Zwischen den Wolkenkratzern in Downtown Chicago ist vom Startpunkt der Route 66 wenig zu sehen. Darüber hinaus ist er fehlerhaft festgelegt. Die Suche lohnt sich dennoch.

Unterwegs im Ausflugsboot vor der Kulisse des Sears Tower in Chicago
Am Startpunkt der Route 66 in Chicago wird eindrucksvoll sichtbar, wie die Stadt aus dem Nichts zu einer Metropole geworden ist. Erst haben Einwanderer aus aller Welt in den Schlachthöfen geschuftet, damit Chicago den Westen der Vereinigten Staaten mit Fleisch versorgen konnte. Bald mauserte sich die an den Ufern des Lake Michigan gelegene Stadt zum Wirtschaftsmotor und zum zentralen Eisenbahndrehkreuz der USA.
Die Erfindung des Wolkenkratzers in Chicago
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Grundstücke im Loop immer begehrter. Der Name leitet sich von einer längst verblichenen Standseilbahn ab, die einst eine schleifenförmige Runde um die Innenstadt fuhr. So blieb Architekten wie Louis Sullivan nichts anderes übrig, als in die Höhe zu streben und den Wolkenkratzer zu erfinden.

Reichlich unspektakulär: das Hinweisschild auf den Startpunkt der Route 66
Später eroberten Gangster, der Jazz und schließlich der Blues die Stadt. Hier wurde die Deep-dish-Pizza erfunden, während erst die Moderne und später die Postmoderne ihre Spuren in der Skyline hinterließen. Dabei wuchs die Stadt immer weiter. Kurzum: Chicago hat anderes im Sinn, als sentimentale Gedanken an eine weitgehend aufgehobene Straße zu verschwenden.
Suche nach dem Startpunkt der Route 66 in Chicago
So weisen heute nur zwei unscheinbare Schilder auf den offiziellen Startpunkt der Route 66 hin (GPS: 41.87946, -87.62474). Sie sind nur einen Steinwurf vom Art Institute entfernt und abhängig vom genauen Standort sind am Ende der Adams Street die Antennen des Willis Tower zu sehen, der mit seinen 443 Metern lange Zeit der höchste Wolkenkratzer der USA war.

Ein Muss: die Bootstour auf dem Chicago River führt mitten durch die Häuserschluchten
Wenigstens ein Souvenirshop zu Ehren der Mother Road wäre überall sonst im Lande eine Selbstverständlichkeit. Chicago aber macht sich allenfalls die Mühe, hin und wieder die Aufkleber zu entfernen, mit denen Fans auf dem etwa 30 mal 60 Zentimeter großen Schild mit der Aufschrift »Begin« ihre eigene Herkunft markieren.
Souvenirfoto in der Adams Street
Das Ganze eignet sich für ein Souvenirfoto, obwohl das Licht in den Häuserschluchten problematisch ist. Sein Wert aber ist aus puristischer Sicht fraglich, weil der große Trip in den Westen ursprünglich auf dem Jackson Boulevard einen Block weiter südlich seinen Lauf genommen hat. Dieser wurde 1937 zur Einbahnstraße deklariert, ein absolut üblicher Vorgang, aber eben auch ein Eingriff, den es zu beachten gilt.

Gefunden: Autor Ralf beim Hinweisschild auf den ursprünglichen Startpunkt der Mother Road in Chicago
Letztlich mag es unwichtig sein, ob die Menschen im Jahre 1926 ihre 3945 Kilometer lange Reise nach Los Angeles 100 Meter weiter nördlich oder südlich in Angriff genommen haben. Wäre da nicht unter der Hausnummer 565 W. Jackson Boulevard jenes Restaurant, dass kein um Authentizität bemühter Route-66-Freak zum Start des Trips auslassen darf: Lou Mitchell’s.
Stilechter Start auf die Route 66: Frühstück bei Lou Mitchell’s
Schon seit den Anfangstagen, als die Straße nach Kalifornien größtenteils noch asphaltiert werden musste, heißt es in dem Lokal: »Enjoy your breakfast and have a great day«. Hier kommt die heute oftmals nur noch vorgetäuschte Freundlichkeit amerikanischer Dienstleister noch von Herzen: jeder Gast wird mit einem Mini-Donut begrüßt. Anschließend kommt im Dekor eines klassischen Diners »The World’s best Coffee« auf den Tisch.

Stilechter Start: ein Frühstück im Diner Lou Mitchell’s
Eine hochtrabende Behauptung, deren Wahrheitsgehalt angesichts der Speisen eher unbedeutend ist: Pecan Pancakes, Corned Beef Hash und Cream Cheese Bagels. Ein traditionsbewusster amerikanischer Speiseplan, wie er uns entlang der Route 66 begleiten wird. Das Frühstück, sagen manche Gäste, hält fast bis L.A. vor. Dabei sind die Rezepte seit Jahrzehnten unverändert. Vieles ist hausgemacht und die Zutaten stammen aus der Region. Ein verheißungsvoller Auftakt!
Informationen zum Startpunkt der Route 66 in Chicago
Route 66 Official Begin Sign: East Adams Street, das Schild befindet sich etwa 20 Meter von der Kreuzung mit der South Michigan Avenue auf der Südseite. Auf der gegenüberliegenden nördlichen Straßenseite ist neuerdings ebenfalls ein Schild vorhanden. Angeblich sind zum hundertjährigen Jubiläum der Route 66 weitere optische Aufwertungen geplant.

