stehen.
Wir passieren den kleinen Hafen von Otterup, wo ein paar Bötchen gleichgültig hin und herschaukeln. In der Ferne überblickt ein mit Reet gedecktes Haus das Szenario. Jetzt wechselt plötzlich der Straßenbelag und meine Hände werden von Schlägen erschüttert. Der Weg führt nun über Kopfsteinpflaster, so wie beim Klassiker Paris-Roubaix in Frankreich.
Hölle des Nordens
Anders als in der Hölle des Nordens aber ist der Abschnitt nur kurz. Wie wir zu unserer Freude feststellen, führt er uns zudem zu einem ersten Gebäudeensemble, das als Herrenhaus durchgeht. Oder ist der ockerfarbene Bau doch eher ein Bauernhof? So oder so handelt es sich um ein Anwesen, auf dem es sich aushalten lässt.
Bald erreichen wir bei Hasmark die Küste, wo einige gemütlich aussehende Ferienhäuser fast auf dem Strand zu stehen scheinen. Wir stellen uns vor, wie wir in einem davon am Fenster sitzen, während auf der anderen Seite des Raums das Kaminholz knistert.
Strand mit Bötchen auf der Herrenhausroute auf Fünen
Mittlerweile zeigt sich die Sonne, was unseren Zwischenstopp nicht unangenehmer macht. Hier, denken wir, könnten wir auch mal eine Woche verbringen. Vor allem, wenn wir eines dieser Bötchen benutzen dürften, die auf dem Strand ruhen.
Einigermaßen verzückt begeben wir uns wieder in den Sattel. Es gilt die letzten Kilometer zu unserem ersten Domizil zu absolvieren, ein ehrwürdiges Anwesen aus dem 16. Jahrhundert: Dallund Slot. Das weiß getünchte Schloss liegt an den Ufern eines Sees und blickt auf eine wechselvolle Historie zurück. Heute ist es eine Mischung aus einem Tagungsdomizil und einem Bed and Breakfast.
Verfeinerte Hausmannskost im Schloss
Beim Abendessen erfahren wir mehr. Wir nehmen an einem Tisch im Speisesaal Platz, kein Restaurant im eigentlichen Sinne, sondern ein Ort zur Verköstigung der Gäste, die alle dasselbe Gericht bekommen. Erst Salat mit Brotchips, danach Braten mit Blumenkohl und Kartoffeln, verfeinerte Hausmannskost und somit genau das, was wir nach einem Tag im Sattel gebrauchen können.
Im Nachbarsaal singt eine größere Gruppe das, was wir für traditionelle dänische Lieder halten. Später am Lagerfeuer erfahren wir, dass es sich um Freunde handelt, die allesamt ein Haus in Frankreich besitzen oder besessen haben. Ein Privileg, dem sie einmal im Jahr mit einem Ausflug aufs Land huldigen. Diesmal haben sie sich Dallund Slot als Ausgangspunkt ausgesucht, um zu wandern, zu singen und das Leben zu feiern.
Herrenhausroute auf Fünen: Übernachtung im Schloss
Auch machen wir Bekanntschaft mit Björn, der sich als Patron vorstellt. Wie sich am Lagerfeuer im Salon herausstellt, ist er ein erfolgreicher Unternehmer aus der Gegend, der mittlerweile in Kopenhagen lebt. Um seiner Heimatregion etwas zurückzugeben, hat er das herrenlose Schloss gekauft und zu seinem Erhalt eine Stiftung gegründet. Die Radler auf der Herrenhausroute auf Fünen, hofft er, könnten dabei zu einem wichtigen Baustein werden.
Nach einer erholsamen Nacht erwägen wir, vor dem Frühstück in den See zu springen. Letztlich aber kneifen wir. »Wie sollen die Sachen sonst trocken werden«, lege ich mir als Ausrede vor mir selbst zurecht. Also beschränken wir uns darauf, die vielen Rosenarten zu bestaunen, die rund um Dallund gezüchtet werden. Währenddessen laufen die ersten Vorboten einer größeren Hochzeitsgesellschaft auf.
Eine neue Facette Fünens
Nach dem Frühstück radeln wir weiter auf der Herrenhausroute. Wobei wir nach den wonnigen Hygge-Einheiten nun eine andere Facette Fünens kennenlernen. Die Landschaft hat sich verändert und wir sind plötzlich von Hügeln umgeben. Doch da ich vorher recherchiert habe, dass sich der höchste Gipfel des Eilands auf 131 Metern befindet, hält sich die Ehrfurcht in Grenzen.
