Delft, Leiden und Gouda sind drei entzückende niederländische Städte, die noch nicht jeder auf dem Zettel hat. Entsprechend unaufgeregt geht es hier zu.
Als Kind hat Cees Kroon auf den Weiden vor den Toren von Gouda noch Fußball gespielt. »Heute macht das niemand mehr«, seufzt der 75-Jährige in Gouda, eine der schönsten historischen Städte in Holland. Aus den einst so malerischen Niederlanden ist ein hoch entwickelter Industrie- und Dienstleistungstaat geworden. Wo noch vor zwei Generationen grüne Wiesen waren, wird heute fast jeder Quadratmeter genutzt.

Das historische Rathaus von Gouda. Foto: Ralf Johnen
Kroon aber hat sich sein Stück »altes Holland« gesichert. Vor 16 Jahren hat er seinen Job als Kaufmann an den Nagel gehängt. Seitdem ist er offizieller Leiter des Käsemarkts von Gouda. Leidenschaftlich feilscht er vor dem gotischen Rathaus mit Tom van Elst um Cents. Der Bauer verlangt 6,55 Euro für ein Kilo »Graskaas«.

Ab dem 1. April 2021 soll der Käsemarkt in Gouda wieder stattfinden. Bild: Ralf Johnen
Kroon aber bietet nur 6,51 Euro für den erst sieben Wochen alten Käse. »Nimm an, oder Du siehst nur noch meinen Rücken«, droht er. Bei 1500 Kilo sind halt auch Cents kein Kleinkram.

Harte Verhandlungen gehören zum Geschäft auf dem Käsemarkt von Gouda. Bild: Ralf Johnen
Nach fünf Minuten einigen sich die beiden in der Mitte. »Wir sind ja Holländer«, sagt Kroon. »Sparsam. Aber erfolgreiche Kaufleute. Seit Jahrhunderten.« Während sich die Herren weitere Wortgefechte liefern, flaniert eine auffallend jugendliche Frau Antje auf dem Marktplatz umher. Unter dem rechten Arm trägt sie ein zwölf Kilo schweres Käserad. Allerlei Statisten vervollständigen das Ensemble, das zehn Mal pro Jahr die Touristen erfreut. »Ob das alles echt ist?« Kroon überlegt eine Weile. Dann sagt er: »Nun, wir könnten uns darauf verständigen, dass sich alles so abspielen könnte.«
Der Käsemarkt von Gouda findet 2025 wieder statt
Wenn nicht die hygienischen Vorschriften so streng wären, dass Käse nunmehr fast ausschließlich industriell hergestellt wird, und nicht mehr vom Bauern, der mit unpasteurisierter aber dafür geschmacksintensiverer Milch arbeitet. Letztlich aber sei das unwichtig: »Fest steht, dass dieser Markt bei den Menschen Emotionen weckt.« Auch im Jahr 2025 wird er wieder stattfinden.

Glückliches Kind mit Käsehändler in historischem Gewand
Historische Städte in Holland: Im Hofje zu Leiden
Keine 30 Kilometer weiter nordwestlich pflegt Michelle in ihrem Garten die Hortensien. Die 28-Jährige wohnt mit ihrem Freund in einem winzigen Häuschen, das mit elf baugleichen Wohneinheiten eine Gartenparzelle umschließt.

Ein Hofje in Leiden. Bild: Ralf Johnen
Auch die Doktorandin hat ihren ganz persönlichen Flecken gefunden, an dem die Zeit spurlos vorbeigegangen ist: Sie wohnt im Loridans-Hofje, einer jener unwirklich schönen Hofanlagen, die in den Niederlanden des 17. Jahrhundert als Vorläufer der heutigen Altersheime eingeführt wurden.

»How nice. This looks just like Amsterdam«Foto: Ralf Johnen
Durch ein Portal mit dunkelgrüner Holztür ist die Anlage vom Rest Leidens abgeschottet. Im goldenen Jahrhundert lebten in diesem Kleinod bedürftige Frauen, die es einer wachsenden Zahl von Wohltätern verdankten, dass sie nicht der Armut ausgesetzt waren. Heute gehört das Anwesen dem Studentenwerk. Ebenso wie fünf weitere „Hofjes“.
Wunderbare Ruhe in den Hofjes von Leiden
Die Bewohner der Refugien fühlen sich mit Recht wie Auserwählte. 530 Euro pro Monat zahlen Michelle und ihr Freund für das Häuschen in Leiden. »Es sind zwar nur 50 Quadratmeter, aber die Lage und die Ruhe sind wunderbar.« Schließlich ist Leiden eine pulsierende Studentenstadt. Ein Gesamtkunstwerk mit Grachten, Giebelhäusern und Gassen voller unabhängiger Geschäfte.

Was für ein Stadtbild: Leiden. Foto: Ralf Johnen
Abermals 30 Kilometer weiter südlich arbeitet Sietske van Opzeeland aktiv an der Verbreitung altholländischer Ikonen. In fünf Metern Entfernung zu einer blauweißen Replik von Rembrandts Nachtwache taucht die Malerin ihren Pinsel in eine Farbschatulle. Dabei kann sie ein wenig Melancholie nicht verhehlen: In letzter Zeit, klagt sie, kaufen die Kunden hier kaum noch etwas.

