Trinkbares Leitungswasser, kaum Kriminalität, keine Landraubtiere, keine Malaria: Für ein afrikanisches Land sind die im Indischen Ozean gelegenen Seychellen ganz schön unafrikanisch. Selbst Wirbelstürme oder Jetlag drohen kaum. Und wenn’s mal wie aus Kübeln gießt, ist Abtauchen ins immerwarme Wasser die Devise, denn die Schönheit der Seychellen ist nicht nur oberflächlich.
Es regnet in Strömen. Rinnsale haben sich gebildet, die die glatten Granitfelsen hinabfließen, um sich weiter unten ins Meer zu ergießen, das im Moment etwas fahl wirkt. »Das ist ja wie Wandern in Schottland«, motzt ein Reisender aus Deutschland, der den weiten Weg auf sich genommen hat, um dort zu sein, was frühe Reisende in der Geschichte der Seefahrt als das Paradies sahen. Der Motzer bin ich.
Regen ist nicht unbedingt das Erste, was einem bei den Seychellen einfällt. Schönes Wasser, ja. Tolles Wetter, ja! Aber diese Wassermassen, obwohl die Regenzeit im Inselstaat am Äquator noch gar nicht begonnen hat? Zum Glück friere ich nicht, denn kühler als 27 oder 28 Grad ist es selten auf den Inseln im Indischen Ozean, auch jetzt nicht. Und Angst vor Wirbelstürmen muss ich auch nicht haben, denn die gibt es hier nicht.
Alles dauert »ein Stündchen«
Paradies – so empfanden frühe Seefahrer die Seychellen als sie anlandeten, sowohl die Araber als auch spätere »Entdecker« wie Vasco da Gama. Eine Augenweide ist die Landschaft auf dem Weg zur Bucht der Anse Major an der Nordküste der Hauptinsel Mahé auch bei verhangenem Himmel. »Ein Stündchen« dauere es bis dorthin, hatte Stephanie mir gesagt, die im Hotel »Coral Strand« am langen Strand von Beau Vallon an der Nordspitze Mahés die Gäste mit Tourvorschlägen und Kartenmaterial versorgt.
Nach einer halben Stunden auf der Küstenstraße Richtung Westen zu Fuß hatte mir eine Einheimische in einem Bushäuschen die gleiche Auskunft gegeben. »Une petite heure!«, kam es unter einem Regenschirm hervor. Weitere zwanzig Minuten später die gleichen Worte von einem Mitarbeiter eines Resorts am Wegesrand: »ein Stündchen.«
Einiges ist relativ auf den Seychellen
Der Zeitbegriff ist offenbar relativ auf den Seychellen. Die Zeitverschiebung dagegen lässt sich genau beziffern und beträgt je nach Reisezeit zwischen zwei und vier Stunden – was dem Jetlag ziemlich vorbeugt. Zumindest plagt mich keine akute Müdigkeit.
Nach eher zweieinhalb Stündchen und einer pittoresken Etappe durch Tunnel von Granitblöcken und Palmenwald an der Küste ist das erste Ziel dieser Reise ins verloren geglaubte Paradies in Sicht. Der Vorhang aus Bindfäden hat sich ein wenig gelichtet. Wie eine liegende Mondsichel sieht die Anse Major aus. Also ab ins Wasser, nasser kann es schließlich nicht werden. Der Ozean umhüllt mich wie ein wärmender Mantel – was Rückschlüsse auf die vielleicht auf 25 Grad gefallene Lufttemperatur zulässt.
Trinkwasser auf den Seychellen: Eden Springs und Co.
Wasser ist so eine Besonderheit auf den Seychellen, auch unabhängig von Wetterkapriolen und Ozean. Zum Beispiel das Trinkwasser. Allein auf der zweitgrößten Insel der Seychellen Praslin gibt es mehrere Trinkwasserquellen. Im bekannten Vallée de Mai, Heimat der bekannten Coco de Mer-Palme mit ihren Riesennüssen, wird es in Flaschen mit dem Etikett »Eden Springs« abgefüllt, eine andere lokale Marke ist »Source de Pasquère«.
Aber schon das Leitungswasser kann getrunken werden, wie mir der Concierge im »Savoy« versichert. In großen Hotels können Reisende solchen Worten vertrauen, anderswo halten sie es besser mit der Empfehlung des Auswärtigen Amtes, Wasser doch besser abzukochen. Aber dass Wasser aus dem Hahn in den Tropen überhaupt genießbar ist, ist ungewöhnlich. Und dass fast alle Seychellois Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist in Afrika – wozu die Seychellen gezählt werden – alles andere als selbstverständlich.