Am Wegesrand reiht sich unterdessen eine Augenweide an die nächste. Felder mit reifendem Roggen, blühende Margariten vor Fachwerkhöfen, eine vergessene Kirche und immer wieder jene Herrenhäuser, nach denen der 660 Kilometer lange Radweg benannt ist. Unser nächstes Etappenziel ist Bogense, das als eines der schönsten Städtchen Dänemarks gilt.
Nordischer Lunch mit Blick aufs Wasser
Aufwendig restaurierte Fachwerkhäuser und breite Straßen mit großzügigen Trottoirs stützen diese These.
Genau der richtige Flecken für ein Picknick, denken wir uns. Es wird ein nordischer Lunch mit Roggenbrotchips, Lachs und aus dem Nachbarland Schweden importierter Schokolade mit Blick aufs Wasser. Danach legen wir uns auf die Wiese und schauen den Wolken bei ihrer Reise zu, ohne uns um in irgendeiner Weise um die Zeit zu kümmern.
Erst als wir weiterfahren, entdecken wir, dass Bogense auch einen hübschen Hafen besitzt. Hier steht auch eine Statue des auf Fünen allgegenwärtigen Schriftstellers Hans Christian Andersen.
Lakritz-Eis
Eine ganze Weile folgen wir nun der Küstenlinie in Richtung Westen. Hier scheint die Ostsee launischer zu sein, denn das Inland wird durch Deiche geschützt. Bei dem kleinen Dorf Skåstrup mache ich auf der Herrenhausroute auf Fünen eine Entdeckung: In einer rosa Holzhütte befindet sich eine Eisdiele.
Und das Ishus hat zu meiner großen Freude etwas im Sortiment, was ich seit meiner Kindheit nicht gegessen habe: Lakritz-Eis.
Kurz darauf erreichen wir unser nächstes Domizil, das Bed and Breakfast Strandlykken. Gastgeberin Rikke hatte uns vorab mitgeteilt, dass sie eventuell bei unserer Ankunft nicht vor Ort sein würde. Für diesen Fall könnten wir einfach die Türe zum Nebenhaus öffnen und schon mal unser Zimmer beziehen. Dabei hatte sie ungewollt gleich die Botschaft mitgeliefert, dass die Welt auf Fünen noch in Ordnung zu sein scheint.
Wo die Welt noch in Ordnung ist
Als ich klingele, ist jedoch sehr wohl jemand zuhause. Der neunjährige Jonathan humpelt auf Krücken zur Tür, um uns in fließendem Englisch eine kurze Einweisung zu geben. Als ich ihm anschließend Komplimente dafür ausspreche, wiegelt er routiniert ab, als würde er nie etwas anderes machen. Und die Knieverletzung? »Ist beim Sport passiert.«
Wenig später meldet sich Thomas, mit dem wir hier verabredet sind. Er ist Lehrer, stammt von der kleinen Insel Samsœ, arbeitet aber zugleich als Ökolandwirt und als Naturführer. Spezialität: das Sammeln essbarer Gewächse in der freien Natur.
Spezialität Strandkohl
Über Thomas und unsere Expedition werde ich noch eine gesonderte Geschichte schreiben, in der es auch um die neue skandinavische Küche geht. Doch ich kann vorwegnehmen, dass es einer der spannendsten Abende der jüngeren Vergangenheit war. Mit Strandkohl als kulinarischem Highlight.
Zum Frühstück werden wir abermals verwöhnt, denn Rikke hat uns Erdbeeren aus dem eigenen Garten gepflückt. Auch schwärmt sie uns vom Landleben auf Fünen vor, wo sich ihre Kinder nach Lust und Laune ausbreiten können. Wo es im näheren Umkreis keinen Verkehr gebe, die Sicht aufs gut 500 Meter entfernte Meer nicht verbaut werden dürfe, und ja, wo man die Türen getrost offenlassen kann.
Der Regen trommelt auf das Dach
Wir haben uns so festgequatscht, dass wir nicht bemerkt haben, wie sich eine Regenfront über uns zu entladen beginnt. Zu unserem Glück ist das Strandlykken in der folgenden Nacht nicht gebucht. Also sagt Rikke: »Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt.«
Eher unverhofft kommen wir auf der Herrenhausroute auf Fünen auch noch dazu, drei Stunden auf dem Bett zu lesen, während der Regen aufs Dach trommelt. Als sich die Sonne wieder zeigt und wir unsere Satteltaschen aufschnallen wollen, trauen wir unseren Augen kaum. Vor uns stehen drei Rehe, die uns vorsichtig beäugen, ehe sie in Richtung Meer entschwinden. Strandglück in Vollendung.