Glückliches Kind mit Käsehändler in historischem Gewand
Van Opzeeland arbeitet in »De Porceleyne Fles«, einer am Stadtrand von Delft gelegenen Manufaktur, die auch als Royal Delft firmiert. Hier wird seit 1653 jenes Porzellan hergestellt wird, das den Namen der 100.000-Einwohnerstadt in aller Welt bekannt gemacht hat. Ob ihr Handwerk in Zeiten billiger Imitate aus Asien noch eine Zukunft hat, vermag sie nicht zu beurteilen. Die Touristen aus Japan und den USA, die in Delft sonst für volle Kassen sorgten, bleiben der Vorzeigefabrik fern. Kostspielige Souvenirs bleiben in den Regalen.
Historische Städte in Holland: Delft
Auch wenn sich das Konsumverhalten seiner Besucher noch so sehr verändern mag, verkörpert Delft das Holland-Bild unseres kollektiven Gedächtnisses wie kaum ein anderer Ort: Mit seinen schiefen Häuschen an den Kanälen.

Das historische Rathaus in Delft im Stile der Renaissance
Mit den Ponton-Booten im Wasser, die im Sommer zu Biergärten werden. Mit der mittelalterlichen Architektur und Landmarken wie der Oude Kerk, deren Turm sich dermaßen melodramatisch nach Westen beugt, dass man ihn persönlich festhalten möchte.

Das historische Rathaus in Delft im Stile der Renaissance
Gegen die Vormacht der größten Städte des Landes kamen Gouda, Leiden und Delft im 20. Jahrhundert nicht mehr an. Dafür haben sie jene Intimität behalten, die andernorts in der Urbanität versunken ist: Auf den Grachten von Leiden, die nach Amsterdam das zweitgrößte Wasserstraßennetz des Landes bilden, herrscht kaum je Trubel.

Nostalgie pur: Andenken an die Elfstedentocht 1986
Stattdessen breitet sich am Ufer der Gracht »Witte Singel« ein Hortus Botanicus aus. Dessen Prunkstücke – eine Trauerbuche aus dem Jahr 1818 und ein japanischer Walnussbaum aus derselben Epoche – strahlen eine majestätische Ruhe aus, die sich auf die umliegenden Straßenzüge überträgt. Und die weiß getünchte Holzbrücke über das Galgewater, die sich gemeinsam mit der Windmühle »De Put« auf jedes Foto drängt, ach, ist das nicht der Inbegriff des Bilderbuchhollands?
An Original-Artefakten aus vergangenen Zeiten mangelt es nicht. Die Händler auf dem Kunstmarkt von Delft bieten sie reihenweise an. Weiße Kacheln aus dem 17. Jahrhundert, die mit Mühlen oder verblassten Schlittschuhläufern bemalt sind. Der nahe Beestenmarkt zeugt derweil von der lebendigen Gegenwart: Unter einem Dach aus Platanen versammelt sich die Jugend, um Abend und Nacht zu genießen.

Stadtrundfahrt im historischen Zentrum von Leiden
Während die beiden Universitätsstädte unter den drei Grazien der Provinz Süd-Holland am Abend quicklebendig sind, gibt sich Gouda anders. Wenn die Sonne untergeht über dem Marktplatz, sitzen in den Korbstühlen der Cafés zwar noch vereinzelte Gestalten. Doch sobald sich das Abendlicht und die gelben Laternen in den Grachten spiegeln, ist es an keinem anderen Ort so einsam wie hier. Marktpatron Kroon mag diese Ruhe. Könnte er hier doch bloß Fußball spielen.
Historische Städte in Holland: Informationen
Die drei historischen Städte in Holland sind von Deutschland aus mit einmaligem Umsteigen bequem mit dem ICE erreichbar. Ihre volle Pracht entfalten sie von Mai bis September, doch auch der Winter eignet sich bedingungslos für einen Kurzurlaub.
Käsemarkt Gouda: In 2025 findet der Käsemarkt von Gouda wieder statt. Geplant ist ein Start am 3. April. Danach jeweils donnerstags bis einschließlich 28. August von 10 bis 12.30 Uhr. Aktuelle Termine hier.
Hortus Botanicus (Botanischer Garten) Leiden: Der Hortus Botanicus von Leiden ist Aushängeschild der Universität zwischen den Vorzeigegrachten Rapenburg und Witte Singel. Täglich von 10 bis 18 Uhr, Eintritt 11 Euro.
De Porceleyne Fles: De Porceleyne Fles ist die Königliche Porzellanmanufaktur in Delft. Herstellung und Verkauf von Delfts Blauw, große Ausstellung. Täglich von 9.30 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 15/9 Euro.
Nieuwe Kerk Delft: Die Nieuwe Kerk in Delft ist eine Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die als letzte Ruhestätte der königlichen Familie dient. Prächtiger Ausblick. Täglich außer Sonntag von 10 bis 17 Uhr, November bis Januar 11 bis 16 Uhr. Kombiticket mit der Oude Kerk und beiden Türmen 13 Euro.
Weitere Informationen zu Gouda, Leiden und Delft:
Text & Bilder zur Geschichte über historische Städte in Holland: Ralf Johnen, zuletzt aktualisiert im Februar 2025.
Die Reise wurde teilweise von den Tourismusbüros Delft, Leiden und Gouda sowie vom Niederländischen Büro für Tourismusunterstützt.
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