Die Seychellen: Ein ungewöhnliches Stück Afrika
Aber dieses Stück Afrika ist sowieso anders, allein, weil es weit über den Indischen Ozean verstreut liegt. Das Meer macht den größten Teil der Fläche des Staates Seychellen aus, die Landfläche von 454 Quadratkilometern könnte man über 2000 Mal auf dem Areal unterbringen. Anders als in anderen Gegenden der Weltmeere gelten die Fischbestände als nicht überfischt und sogar intakt, wenngleich El Niño viele Korallen getötet hat. Fischerei mit Treibnetzen ist verboten. Tauchspots genießen Weltruhm in der Padi-Szene. Die meisten Tauchgebiete sind nicht mehr als 20 Bootsminuten vom Ufer entfernt.
Das Land war 1993 eines der ersten, das den Umweltschutz in die Verfassung aufnahm. Offenbar mit Erfolg: Internationale Fangflotten kreuzen nach Auskunft von Einheimischen nicht auf zwischen Mahé und dem Inselaußenposten Aldabra, Heimat der gleichnamigen Riesenschildkröte, die auf den Hauptinseln nur in Gehegen bestaunt werden kann.
Auf dem Rückweg von einem solchen Gehege im Jardin du Roi, einem Gewürzgarten oberhalb einer Bucht auf Mahé, wo wie anderswo Möwen die Flughunde kreisen, treffe ich auf Simon. Neben einem halben Dutzend anderer Fischer steht er am Rand der Küstenstraße im Örtchen Cascade und bietet seinen Tagesfang feil. Mit wässrigen, hellblauen Augen lugt er unter einem Schlapphut hervor und bewegt beim Sprechen nur die Lippen. Keine Kopfbewegung, keine Gesten.
Seemannsgarn vom Hammerhai
»Nicht jeder kann das, was ich mache«, sagt er, und meint das, was er von seinem Vater gelernt hat. Mit der Harpune hat er am Morgen den Zweikampf mit einem mittelgroßen Hammerhai von seinem Boot aus gewonnen. »Meine Arbeit ist «, sagt Simon, »aber mir ist noch nichts passiert«. Noch an Bord schlachtete und filetierte er das Raubtier. Nun liegen brotlaibgroße Stücke zu seinen Füßen, die er für 25 Rupien das Kilo verkauft. Das sind noch nicht einmal zwei Euro.
Der Hai und die Angst, das ist so eine Sache – auch auf den Seychellen ist der Raubfisch eine Blaupause für die Furcht. Heißt man nicht gerade Simon oder ist Taucher und hat eine friedfertige und von gegenseitiger Neugier und Ehrfurcht geprägte Begegnung mit dem Raubfisch schon erlebt, kann einen die Panik packen, die von Zwischenfällen wie auf Praslin im Jahr 2011 genährt wird, als ein Bräutigam in den Flitterwochen von einem Hai attackiert wurde.
Auf den Seychellen leben keine Raubtiere an Land
»Er nahm den Arm des Bräutigams mit dem Ring mit«, erinnert sich Junia, die auf Praslin für das örtliche Touristenbüro arbeitet. »Sie sagten, es war vielleicht ein weißer Hai, und niemand weiß so recht, warum er so nah an den Strand kam.« Der Brite überlebte die Attacke nicht. »Die Blutungen waren so stark, dass er starb«, sagt Junia. Und die Angst so nachhaltig, dass man am Strand Anse Lazio, wo sich das Drama abspielte, einen feinmaschigen Unterwasserzaun zog. In dem abgegrenzten Bereich planschen die meisten Badenden an diesem Tag wie Scherenschnitte im gleißenden Gegenlicht in der Brandung.
»Unter dem Wasser lauern auf den Seychellen die größten Gefahren?« Meine Frage quittiert Junia wortlos und mit einem bedeutungsschwangeren Lächeln. War das vielleicht ein Ja? Über dem Wasser wachsen zwar einige Giftpflanzen, die dem paradiesischen Apfel nacheifern, aber Landraubtiere? Fehlanzeige, nur Krokodile gab es mal.
Weder Malaria noch Schlangen
Auch Schlangen oder Insekten trachten den Menschen nicht nach dem Leben, Malaria kommt nicht und Dengue-Fieber seit Jahren nicht mehr vor. Die Kriminalitätsrate ist für Afrika unschlagbar niedrig, noch nicht einmal Bettler gibt es. Nur die Sandflöhe können nerven.
Auch am Traumstrand (ein Wort, das ich sonst auch meide) schlechthin, der Anse Source D’Argent auf der Insel La Digue, treiben die kleinen Biester ihr Unwesen. Also wieder ab ins Wasser. Als hätte ein Riese mit ihnen gespielt, liegen gestapelt riesige Granitblöcke am Strand, dessen nahezu weißer Sand von türkisem Gelée umspült wird. Die Korallen wachsen bis ins seichte Wasser, in dem ich mit Maske und Schnorchel kaum aus dem Staunen heraus kommen. Tellergroße gelb-gestreifte Falterfische und andere bunte Riffbewohner flitzen schon in Ufernähe umher.
Besuch von Queen Elizabeth II.