Herrenhausroute auf Fünen: eine Nacht im Zelt
Unsere Radtour beginnt heute so richtig erst nach dem Check-in in unseren nächsten Domizil. Wir haben zum Abschluss ein Komfortzelt auf dem Vejlby Fed Strand Camping direkt am Meer gebucht. Von hier aus erkunden wir den nordwestlichen Zipfel Fünens.
In Strib werfen wir einen Blick auf den mächtigen Leuchtturm. Auch sinnieren wir über die Kanonen, die bedrohlich in Richtung Norden weisen. Wieder ein Indiz dafür, dass es wohl nicht durchgehend idyllisch gewesen ist auf Fünen.
Hoffnung auf Schweinswale
Anschließend pedalieren wir an der Küste vorbei ins historische Städtchen Middelfart. Dabei blicken wir immer wieder erwartungsfroh aufs Wasser, denn die schmale Wasserstraße, die Fünen von Festlands Jütlands trennt, ist die Heimat einer großen Population von Schweinswalen. Ein weiteres potenzielles Highlight auf der Herrenhausroute auf Fünen.
Middelfart ist schon seit gut 1000 Jahren als jener Ort bekannt, wo die Überquerung des Gewässers am einfachsten ist. Davon leitet sich auch der Name des Städtchens ab. Die reiche Geschichte spiegelt sich im historischen Erscheinungsbild wider: Backsteinkirche, Fachwerkhäuser und Steinpflaster. Und vor jeder Haustür formvollende Rosensträucher, bei deren Züchtung sich die lokale Bevölkerung gegenseitig überbietet. Ein prächtige Kulisse für einen schwelgerischen Spaziergang.
Bekanntschaft mit der nordischen Küche
Zur Essenszeit finden wir uns an der Südflanke Middelfarts ein. Kurz lassen wir uns auf einer Bank nieder, wo sich das Schilf im Wind wiegt und die Jachten auf den Wellen schaukeln. Dabei können wir es kaum erwarten, endlich unseren Platz im Restaurant Fænøsund einzunehmen.
Mit Blick aufs Wasser bestellen wir ein Dreigangmenü lokaler Prägung. Neue nordische Cuisine auf hohem Niveau. Zufrieden radeln wir gegen 21.30 Uhr die elf Kilometer zurück zum Zeltplatz. Wohl wissend, dass es noch lange hell sein wird.
Abschied mit einem Bad in der Ostsee
Mit ein wenig wehmütig nehmen wir am folgenden Morgen Abschied von der herrlichen Insel. Ein kurzes Bad in der Ostsee und ein Kaffee mit Croissant aus dem Laden des Zeltplatzes – und ab geht es auf kürzestem Weg zurück in Richtung Odense. Der Zug nach Hamburg wartet nicht. Doch wir nehmen uns fest vor, auch den Rest der Herrenhausroute zu erkunden.
Informationen zum Fahrradtrip auf der Herrenhausroute auf Fünen
Die Herrenhausroute auf Fünen ist insgesamt 660 Kilometer lang und dabei in 14 Etappen eingeteilt. An den Etappenplan musst du dich natürlich nicht halten, wenn du Unterkünfte an anderen Orten gewählt hast.
Der Verkehrsdichte auf der Insel ist vielerorts dünn bis sehr dünn. An den wenigen Hauptstraßen gibt es in der Regel abgetrennte Radwege. Ein Navigationsgerät ist nicht erforderlich, weil die Beschilderung der Herrenhausroute auf Fünen hervorragend ist.
Die Herrenhausroute auf Fünen führt überwiegend über Asphalt, zum Teil aber auch über Schotterwege. Ein reines Rennrad ist daher eher ungeeignet.
Fahrräder kannst du auf Fünen ausleihen, eine kleine Liste mit Anbietern findest du auf der Homepage des Tourismusbüros. Die Herrenhäuser entlang der Strecke haben wir nicht gezählt, doch auf der Homepage findest du detaillierte Informationen darüber, welche wie öffentlich zugänglich sind.
Für einen Viertagestrip ab Odense, wie er in dieser Geschichte beschrieben ist, solltest du für zwei Personen 1000 bis 1200 Euro einplanen. Die Anreise mit der Bahn kommt hinzu, ab Hamburg fährt zwölf Mal täglich ein Zug nach Odense. Umsteigen ist nicht erforderlich.
Text und Bilder: Ralf Johnen, August 2024. Die Geschichte ist in Kooperation mit dem Tourismusbüro Fünens entstanden.
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