Oklahoma City hat einen erstaublichen Wandel hingelegt. Aus dem einst erzkonservativen Provinznest ist eine recht hippe Stadt geworden. Höchste Zeit für einen Städtetrip in den Mittleren Westen.
Bill Hudspeth trägt einen Strohhut mit hochgestellten Krempen. Sein rundliches Gesicht zeugt von großer Zufriedenheit. Der Cowboy aus Marietta, Oklahoma, hat an diesem Montagvormittag ein Vermögen gemacht: 1200 Rinder der Spezies Texas Long Horn hat er verkauft – zum Stückpreis von 855 Dollar.
Knapp 1.000.000 Dollar reicher lässt Hudspeth den Arbeitstag ausklingen. Entspannt sieht er sich an, was die Konkurrenz so aufzubieten hat.
Im Minutentakt erhalten die Viehherden Einzug in eine kleine Arena, wo sie wie Sportwagen vorgeführt werden. Für das ungeübte Ohr anfangs kaum verständlich, reiht ein Auktionator mit enormer Geschwindigkeit Silben aneinander. Nach wenigen Sekunden reagieren die Anwesenden mit einschlägigen Handzeichen auf das Kauderwelsch. Ist der Zuschlag erteilt, werden die Rinder von Cowboys durch ein Labyrinth von Gängen zum Truck des neuen Besitzers getrieben.
Attraktion Nummer eins in Oklahoma City: Die Stockyards
Über Hunderte von Metern reihen sich in den National Stockyards von Oklahoma City Parzellen aneinander, die Viehherden ein temporäres Zuhause bieten. Dabei geht es hier in Oklahoma City kaum anders zu, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch ihre Lage inmitten des Kontinents stieg die Stadt seinerzeit erst zu einem Eisenbahndrehkreuz und dann zu einem Handelsknotenpunkt auf.
2400 Menschen waren in den Stockyards einst beschäftigt. Und obwohl es heute nur noch ein Bruchteil ist, hat die Wildwest-Romantik imer noch Bestand – genau 100 Jahre nach der Eröffnung. Darrin Williams, ein kerniger Cowboy mit Karo-Hemd und Sporenstiefeln, verdient sein Geld bei einem der acht hier tätigen Kommissionäre. „Das Ganze“, meint er, „ist eine Art Broadway-Show“. Live-Auktionen seien wohl nicht mehr nötig, aber die Leute hätten halt ihren Spaß daran.
Ein Backstein-Portal, auf dem ein riesiger Rinderschädel thront, signalisiert unmissverständlich, wo das frei zugängliche Gelände der Stockyards beginnt. Auch außerhalb des Areals jedoch ist die mythenreiche Epoche der amerikanischen Geschichte greifbar: Über eine Handvoll Blocks präsentiert sich Stockyard City im Südwesten der Stadt wie im Western von gestern: Bei „Langston’s Western Wear“ kaufen Cowboys ihre ornamentierten Hemden, bei „Little Joe Boots“ ihre wild gemusterten Stiefel. Und „Shorty’s Caboy Hattery“ ist der Laden ihres Vertrauens, wenn es die Wahl der charakteristischen Hüte geht.
Ein Muss beim Städtetrip nach Oklahoma City: Das Cattleman-Café
Eine weitere Institution ist „Cattleman’s Café“, das älteste Restaurant der Stadt. Waren es in den Anfangsjahren noch Rodeoreiter und Poker-Helden, die in dem schummrigen Lokal zwischen den Viehhändlern speisten, so haben später von John Wayne über Ronald Reagan bis hin zu Lyle Lovett Zelebritäten unterschiedlichster Ausprägung hier ihre Steaks gegessen. Glaubt man einem populären Reisebuch, ist das ruhmreiche Restaurant gar einer jener 1000 Orte, die man als Amerikaner gesehen haben muss.
Die Route 66: Monument des Mittleren Westens
Ein Monument aus einer anderen Epoche hat hingegen kaum Spuren in der Stadt hinterlassen: die Route 66. Inzwischen weitgehend verblichen, hat sich die „Mutter aller Straßen“ einst auf fast 700 Kilometern ihren Weg durch den Bundesstaat Oklahoma gebahnt.
Nur wenige Meilen außerhalb der Metropole jedoch lebt die Route 66: Auf Original-Asphalt führt sie bei Arcadia vorbei an der überdimensionierten Nachbildung einer Limo-Flasche.
Die Neonbeleuchtung lenkt die Aufmerksamkeit der Reisenden auf eine Tankstelle mit Diner hin. Mit mehr als 500 Sorten verfügt „Pops“ über die angeblich größte Softdrink-Vielfalt weltweit.