An anderen Orten wird auch auf den Seychellen der Klimawandel sichtbar. Etwa an der Anse Royal, einem der immer noch unter Einheimischen beliebtesten Strände Mahés, wo sich das Wasser mehr und mehr Raum nimmt und teils bis an die Küstenstraße schwappt. Hier steht auch das erste Hotel der Seychellen, das »Reef«. »Eröffnet wurde es 1972, als die ersten Touristen nicht übers Wasser, aber mit dem Flugzeug anreisten«, sagt Geoffrey René, ein Touristenführer und ausgewiesener Inselkenner. »In dem Jahr kam auch die Queen auf die Seychellen.« Mutmaßlich auch zur Anse Royale – weil der Strand heute so heißt.
Damals waren die Seychellen noch eine britische Kolonie. Heute wohnen in den Zimmern des einstigen Hotels Einheimische, denn viel Platz zum Bauen und Wohnen haben die Seychellois nicht auf ihrer bevölkerungsreichsten Hauptinsel.
Künstliche Seychellen-Insel
Vor der Hauptstadt Victoria wurde sogar eine künstliche Insel mit hochpreisigen Wohneinheiten aufgeschüttet, Eden Island. Auch die Küstenstraße und das umgebene Flachland sind zum Teil künstlich. »Wir brauchen schließlich Supermärkte«, sagt Geoffrey. Dass die Inseln ihre Unabhängigkeit erlangten, ist übrigens Menschen wie Harry Hockday Payet, dem Vater von Derek Barbé zu verdanken, der das »Savoy« managt. »1964 riss er den Union Jack vor dem Regierungsgebäude herunter«, sagt Derek. »Dafür kam er fast ins Gefängnis.«
Sein Vater Harry habe zur Unabhängigkeitsbewegung gehört und den späteren ersten Staatspräsidenten gut gekannt. »Mein Vater hielt die erste politische Rede auf den Seychellen, auf Französisch, um den Briten ans Bein zu pinkeln«, sagt Derek. Was dann kam, ist Geschichte: 1976 erlangten die Seychellen ihre Eigenständigkeit, politisch klärte sich endlich der Himmel für die Insulaner.
Wasser gilt auf den Seychellen als »Liquid Sun«
Hotelmanager Derek blickt in die Wolken. »Auf Regen folgt bei uns meist schnell wieder die Sonne«, sagt er. Und immer, wenn es dann doch mal schüttet, spricht er von »Liquid Sun«. Er sieht es positiv, es ist die Mentalität der Seychellois, die kein Schlechtwetter trüben kann und die so langsam auf mich abfärbt, das hoffe ich zumindest.
Ins Inventar der 163 Zimmer und Suiten des »Savoy« hat Derek irgendwann Regenschirme aufgenommen – die man auch auf den sonnenverwöhnten Inselschönheiten manchmal doch ganz gut gebrauchen kann.
Tipps & Informationen über die Seychellen
Anreise: Etwa mit Turkish Airlines von mehreren deutschen Flughäfen über Istanbul, wo Business-Kunden eine im modernen orientalischen Stil gestaltete Lounge mit kostenloser 15-minütiger Massage zur Verfügung steht. Auch Airlines wie British Airways (über London) und Air France (über Paris) steuern die Seychellen an. Eine (in der Regel etwas teurere) Nonstop-Verbindung bietet Condor ab Frankfurt/Main an.
Einreise: Es gibt keine Visumpflicht. Ein Reisepass, der mindestens bis zum Tag der geplanten Abreise gültig ist, genügt. Zudem muss das Ticket für die Rück- oder Weiterreise vorliegen.
Inselhüpfen: Ab Victoria besteht zum Beispiel nach Praslin eine Fährverbindung (eine Stunde) mit Cat Cocos, von dort geht es weiter nach La Digue (15 Minuten). Weitere entfernte Inseln, wie Bird Island, werden auch per Charterflügen bedient, die man in der Regel in den Hotels arrangieren kann.
Unterkunft: Auf Mahé direkt an der Beau Vallon: Coral Strand. In direkter Nachbarschaft liegt das modernere, luxuriösere und teurere Savoy Resort & Spa Hotel. Auf La Digue und Praslin gibt es mehrere Gästehäuser, Bungalowanlagen und Hotels, darunter das Patatran, DZ ab 188 Euro oder das Colibiri, DZ ab 100 Euro.
Die Reise wurde vom Tourism Board der Seychellen unterstützt.
Text und Bilder: Stefan Weißenborn, zuletzt aktualisiert im November 2022.
2 Comments
Schöner Bericht von einem wunderschönen Reiseziel, das ich auch schon mal erleben durfte. Ich habe meinen Bericht damals mit „Tropen für Anfänger“ betitelt. Man bekommt alles, was die Tropen reizvoll macht, aber das, was sie unangenehm macht, ist nicht dabei. Deshalb sind die Inseln für mich eines der schönsten Reiseländer.
Merci beaucoup! Vor allem La Digue hat es mir angetan, und das nicht einmal wegen der Strände