Old School: Speisekarte bei Lou Mitchell’s Diner
Restaurant: Lou Mitchell’, Mittwoch bis Freitag 6 bis 14, Samstag und Sonntag 7 bis 14Uhr, 565 W. Jackson Blvd., Chicago, IL 60661.
Unterkunft: Kimpton Grey Hotel: Prächtiges Hotel nur viereinhalb Blocks vom Startschild der Route 66 entfernt. 122 W Monroe St., Chicago, IL 60603, www.grayhotelchicago.com

Nahrhaft: Frühstück bei Lou Mitchell’s Diner in Chicago
Einige Highlights von Chicago
Architekturfans sollten sich unbedingt das Robie House von Frank Lloyd Wright im Süden Chicagos ansehen. Auch eine Bootstour auf dem Chicago River ist sehr beeindruckend. Nur in Fachkreisen bekannt ist unterdessen der vielleicht beste Hutmacher der Welt: Bei Optimo Hats lassen Stars wie Johnny Depp ihren Kopfschmuck anfertigen.
Weitere Sehenswürdigkeiten in Chicago
The Art Institute of Chicago: Spektakuläres Ausstellungshaus mit hochwertiger eigener Sammlung. Montag, Mittwoch und Freitag bis Sonntag von 11 bis 17, Donnerstag von 11 bis 20 Uhr, Eintritt 32/26 USD, 111 South Michigan Avenue, Chicago, IL 60603.

Unverkennbar Frank Lloyd Wright: Robie House in der South Side
Willis Tower: 110 Stockwerke, eine Dachhöhe von 443 Metern und 523 Meter hohe Antennenspitzen berechtigen zu Platz 2 unter den Wolkenkratzern der USA hinter dem World Trade Center in New York. Einmalige Ausblicke vom Skydeck. Täglich mindestens von 9 bis 20 Uhr, Eintritt ab 32 USD, 233 South Wacker Drive (Eingang), Chicago, IL 60606.
Tipp: Wer sich die Attraktionen in Chicago ansehen möchte, sollte dafür mindestens zwei bis drei Tage einplanen und den Mietwagen erst danach in Empfang nehmen. In Chicago ist ein Wagen nicht erforderlich und das Parken ist sehr teuer.

Foto: Ralf Johnen
Die Route 66 in Illinois
Vom Startpunt der Route in Chicago verliert sich die Straße in den Suburbs fast vollständig. Du kannst dem Verlauf der Originaltrasse lediglich mithilfe historischen Kartenmaterials oder einschlägiger Apps einigermaßen folgen.
Erst nach über 50 Kilometern manifestiert sich die Originaltrasse der Route 66 besser, ehe sie auf der Höhe von Joliet zunehmend sichtbar wird. In Illinois existieren zahlreiche gut erhaltene Gedenkstätten aus den Anfangstagen der Route 66. Hinzu kommen Restaurants, Bars, Wandgemälde, Autohäuser und Ähnliches, die der Mother Road gewidmet sind. Mit anderen Worten: hier fängt der Spaß an.

Ikone der Mother Road: der Gemini Giant in Wilmington, Illinois
Stops an der Mother Road in Illinois
In Joliet solltest du dir unbedingt das Old State Prison ansehen. In dem ausgemusterten Gefängnis hat John Landis die Anfangsszene der Blues Brothers gedreht. Kurz darauf in Wilmington tritt mit dem Gemini Giant der erste der berümten Muffler Men in Erscheinung. Weiter geht’s zum Route 66 Museum in Pontiac, wo du Bekannstschaft mit der Route-66-Legende Bob Waldmire schließt. Eine echte Institution ist Henry’s Rabbit Ranch, dessen Eigentümer mit der berühmten Cadillac Ranch bei Amarillo konkurriert.

Autowracks von Rabbits an der Tankstelle Henry’s Rabbit Ranch in Illinois
Illinois‘ Hauptstadt Springfield ist zugleich die Heimat von Abraham Lincoln, dem mehrere Gedenkstätten vor Ort gewidmet sind. Hier gilt es unbedingt eine kulinarische Institution der Route 66 zu verspeisen, den Cozy Dog. Kurz vor der Überquerung des Mississippi verläuft die Trasse der Route 66 durch Alton, der Heimatstadt von Miles Davis. So hat Illinois schon eine Menge zu erzählen über die Straße aller Straßen.
Die Route 66 in Wort und Bild
Dies ist Geschichte Nummer 1 von insgesamt 66 Stories über die Route 66. Zu Geschichte Nummer 2 geht es hier.
Text und Fotos: Ralf Johnen, April 2025.
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