Das Rock Café: Klassischer Imbiss an der Route 66
In Stroud geleitet die Straße zum „Rock Café“, einem klassischen Biker-Imbiss.
In Chandler können Nostalgiker eine Original-Tankstelle aus den 30er Jahren bewundern. Und in Clinton steht an ihrer Seite das „Oklahoma Route 66 Museum“, das dem Mythos mit allerlei Memorablia huldigt.
Im Schatten der Wolkenkratzer von „Downtown“ trotzt auch jenes liebenswert kleine Art-deco-Gebäude dem allgemeinen Modernisierungseifer, das als Bahnhof fungiert. Noch – denn obwohl mit dem „Heartland Flyer“ neuerdings wieder Züge nach Fort Worth in Texas fahren, will die Auto-Lobby das Terminal zugunsten einer neue Schnellstraße abreißen.
Heiße Sommer, kalte Winter
Alternativ diskutieren die Stadtväter den Bau einer Schnellbahn, die laut Elisa Milbourn viel besser in das Wiederbelebungsprogramm passt, das der republikanische Bürgermeister Mick Cornett seiner Stadt verordnet hat: Seit 1993 erhebt Oklahoma City eine zusätzliche Mehrwertsteuer, die ausschließlich für Investitionen in der Innenstadt verwendet wird. Wie die Studentin erzählt, hat der erhoffte Effekte schon bald eingesetzt: „Die Verödung der City hatte ein Ende und es gab eine regelrechte Renaissance.“
Der einst kläglich vernachlässigte Oklahoma River etwa besitzt nun eine Promenade. Die Stadt konnte ein zugkräftiges NBA-Team für sich gewinnen. Und die in 2009 bewilligte dritte Stufe des Masterplans umfasst neben dem Schnellbahnbau auch ein Budget von 130 Millionen Dollar für die Anlegung eines Stadtparks.
Nachtleben in Bricktown
Am sichtbarsten manifestiert sich die Wiederauferstehung von Oklahoma City in „Bricktown“: Nachdem die Stadtväter den Industriedistrikt mit einem kleinen Kanalsystem durchzogen haben, siedelten sich in den Waren- und Packhäusern am Ufer Restaurants, Clubs und Bars an. In den Lofts darüber residieren die Kreativen.
Glaubt man Elisa Milbourn, ist Oklahoma City inzwischen eine der angesagtesten Städte des Mittleren Westens. Die Bewohner schätzen nicht nur die vitale Innenstadt, sondern auch das Klima: „Im Sommer ist es sehr heiß, die Winter sind kühl und nur manchmal eisig.“ Auch daher werde ihre Heimatstadt mittlerweile von vielen Amerikanern als preiswerte Alternative zu Florida oder Kalifornien geschätzt.
Das Attentat von Timothy McVeigh: Die düsterste Stunde von Oklahoma City
Eine erstaunliche Entwicklung, sagt die 30-Jährige, denn die Stadt lag 1995 so tief wie nie am Boden. Am 19. April des Jahres hatte Timothy McVeigh das Attentat auf das Murray Federal Building des FBI verübt. 168 Menschen starben bei dem Anschlag. Immer noch klafft an der betreffenden Stelle eine Lücke.
Ein gelungenes Monument mit angeschlossenem Museum erinnert an die schmerzhafte Wunde. Der Moment, den sie selbst in der Schule erlebt habe, werde immer Teil der Stadtgeschichte bleiben, sagt Milbourn. Auch wenn diese sich noch so positiv entwickeln werde.
Informationen zum Städtetrip nach Oklahoma City
Oklahoma City hat rund 560.000 Einwohner, der Bundesstaat ist etwa halb so groß wie Deutschland und zählt 3,7 Millionen Einwohner. Die Stadt wird nicht direkt von Deutschland aus angeflogen, günstige Verbindungen führen über Houston oder Atlanta. Die beste Reisezeit sind die Monate Mai, Juni, September und Oktober. Im Hochsommer kann es mit über 40 Grad Celsius extrem heiß werden, die Winter sind kühl.
Oklahoma City eignet sich als Ausgangspunkt für den Besuch der Attraktionen, die sich sowohl westlich als auch östlich der Stadt entlang der Route 66 aneinanderreihen.
Die frei zugänglichen Auktionen in den Oklahoma National Stockyards finden an Montag- und Dienstagvormittagen statt. Am 3. Oktober vor genau 100 Jahren wurden die Stockyards eröffnet.
Die Reise wurde von teilweise von Travel Oklahoma unterstützt.
3 Comments
….wo sind die Stiefel ?….wieder ein Bericht, der Reisesehnsucht erwckt, und zeigt, daß die „Amis“ Dinge nicht jahrelang planen, sondern umsetzen, wohl beispielhaft..danke.
Vielen Dank!
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